31. Januar 2009:Glaubensbekenntnis der Sozialromantiker

Statt höherer ALG-II-Sätze sollte der Staat lieber die Ganztagsbetreuung fördern.

Wolfgang Renschke

"207 Euro zum Leben", 27. Januar

31. Januar 2009: Wie viele Spielkonsolen und Fernseher stehen in Kinderzimmern armer Kinder?

Wie viele Spielkonsolen und Fernseher stehen in Kinderzimmern armer Kinder?

(Foto: Foto: ddp)

"Es ist ein bitterkaltes Bild von Deutschland, das Daniela Kuhr vom Leben armer Kinder in diesem Land zeichnet Kein Kuchen steht auf dem Geburtstagstisch, keine Freunde sitzen an der Geburtstagstafel. Keine Mitgliedschaft im Verein, kein Besuch der Musikschule ist möglich. Warum? Es fehlt halt am Geld!

Hält dieses Bild einer Überprüfung stand? Die Herstellung eines Schokoladenkuchens kostet selbst bei Zuhilfenahme einer Backmischung weniger als zwei Euro, üppigere Tiefkühl-Fertigkuchen sind für unter vier Euro zu haben. Scheitert daran ein Kindergeburtstag? Und weiter: Arme Kinder gehen nicht in Vereine: Die Mitgliedschaft für Jugendliche kostet bei der TUS Koblenz fünf Euro im Monat. Andere Turn- und Sportvereine im Großraum Koblenz bieten solche Mitgliedschaften für durchschnittlich zwei bis drei Euro im Monat an. Dafür werden dann die Kinder meist mehrmals mehrere Stunden in der Woche und am Wochenende ehrenamtlich betreut. Kommunale Musikschulen helfen sozial Schwachen mit verbilligten Beiträgen - in Musikvereinen ist Musikerziehung fast zum Nulltarif zu haben. Der Ausweis der Rheinischen Landesbibliothek, der eine Ausleihe von Büchern fast aus dem Gesamtbestand von Rheinland-Pfalz ermöglicht, ist kostenlos, die Stadtbücherei Koblenz verlangt von einer Familie zehn Euro im Jahr. Kein Zugang also zu Sport, Musik und Literatur für arme Kinder?

Eltern, die von immerhin 2532 Euro im Jahr solche Beiträge für ihr Kind nicht aufbringen können, haben ganz andere Probleme. Diese mit mehr Geld beheben zu wollen, gehört zum Glaubensbekenntnis von Sozialromantikern. Sinnvoll wäre eine Untersuchung, wie viele Kinder aus armen Familien mit zehn Jahren ein Handy haben, wie hoch die Kosten dafür sind, wie viele Spielkonsolen und Fernseher in Kinderzimmern armer Kinder stehen. Und gilt wirklich der Einwand, der Verzicht auf diese Dinge würde ein Kind für sein Leben stigmatisieren und traumatisieren? Eigene Armut kann man nur durch Anstrengung und Lernen beseitigen. Dies zu unterstützen, dafür muss die Gemeinschaft Geld ausgeben. Für verpflichtende Ganztagesbetreuung der Kinder in personell gut ausgestatteten Schulen, für Krippen- und Kindergartenplätze. Mehr Geld aus den Taschen anderer zu verteilen ist einfach, löst aber das Problem nicht im Mindesten, sondern wird es nur immer weiter verschärfen."

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