Internet - Stuttgart:Künstliche Intelligenz für Cybersicherheit? Experten beraten

Baden-Württemberg
Ein Netzwerk-Kabelstecker leuchtet in der Netzwerkzentrale einer Firma zu Kontrollzwecken rot. Foto: Felix Kästle/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stuttgart (dpa/lsw) - Künstliche Intelligenz (KI) kann Unternehmen im Südwesten vor Cyberangriffen schützen - doch sie birgt auch Risiken. KI sei "Innovationsturbo und Sicherheitsrisiko zugleich", sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) beim Cybersicherheitsforum in Stuttgart. Schließlich könne sie von Angreifern wie auch von Unternehmen genutzt werden. Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Polizei kamen bei dem Forum zusammen, um über Gefahren im Internet zu sprechen. Die Zahl der Cyberangriffe auf Firmen hat zuletzt zugenommen.

Es gebe zwei Arten von Unternehmen, sagte Strobl in Anlehnung an den ehemaligen FBI-Direktor James Comey. "Die einen, die einen schweren Hackerangriff hinter sich haben. Und die anderen, die ihn noch vor sich haben." Vorbeugen und helfen solle auch die Verwendung von KI, also Computerprogrammen, die mit ihrer Umwelt interagieren, lernen und Entscheidungen treffen können.

Die können aber auch Angreifer nutzen. Der Sicherheitsforscher Thomas Roth erklärte: Angreifer verwendeten etwa KI, die automatisch sehr viele Schnittstellen in der IT des Opfers auf Schwachstellen untersuche. Bei einem "Treffer" könne die KI unterscheiden, ob ein Angriff an der Schwachstelle das System lahmlegen würde, oder ob sie Einfalltor für einen "bösartigen Code" sein kann.

Denn darauf haben es die Angreifer meist abgesehen. Laut Innenministerium stellen sogenannte Verschlüsselungstrojaner die größte Gefahr für Unternehmen dar: Täter infizieren dabei IT-Systeme des Opfers mit einem Programm, das alle im Netzwerk verfügbaren Daten verschlüsselt und so unbrauchbar macht. Die Angreifer fordern daraufhin die Zahlung von Lösegeld. Erst dann würden sie die Daten entschlüsseln. Inzwischen sei man bei den Forderungen bei zweistelligen Millionenbeträgen angelangt, sagte Strobl.

Auf der anderen Seite können Unternehmen KI einsetzen, um sich zu schützen. Dominik Helble, Cybersicherheits-Experte beim Esslinger Unternehmen Festo, erklärt das so: Die IT-Abteilungen von Unternehmen verfügen über Unmengen von Daten, etwa darüber, welcher Mitarbeiter sich zu welchen Zeitpunkten von wo in seine Accounts einloggt. In großen Unternehmen könnten das mehrere Tausend Vorgänge pro Sekunde sein - zu viel, um sie händisch von Menschen überwachen lassen zu können. Die Kunst sei es, aus all diesen Daten "die Nadel im Heuhaufen", also den Cyberangriff unter den zahlreichen legitimen Loginversuchen, zu finden. KI könne dabei helfen, Ungereimtheiten zu bemerken. So würde etwa Alarm geschlagen, wenn ein Nutzer sich nachts und von einer anderen Zeitzone aus einloggt, obwohl er eigentlich Urlaub hat - wahrscheinlich hat hier jemand Nutzerdaten gestohlen.

Laut Helble nutzen die meisten größeren Unternehmen bereits solche Systeme. Auch bei Kleineren werde so ein KI-Schutz beliebter, denn es gebe große Anbieter, die diesen Schutz als Service anbieten.

Der Südwesten soll bei dem Thema nach Strobls Vorstellungen vorangehen und zum Vorreiter in Sachen Cybersicherheit werden. "Cybersecurity "Made in Baden-Württemberg", das soll ein Markenzeichen werden." Dazu soll die Cybersicherheitsagentur beitragen, eine zentrale Plattform, die die Arbeit der verschiedenen Ermittlungsbehörden koordinieren sowie Staat, Kommunen, Wirtschaft und Forschung beim Thema Cybersicherheit vernetzen soll. 13 Millionen Euro sind dafür im aktuellen Doppelhaushalt eingeplant, laut Strobl vor allem für die 83 Personalstellen. Die Agentur soll im Januar 2021 ihre Arbeit aufnehmen.

Die Zahl der Cyberangriffe und der verursachte Schaden haben zuletzt zugenommen. Nahezu doppelt so viele Unternehmen und Behörden als noch im Vorjahr meldeten sich 2019 wegen eines möglichen Angriffs bei der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC), einer auf Cyberkriminalität spezialisierten Abteilung des Landeskriminalamts. 2018 waren es 805 Meldungen. Bei der Cyberwehr, einer seit Februar 2019 aktiven "digitalen Feuerwehr" des Landes Baden-Württemberg und Anlaufstelle für Unternehmen bei Hackerangriffen, gingen laut Innenministerium bislang 91 Anrufe ein.

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom entstand deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr ein Schaden von 10,5 Milliarden Euro durch Erpressung mit gestohlenen Daten oder verschlüsselten Daten.

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