Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Angesichts des gestiegenen Bedarfs an Dolmetschern warnt der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) vor dem Einsatz von Laien. Man beobachte mit einiger Sorge, dass immer wieder kaum oder gar nicht qualifizierte Dolmetscher für unterschiedlichste, oft hochsensible Einsätze herangezogen würden, erklärt der BDÜ auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Besonders problematisch ist laut hessischen Sozialverbänden und -vereinen die Situation im Gesundheitsbereich.
„Im Gegensatz zum Konferenzdolmetschen beziehungsweise dem Dolmetschen für Politik, Wirtschaft und Industrie fehlen für das Dolmetschen im Gemeinwesen und im Gesundheitswesen sowie das Dolmetschen für Justiz- und Polizeibehörden oft qualifizierte, hinreichend ausgebildete Dolmetscherinnen und Dolmetscher, insbesondere für in Deutschland wenig verbreitete Sprachen“, erklärt der BDÜ. Das sei allerdings kein speziell hessisches Phänomen.
Wie viele Dolmetscher es in Hessen gibt, ist dem Verband unbekannt. Der BDÜ hat hier 700 Mitglieder. Die Gesamtzahl der Dolmetscher wird nicht erfasst, weder das mündliche Dolmetschen noch das schriftlichen Übersetzen sind geschützte Berufe. Registriert werden nur für die Justiz tätige Sprachexperten - 1137 waren es zuletzt in Hessen. Allerdings hätten Richter auch die Möglichkeit, jemanden spontan zu Beginn einer Verhandlung - und damit ohne ausführliche Prüfung der Qualifikation - zu vereidigen.
Ein allgemeiner Dolmetschermangel ist in Hessen nicht zu beobachten. Es seien keine Engpässe bekannt, erklären beispielsweise Justiz- und Sozialministerium sowie der Richterbund. Gleichzeitig heißt es aber auch: „Gesicherte Kenntnisse über den Einsatz von Dolmetschern bei weiteren nachgeordneten Behörden, zum Beispiel kommunalen Sozialämtern, liegen uns nicht vor“, wie eine Sprecherin des Sozialministeriums sagte.
So kommt es bei der Polizei durchaus zu Problemen. „In Ausnahmefällen kann es zu einem Engpass, vornehmlich bei sehr exotischen Sprachen oder wenn besondere Dialekte gesprochen werden, kommen“, erklärt Chantal Emch, Sprecherin des Innenministeriums. „Für solche Bereiche Dolmetscher zu finden ist schwierig - und kostspielig“, sagt auch Lars Elsebach von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Laut dem Wohlfahrtsverband „Der Paritätische“ in Frankfurt gibt es im Gesundheitsbereich erhebliche Probleme, qualifizierte Dolmetscher zu finden und zu finanzieren. Das bestätigt der Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil (Fatra), der psychosoziale Beratung für Flüchtlinge und Folteropfer anbietet. Er schult daher selbst Dolmetscher für solche Aufgaben.
Denn für die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung brauche man Spezialisten. „Es gebietet der gesunde Menschenverstand, dass da nicht Brüder, Kinder oder Freunde übersetzen können“, sagt die Vorsitzende Barbara Wolff, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Noch schwieriger als Dolmetscher zu finden, sei allerdings, ihren Einsatz finanziert zu bekommen. Krankenkassen übernähmen solche Kosten nämlich nicht.
Der BDÜ warnt, bei Dolmetschern auf Kosten der Qualifikation zu sparen. „Dabei wird oft vergessen, dass der Einsatz von Laien oder Ehrenamtlichen ohne einschlägige Berufserfahrung nur vermeintlich Kosten spart, da die Konsequenzen einer fehlerhaften Verdolmetschung die verantwortlichen Auftraggeber teuer zu stehen kommen können.“ Beispiele seien Verzögerungen von Verhandlungen, Mehrfachdiagnosen oder falsche Therapierung bei medizinischen Behandlungen.
Gestiegen ist in den vergangenen Jahren vor allem die Nachfrage nach Dolmetschern für Sprachen und Dialekte, die durch die Fluchtbewegungen ab 2015 vermehrt nach Deutschland kamen. Doch auch für einige Sprachen anderer Zuwanderungsgruppen wie Türkisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Rumänisch oder Bulgarisch fehlten oft qualifizierte Dolmetscher, da es hier keine oder nicht ausreichend Dolmetschstudiengänge und angemessene Qualifizierungsmöglichkeiten gebe, sagt der BDÜ.