Dresden (dpa) - Im Büro des Dresdner Literatur- und Medienwissenschaftlers Lars Koch wird öfter berufsbedingt gelacht. Denn der aus Siegen stammende Wissenschaftler forscht unter anderem zu kulturellen Funktionen und Kontexten von Witzen und Humor.
Dem Thema Witze könne man sich von verschiedenen Seiten aus nähern, sagt der Professor und verweist auf Sigmund Freuds Schrift „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“. „Ich forsche dagegen seit etwa fünf Jahren vor allem zum Thema interkultureller Humor.“
Humor funktioniert kulturspezifisch
„Humor und Lachen gehören zur anthropologischen Ausstattung des Menschen. Jede Gesellschaft lacht, aber sie lacht über andere Dinge und unter Umständen auch in einem anderen Modus“, erklärt Koch. Worüber gelacht wird, hänge sehr stark mit dem kulturellen Repertoire, dem kollektiven Gedächtnis und dem Selbstbild einer Gesellschaft zusammen. Deshalb könne der Humor auch ganz schnell kippen und etwas Beleidigendes und Verletzendes bekommen, wenn Beteiligte einen anderen kulturellen Hintergrund besäßen.
Als Beispiel nennt der 45-Jährige den Karikaturenstreit. „Im Westen gehört es mittlerweile meist zum Standard, selbst religiöse Autoritäten zu verlachen. In muslimischen Ländern ist das aber ganz und gar nicht so.“ Da die Menschheit in einer globalisierten Welt lebe, würden die unterschiedlichen Humorkulturen heute sehr viel schneller aufeinanderprallen als noch vor 100 Jahren: „Da kann es schnell zum Clash kommen. Dann wird aus Humor ganz schnell Verletzung, weil man selbst andere Tabutoleranzen hat.“
Doch in vielen Fällen lache die Welt gemeinsam über dieselben Sachen, meint Koch. So stünden Charlie Chaplin oder auch Mr. Bean für einen weitgehend universellen Humor, der vor allem über Körper und Mimik transportiert wird. Beide Künstler kämen ohne Worte aus oder beschränkten das Verbale auf das Notwendigste. Britischer Humor oder auch jüdischer Witz würden dagegen stark von der Sprache abhängen. Hier seien Spott und Ironie maßgeblich, die ohne Semantik nicht auskommen. „Der Witz ist hier eine scherzhafte Mikroerzählung, die auf eine unerwartete Wendung hinausläuft.“
Lachen im Angesicht der Katastrophe
Der Professor kann auch erklären, warum selbst nach menschlichen Katastrophen gern gewitzelt wird. „Wenn etwas ganz Schreckliches passiert, dann dient Humor dazu, sich ein Stück weit zu distanzieren, herauszunehmen und wieder Deutungssicherheit zu gewinnen.“ Ob es bei Witzen Grenzen gebe, hänge ganz von der Perspektive ab: „Ich schaue nicht zuvorderst moralisch auf Humor, sondern frage nach seinen Funktionen. Es gibt aber auch die dunkle Seite des Humors. Es wäre zu leicht zu sagen, bei Humor ist alles erlaubt.“
„Witze haben die Fähigkeit, andere Menschen zu verletzen. Sie können Stereotype verstärken und bestimmte Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung vorantreiben“, betont der Forscher und nennt als Beispiel antisemitische Witze. Gerade in totalitären Regimes könnten Witze eine heikle Angelegenheit sein. Humor habe das Potenzial, bestimmte Herrschaftsverhältnisse zu unterminieren - als kurzfristiges Ventil oder auch zur sukzessiven Untergrabung einer Herrschaftsform oder Autorität: „Humor kann auch eine machtkritische Funktion haben.“
Darauf baut auch das Kabarett. Wer beispielsweise die Programme der Dresdner „Herkuleskeule“ in den 1980er Jahren erlebte, hätte das baldige Ableben der DDR zumindest erahnen können. Da wurden mit scharfer Satire die Diskrepanzen zwischen Sein und Schein beleuchtet. Witze waren in der ostdeutschen Mangelwirtschaft keine Mangelware, es gab sogar die Kategorie „Honeckerwitze“. „Ein solcher Witz konnte in der DDR Druck aus dem Überdruckreifen nehmen. Lachen ist Wein für die Seele“, sagt der Autor und frühere „Keule“-Chef Wolfgang Schaller.
Satire als Analyse
„Politikerwitze sind Volkswaffen gegen die Resignation. Satire sind sie aber nicht. Politische Satire ist die pointierte Analyse gesellschaftlicher Zustände wie wir sie in den letzten Jahren von Volker Pispers und Georg Schramm oder heute von der ZDF-Anstalt kennen“, sagt Schaller. Seine Freunde Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder und Peter Ensikat hätten politisches Kabarett als Aufklärung verstanden und nicht als Jux. „Satire fängt an, wenn der Spaß aufhört, nur Spaß zu sein und ernst wird.“
Koch will die Frage nicht eindeutig beantworten, ob die Globalisierung zu einer Annäherung des Humors auf der Welt führen wird: „Ja und Nein. Was die Populärkultur angeht, glaube ich das schon. Wir leben in einer Konstellation, die von der amerikanischen Populärkultur dominiert wird und wo sich bestimmte Formen der Comedy und des Slapsticks durchsetzen.“ Viele Formate würden aus den USA übernommen. Es gebe aber auch Traditionen, die gegen den Normierungsdruck der Massenkultur widerstandsfähig seien.
Lars Koch selbst findet am subtilen Witz Gefallen und weniger am Schenkel-Klopfer-Humor eines Mario Barth. „Der nutzt sich nicht nur sehr schnell ab, sondern bedient sich auch bei sexistischen Stereotypen“, meint der Professor und gibt eher Comedians wie Olaf Schubert den Vorzug: „Lachen gehört in meinem Büro dazu, mein Team ist trotz der oftmals harten Themen, mit denen wir uns beschäftigen, ein lustiger Haufen.“ Humor sei oft dann zündend, wenn man nicht groß darüber nachdenken müsse, sondern einfach von ihm ergriffen werde.