30. Juli 2009:Das VW-Gesetz - alt, aber fortschrittlich

Viel Aufregung gab es zuletzt um die Übernahme von Porsche durch Volkswagen, die Abfindung für Wiedeking und das VW-Gesetz. SZ-Leser äußern ihre Meinung.

Zu Berichten und Kommentaren über die Übernahme von Porsche durch Volkswagen, die 50 Millionen Euro Abfindung für Wendelin Wiedeking und das VW-Gesetz schreiben Leser:

30. Juli 2009: Den Schlüssel zu VW glaubte man bei Porsche zu haben. Doch der Plan ist nicht aufgegangen.

Den Schlüssel zu VW glaubte man bei Porsche zu haben. Doch der Plan ist nicht aufgegangen.

(Foto: Foto: ddp)

"Der Kommentar vom 25. Juli lässt erkennen, dass der Autor zu den Marktradikalen gehört, die noch an die wohltuende Wirkung des ungezügelten Marktes glauben. Der globale Finanz- und Gütermarkt interessiert sich nicht für soziale und ökologische Belange, sondern nur dafür, dass sich Kapital rentiert. Die Wirtschaftselite stellt sich auf den Standpunkt: Lasst uns Gewinne machen, der Staat ist verantwortlich für die Folgen.

Gleichzeitig fordern die Protagonisten der Geldelite die Entmachtung des Staates. Nur bei Zusammenbrüchen wie der Banken- und Wirtschaftskrise soll er ihnen Milliarden hinterherschmeißen. Diese verschleuderten Gelder sollen dann durch Einsparungen bei den Sozialausgaben und eine höhere Besteuerung der Konsumenten eingesammelt werden. Was hat das mit dem VW-Gesetz zu tun?

Dieses recht alte Gesetz hat sich als sehr fortschrittlich herausgestellt. Es bindet den Staat in das Wirtschaftsgeschehen ein. Das Land Niedersachsen kann verhindern, dass eine Heuschrecke mit Hilfe von Finanzierungskunststückchen den VW-Konzern übernimmt und damit die Abwanderung der Industrie in Billiglohnländer beschleunigt. Dieses Gesetz ist wie eine Insel staatlicher Verantwortung in einem Meer neoliberalen Wirtschaftsterrors. Das VW-Gesetz sollte nicht nur verteidigt, sondern ergänzt werden durch Regelungen, die dafür sorgen, dass die Wirtschaftsinteressen sich nicht verselbständigen, sondern rückgebunden werden an den Primärstandort der Produktion."

Hans-Joachim Schemel München

Großzügigkeit oder PR-Gag?

"Inwieweit die Ankündigung des abgesetzten Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking, die Hälfte der Abfindung von 50 Millionen Euro in eine gemeinnützige Stiftung einzubringen, ehrlich gemeint ist oder sich lediglich als PR-Gag entpuppt, muss erst noch die Zukunft zeigen."

Dietmar Helmers Westerheim

Ein Bauernopfer für Ferdinand Piëch

"Wiedeking ist mit seiner Strategie nun sicherlich persönlich gescheitert. Aber seine Vorgesetzten Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche haben ihre Ziele weitgehend erreicht: Sie beherrschen Volkswagen in Zukunft maßgeblich und sind indirekt weiter an der früheren Porsche AG und ihrem zweiten Standbein, der mächtigen Vertriebsgesellschaft in Salzburg, beteiligt. Dieses Ergebnis haben sie letztlich den trickreichen Ideen Wiedekings und Härters zu verdanken.

Die Kritik, die nun Wiedeking trifft, wäre eigentlich sinnvoller an die Adressen von Piëch und Porsche gerichtet, denn sie sind die wahren Strippenzieher im Hintergrund und Profiteure dieser unrühmlichen Entwicklung. Sie haben gesiegt und dafür Wiedeking geopfert."

Thomas Antonius Vreden

50 Millionen Belohnung für ein 14-Milliarden-Loch

"Wenn Porsche 14 Milliarden Euro Schulden hat, ist doch eine Abfindung von 50 Millionen Euro für Wendelin Wiedeking wirklich angemessen. Gut, dass diese Manager ihre Häuser nicht an den Ufern von Baggerseen gebaut haben - sonst wären vielleicht schon einige in selbst geschaufelten Löchern verschwunden."

Dagmar Schön München

Bürger, hört die Signale

"Die aktuelle Entwicklung kann eigentlich nur als positives Signal für die Steuerzahler gewertet werden. Denn wenn es VW, Porsche und der Regierung von Niedersachsen gelingt, die Steuerzahlungen für den anstehenden Verschmelzungsdeal erfolgreich zu vermeiden, sollte jeder Bürger seine Finanzbehörde mit der Prüfung eines persönlichen Steuervermeidungsdeals beauftragen können. Die unverhohlene Art, mit der ein Steuerdeal von allen Beteiligten offen diskutiert wird, zeigt, wie weit entrückt die Volksvertreter mittlerweile von ihren Wählern sind."

Gregor Kirchner München

Im Übernahmepoker die Glaubwürdigkeit verspielt

"Auf mich wirkte der Übernahmepoker zwischen VW und Porsche unreif und kindisch. Fast schon erschreckend erscheint die unterentwickelte emotionale Stabilität einiger Mitspieler. Ich wundere mich beispielsweise über den Auftritt von Herrn Porsche auf der Betriebsversammlung, bei dem er sich mit stockender Stimme an die Belegschaft wendet. Aber auch über die Auftritte von Herrn Hück, bei denen er die aktuelle Entwicklung etwas unbeholfen schönzureden versucht und so seine Glaubwürdigkeit zerbröselt."

Michael Kuhn München

Habe ich etwas falsch verstanden?

"Porsches Gewinn ist höher als der Umsatz. Porsche hat 14 Milliarden Schulden. Porsche gehört fast 51% von VW. VW will erst 49% von Porsche kaufen, später 100%, damit Porsche die Schulden bezahlen kann, die beim VW Kauf gemacht wurden, also bezahlt VW der Fa. Porsche den Kauf von VW. Porsche gehört dann zu VW, aber VW gehört zu über 50% den Porsche Eignern. Habe ich etwas falsch verstanden?

Gibt es eine einfache Erklärung ohne Verletzung von Mathematik- u. Anstandsregeln?"

Dieter Schmidt Gifhorn

Wiedeking sollte ohne Cent gehen

"Der Machtpoker zwischen Volkswagen und Porsche ist endlich zu Ende. Der Zuffenhausener Sportwagenbauer wird die zehnte Marke unter dem VW-Logo in Wolfsburg.

Während Millionen Mitarbeiter in diesem Tagen, nicht nur in der Autoindustrie, ihren Job verlieren und ohne einen Cent abgefunden und in die Langzeitarbeitslosigkeit entlassen werden, bekommt Noch-Porsche-Chef Wiedeking wohl mehrere Millionen Euro als Abfindung. Dabei hat sich der glücklose Auto-Manager bei seiner gescheiterten Volkswagenübernahme mehr als einmal verzockt und den Sportwagenhersteller Porsche fast in den Ruin getrieben.

Wendelin Wiedeking sollte Porsche freiwillig ohne einen Cent verlassen. Der Schaden für das Unternehmen bliebe so gering. Zumal eine geschätzte 100 Millionen Euro-Abfindung für einen gescheiterten Automanager wie Wiedeking in einer der größten Krisen für die Automobilindustrie keinem Menschen zu vermitteln ist."

Albert Alten Wernigerode

Das VW-Gesetz sollte bleiben!

"Ich widerspreche Ihrem Autor 'hul': Das VW-Gesetz sollte bleiben! Die jeweilige Landesregierung kann mit ihrem 20-%-Vetorecht die 400.00-Belegschaft vor allzu starken Verwerfungen durch einsame Beschlüsse des Größtaktionärs 'Familie Porsche-Piech' schützen und damit auch dem Land Niedersachsen nützen."

Eberhard Hirschler Otterstadt

Un-Kultur in diesem Land

"Eigentlich müsste allüberall ein Aufschrei durch dieses Land gehen, von den Politikern und auch Gewerkschaften doch zu allererst. VW und Porsche sind also intensivst auf der Suche danach, wie bei dieser Fusion VW-Porsche keinerlei Steuern anfallen, und unterstützt werden sie dabei noch - wie zu lesen, von 2 Landesregierungen, und der OFD Karlsruhe!!

Die Überbrückungskredite aber für Porsche - und andere - soll dieser Staat, also die Bürger, schon aus den von Arbeitsleistungen einbehaltenen Lohn- und Einkommenssteuern, und der Mehrwertsteuer bezahlen!! Welche Un-Kultur in diesem Land ist hier eigentlich inzwischen eingerissen?

Jeder normale Bürger wird alljährlich mit immer NEUEN Neuen Variationen der Vordrucke für die Steuererklärung beglückt; jede Miniausgabe (zB Handwerkerarbeiten ) muß man exakt nachweisen, per Kontoauszug und dann fördern Politiker auf der anderen Seite auch noch ganz offen und direkt die Steuervermeidung in Milliardenhöhe von 2 Privatfirmen (bzw bei VW sogar eines 20%- Staatsunternehmens!). Wo bleibt die Glaubwürdigkeit ALLER Politiker?? Ist nicht in Kürze Wahl???

Dazu passt auch, daß Frau Ministerin Ulla Schmidt (SPD) in den Ferien einen Dienstwagen nutzt, für eine 15 Min-Vortrag vor deutschen Rentnern in Spanien- eine INFobroschüre per POST hätte gereicht! Aber künftiger Mißbrauch ist ja zum Glück durch den Diebstahl des Kfz baw nicht mehr möglich. Preußische Ehre,Tugend, und Sparsamkeit sind in diesem Land land wohl völlig zum Teufel gegangen. Warum soll man zB noch die SPD wählen??

Früher holte ein preußischer Beamter, wenn er im Dienstzimmer privaten Besuch hatte, nach Dienstende seine private Petroleumlampe, zündete diese an, löschte die Dienstlampe, und setzte das Gespräch mit dem Gast fort!!"

Nikolaus Melior Unterhaching

Mehr Gesetze wie das VW-Gesetz

"Im Kommentar 'VW-Gesetz muss weg' wird behauptet, bei der Eigentümerstruktur sei eine feindliche Übernahme von VW auf Jahre oder sogar Jahrzehnte hinfällig. Da hat der Schreiber wohl seine Kristallkugel gefragt, denn in der globalisierten Wirtschaftswelt kann sich vieles schnell ändern. Darüber hinaus muss auch noch die Frage gestellt werden, was denn nach den Jahren oder Jahrzehnten geschehen kann. Die richtige, zukunftsgerichtete Antwort in einer globalisierten Welt müsste deshalb heißen, neue Gesetze, ähnlich dem VW-Gesetz müssen geschaffen werden, damit die Kapitalmacht nicht die Kreativität unserer Unternehmen erdrückt."

Hans Rasp München

Der Gewinner heißt Porsche - nicht VW

"Während unzählig betroffene mit vergleichsweise extrem bescheidenen Summen in die Privatinsolvenz flüchten müssen und kein Land unter die Füße bekommen, gelang es den Porsche-Eignern trotz der im ersten Anlauf um die Vorherrschaft bei VW verzockten 10 Milliarden Euro, ihr Vermögen, Macht und Einfluss um ein vielfaches zu erhöhen.

Die betagte 'Raupe Porsche' entpuppte sich dank Überkreuzbeteiligung zum globalen 'VW Falter', aus 100% Porsche wurden ansehnliche 51% des zweitgrößten Welt-Automobilkonzerns, in dem der nun mächtigste Automobilclan Porsche/Piech die Akzente in ihrem Sinne aus Salzburg gestalten wird.

Zum Gelingen dieses industriellen Zwangsankaufes von Porsche muss VW einen ansehnlichen Kapitalbedarf stemmen, welcher für Zukunftstechnologien in Mobilität sicherlich effektiver angelegt wäre, als in einen maroden, mittelständisch geprägten Heckmotornischenhersteller mit erheblichen Absatzproblemen, welcher die Umweltauflagen der EU aus eigener Kraft nicht erfüllen kann.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die zum Spekulationsausgleich benötigten schätzungsweise 8 Milliarden Euro aus VW-Rücklagen das Ergebnis jahrzehntelanger, global erwirtschafteter Wertschöpfung aus unselbstständiger Arbeit der Stammbelegschaft, auch von den Randbelegschaften unzähliger Zulieferer mit ihren ausgeprägt prekären Arbeitsplatzbedingungen sind, kann die Dimension dieser Fehlinvestition realistisch eingeordnet werden.

Diese Fakten hat IG-Metall Altdogmatiker Jürgen Peters anscheinend nicht berücksichtigt, der nun das Feld für seien Nachfolger Berthold Huber im Aufsichtsrat von VW räumen wird, nachdem Peters als Erfüllungsgehilfe von Strippenzieher Ferdinand Piech das gemeinsame Ziel erreicht hat, Wiedeking abzuservieren.

Anstatt sich an einer gewerkschaftlich geprägten Orientierung zu fixieren, buhlten die Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh und Uwe Hück erbittert wie Marionetten im Machtgefüge um ihre jeweiligen Patronen.

Am Ende wird Mehrheitsbeschaffer IG-Metall wohl als Verlierer der neu geordneten Machtverhältnissen im VW-Imperium dastehen: Der autokratische Quereinsteiger Emir von Katar wird wahrscheinlich am Ende über die 20prozentige Sperrminorität verfügen, Ministerpräsident Wulf als reiner 'Marktwirtschaftsideologe' aus dem zeitlich befristeten Zweckbündnis mit der IG-Metall schnellstmöglich aussteigen und Altpatriarch Piech ist grundsätzlich nicht auf die 'Metaller', diese aber auf ihn angewiesen."

Klaus Kunz Rühen

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