30. Juni 2009:Auch August hätte so entschieden

30. Juni 2009: In der Diskussion der SZ-Leser: Die Unesco hat Dresden das Prädikat Welterbe aberkannt.

In der Diskussion der SZ-Leser: Die Unesco hat Dresden das Prädikat Welterbe aberkannt.

(Foto: Foto: AP)

Die Dresdner und ihre Fürsten haben sich bei der Stadtplanung nie um Besserwisser gekümmert: SZ-Leser schreiben zum Verlust des Weltkulturerbetitels.

Zum Verlust des Weltkulturerbetitels für Dresden ('Strafe muss sein', 26. Juni und 'Der Traum vom schönen alten Dresden', 27./28. Juni) schreiben Leser:

Baut Eure Brücke!

"Dresden ist in seiner Geschichte so ruhmvoll entstanden, weil es die Dresdner beziehungsweise die sächsischen Landesfürsten so wollten und sich nie um 'Besserwisser' gekümmert haben. Mit Erfolg. August der Starke hätte so entschieden, wie der große Teil der Bevölkerung und die Befürworter der Brücke. Ich kann die Dresdner nur unterstützen, das Vorhaben zu Ende zu bringen: Baut Eure Brücke! Baut sie so schön, wie sie auf dem Simulationsbild der SZ abgebildet ist. Sie reiht sich hervorragend in das Bild der Dresdner Elbbrücken ein. Angefangen vom 'Blauen Wunder' im Süden, den berühmten Sandsteinbrücken (Augustus- und Albertbrücke, in deren Nähe schon im 12. Jahrhundert eine Brücke über die Elbe entstand), der nach dem Krieg wiederhergestellten, Carolabrücke und der für Auto und Eisenbahn konzipierten Marienbrücke bis zur, vielleicht hässlichsten, der Autobahn-Brücke über die Nordschleife der Elbe.

Die wunderschöne Elblandschaft wird dadurch weniger zerstört, als es die Nachkriegs-Plattenbauten oder der Kubus einer Religiösen Einrichtung ganz in der Nähe des südlichen Elbufers und der historischen Altstadt hervorrufen. Baut die Brücke zierlich, aber vor allem breit genug, damit sie genügend Busparkplätze aufnehmen kann. Stellt dann Schilder auf die Brücke: Von hier aus haben Sie den besten Platz zum Fotografieren dieser einmaligen Stadtansicht. Eine Aberkennung des Welterbetitels wegen der 'tiefen Wunde in der Landschaft des Dresdner Elbtales' ist nicht mehr als der zweite Platz einer Fußballweltmeisterschaft. Dresden wird seine eigene Anerkennung im Welt-Kultur-Tourismus behalten und das Spektakel wird irgendwann verklingen!" Siegfried Pünsch, Wetzlar

Baumüll und Plattenbauten

"Wie konnte es jemals dazu kommen, dass dieses Ensemble zum Welterbe erklärt wurde? Der barbarische Baumüll rund um die Frauenkirche, die schauerlichen Plattenbauten in Ufernähe und die abscheuliche längst in Betrieb genommene Brücke im Vordergrund haben das Elbtal schon dermaßen verschandelt, dass die geplante Waldschlösschenbrücke nichts mehr verschlimmern könnte. Und würde statt des modernen Entwurfs eine nachgekitschte Brücke realisiert werden, hätte es die ganze Aufregung vermutlich nie gegeben." Rüdiger Becker, Berlin

Niemand will die Elbauen zubetonieren

"Die erwähnte Tunnel-Alternative müsste aufgrund der Steigung der besagten Elbhänge eine enorme Länge aufweisen und wäre damit um ein vielfaches kostspieliger als die Brücke. Zudem könnte ein Tunnel nicht von Radfahrern und Fußgängern genutzt werden, so dass die Brückengegner auf die Idee einer Fußgängerbrücke gekommen sind, an eben der Stelle der Waldschlösschenbrücke. Selbst die Gegner stimmen zu, dass eine Elbquerung beziehungsweise Utertunnelung an dieser Stelle notwendig ist, da das Blaue Wunder, eine der vier Elbbrücken im Welterbegebiet, die Verkehrsbelastung nicht mehr aufnehmen kann und in absehbarer Zeit für den Verkehr gesperrt werden muss.

Im Übrigen ist die Brücke nicht, wie von Ihrem Reporter behauptet, von allen Stellen der Elbhänge, dessen geschütztes Gebiet von Pillnitz bis Übigau reichte, zu sehen. Es ist zu bezweifeln, dass es nach dem Bau der Brücke, weniger schön ist, an der Elbe spazieren zu gehen. Wie kann davon ausgegangen werden, dass sich die Dresdner Bevölkerung ein Monstrum in die Landschaft stellen wird? Die Dresdner lieben ihre Stadt und die sie umgebenden Elbhänge. Zu behaupten, sie würden diese Landschaft mit einer Brücke zerstören, verletzt jeden Dresdner schwer. Denn diese Stadt und ihre Einwohner wissen, was Zerstörung heißt. Der Einsatz der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Dresden erst zu dem gemacht, was es heute ist und wie es sich der Welt zeigt. Und niemals würden die Dresdner es zulassen, dass dies wieder zerstört wird. Dafür benötigen wir keinen Weltkulturerbetitel. Wir werden jetzt nicht anfangen, die Elbauen zu betonieren. Niemandem bedeutet die Stadt Dresden so viel wie den Dresdnern selbst." Madlen Bleschke, Dresden

Das Ende charmanter Landschaften

"Als zentrale Brückenheilige sollte die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz prunken, dargestellt in inniger Umarmung mit jenem Bomber Harris, dessen Geschwader in der Nacht des 13.Februar 1945 den historischen Stadtkern in Schutt und Asche gelegt hatten. Weiteres Dekorationsmaterial ist in Überfülle vorhanden. Da ist ein amtierender Ministerpräsident, der eine SED-Vergangenheit hinter sich herschleppt; sein Vorgänger, aus dem Amt geschasst ob dubioser privater Finanzgeschäfte. Da sind endlich die willfährigen sächsischen gens de justice, die jeden Nachfahrn des großen Honoré Daumier zu Höchstleitungen inspirieren könnten.

Aber ach: Kaum jemand wird das virtuelle Gesamtkunstwerk jemals besichtigen können. Die Brücke ist ausschließlich dem Autoverkehr vorbehalten; nicht einmal die windige Verprechung auf einen Radweg, mit dem sich die SPD weichkochen ließ, wird realisiert werden. Lärm, Gestank und finale Ruinierung charmanter, einstmals einladender Landschaften und Stadtteile sind die absehbaren Folgen." Hermann Backes, Dresden

Demokratie ist nichts für Besserwisser

"Gottfried Knapp vermittelt uns das Unesco-Komitee als obersten Kulturzensor und freut sich offensichtlich darüber, daß es Dresden den Kulturerbestatus für das Dresdner Elbtal nach wiederholten Abmahnungen endlich entzogen hat. Dresdner Politiker würden für ihr Festhalten am Bau der Waldschlößchenbrücke gerechterweise abgestraft. Das eindeutige mehrheitliche Votum der Dresdner für den Bau dieser Brücke in einem Bürgerentscheid und die Bestätigung der Politiker, die diesen Willen der Bevölkerung ernstnehmen, im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Kommunalwahl zählt für Herrn Knapp selbstverständlich nicht angesichts selbsternannter Kultur-und Landschaftspfleger.

Demokratie ist etwas für das gemeine Volk, nicht aber für die Besserwisser in unserer Gesellschaft. Hat Gottfried Knapp aber möglicherweise übersehen, daß sich das Unesco-Komitee immer deutlicher als internationaler Museumsför- derverein erweist und eine lebendige Kulturmetropole wie Dresden froh sein kann, der Museumsschutzhaft dieses Komitees entkommen zu sein. Das Unesco-Komitee hat sich mit dieser Entscheidung selbst bestraft. Es bleibt zu hoffen, daß seine Mitglieder sich endlich besinnen und das Weltkulturerbe-Konzept weiterentwickeln." Dr. Wolfgang Pittrich, Dresden

Wahrheit und Wünsche

"Ich gewinne den Eindruck je mehr über den, wie es heißt, notwendigen Bau der (gerade dieser) Waldschlößchenbrücke geredet wird, umso mehr soll hier kaschiert werden. Die Wahrheit ist einfach. Nicht die Mehrheit der Dresdener wünscht sich die Brücke sondern die Mehrheit der Wähler, - diese betragen 50% der Wahlberechtigten - wünschen eine Brücke.

Eine Brücke war im Antrag ans Welterbekomitee enthalten offenbar mit irreführenden Angaben. (Der jetzige Standort befindet sich hinsichtlich der Länge am ungünstigsten Ort, die Brücke selbst ist ein Klotz). Wußte der Wähler, dass er bei der Abstimmung gleichzeitig den Welterbetitel verspielen konnte? Wohl nicht. Ich sehe die Sache mit der Demokratie nicht ganz so plakativ wie es Prominente und auch Geistliche offenbar meinen tun zu müssen: Die Dresdener Wähler wünschten eine Brücke. Ich glaube, sie hätten sich mit diesem Wunsch mit dem Welterbekomitee einigen können, dies geht aus vielen mir bekannten Verlautbarungen hervor. Warum eigentlich nicht? Die Demokratie jedenfalls trägt keine Schuld wenn nun der Klotz gebaut wird." Waltraut Schumann, Stralsund

Die aufblühende Stadt am Strom

"Lieber Herr Prof. Blobel, Sie schauen mit Ihren anerkannten Verdiensten in der Wissenschaft und für die Stadt Dresden mit ihrer Frauenkirche von aussen auf das Weltkulturerbe und eine Brücke, die der aufblühenden Stadt am Strom neue Wege und Chancen geben soll. Wir engagierten alten und neuen Dresdner müssen uns in unsere Angelegenheiten einmischen, unser Selbstbewusstsein wiederfinden, um die vorhandenen Schätze zu wahren und Wege in eine gemeinsame Zukunft zu bauen.

Eine Stadt am Strom entwickelt sich mit ihren Brücken, um die Brückenköpfe werden Gewerbe, Siedlung, Kultur und Wissenschaft entwickelt, sie verbinden Regionen.Sevilla hat in der Zeit des Status als Weltkulturerbe acht Brücken gebaut, und Brücken sollen Prachtstücke der Baukunst, selbst Gegenstand der Weltkultur sein.Was haben wir falsch gemacht? Die Generalverkehrsplanung weist seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten auf die Querungen über den Elbestrom östlich stromauf und westlich stromab des Stadtzentrums, die Anbindungen der Brücke sind zum Teil schon gebaut.

Das Gelände am nördlichen Elbhang und auf den südlichen Elbauen lag vernachlässigt und brach, Vogelwiese, Baustofflager, Wildwuchs waren keine rechte Idylle. Unausgereifte Verwaltungsakte und professionelle Demonstrierer haben unbedarfte und schlecht informierte Dresdner gegen jedwede Brücke aufgebracht. Der Einsatz für eine gute, gelungene Brücke zur Bereicherung des Stadtbildes und zur Benutzung durch Bewohner und Besucher, mit Kinderwagen und Fahrrad, mit Bus und Strassenbahn ist versäumt worden, nun wird leider eine nüchterne Stahlbrücke gebaut. Ein Tunnel, ausschliesslich für Autoverkehr geeignet, ergibt keine technisch sinnvolle Verbindung. Durch die erzwungenen Verzögerungen gibt es bereits erhöhte Kosten, ein Baustop würde die Kosten für die Steuerbürger drastisch erhöhen, die Mittel für das Weltkulturerbe fehlen schmerzlich.

Lassen Sie uns nach allen Verwirrungen gemeinsam nicht nur den Schaden begrenzen, sondern die Potentiale der Elbequerung vorteilhaft entwickeln, die Aussicht geniessen, die Brückennutzer bewirten, die Lebensqualität der Anwohner entwickeln, die Zufahrten mit Bauten für Kultur und Wissenschaft schmücken, eben die Voraussetzungen schaffen, das Erbe mit dem Neuen zur Weltkultur zu verbinden." Wolfgang Beyer, München

Leistung anerkennen

"Sehr geehrte Damen und Herren, dem Autor Johan Schloemann muss man, 20 Jahre nach der Wende, immer noch einen Hang zur Ideologie aus der Zeit des Kalten Krieges unterstellen. Es wird im Artikel 'Der Traum vom schönen, alten Dresden' richtigerweise darauf hingewiesen, dass Dresden in Folge des von Deutschland begonnen Zweiten Weltkriegs im Februar 1945 in Schutt und Asche gelegt wurde. Attestiert wird der Wiederaufbau, aber gleichzeitig wird zwingend darauf hingewiesen das es sich um 'grässliche sozialistische Klötze' und 'DDR-Monstren' handelt. Hier verfällt der Verfasser, wie kann es auch anders sein, in eine immer wiederkehrende abwertende Einschätzung der Aufbauleistungen der Ostdeutschen.

Solche Vergleiche gab es schon einmal und das war in der Zeit des Nationalsozialismus als Kunst als 'entarteten Kunst' diffamiert wurde, Architektur eignet sich nur bedingt für derartige Bewertungen, denn sie stellt letztendlich nur eine subjektive Einschätzung des Betrachters dar. Vergessen oder ausgelassen hat der Verfasser darauf hinzuweisen das Dresden unter der Architektur des real existierenden Kapitalismus, mit seinen der Profitgier unterworfenen Zweckbauten seit der Wende in Teilen nicht unbedingt ansehnlicher geworden ist. Diese Art der Architektur hat solch 'schöne' Plätze wie den Wienerplatz am Hauptbahnhof, den Postplatz unweit des Zwingers, die völlig zugebaute Prager Straße und die tolle 'Gläserne Manufaktur' von VW am Rande Großen Gartens hervorgebracht. Dafür sollte man sicher sehr dankbar sein.

Dabei wird gern vergessen, obwohl es in der Hauptsache um die Stadt Dresden ging, dass auch im Westen jede Menge, aus Sicht des Betrachters, geschmackfreie Architektur nach 1945 gebaut wurde. Ganze Städte u.a. Pforzheim, Stuttgart, Schweinfurt, Frankfurt wurde mit ähnlichen Bauten versehen.

Es muss doch möglich sein in diesem Jahr (20 Jahre Mauerfall, 60 Jahre BRD) auch einmal anzuerkennen ohne ständig die ideologische Kriegskeule zu schwingen, dass es nach 1945 in Ost und West das wichtigste war die Trümmer zu beseitigen, eine Infrastruktur und schnell viel Wohnraum für die Ausgebombten, Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten zu schaffen. Einfach diese Leistung anzuerkennen, würde wahrscheinlich mehr zur Einigung der Deutschen in Ost und West beitragen als dieses ewiggestrige des Verfassers." Holger Butze, Freiburg

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