3. April 2009:Frage zum Nato-Geburtstag

Beim Natogipfel in Baden-Baden ging es auch um strategische Fragen. SZ-Leser diskutieren über die Zukunft des Militärbündnisses.

Die Nato wird 60 Jahre alt. Beim Geburtstagsgipfel wurden neben strategischen Fragen auch die Lage in Afghanistan diskutiert. Soll das Bündnis mehr Truppen an den Hindukusch schicken, um das Land zu befrieden, war die Frage in der letzten Woche. Mehr als der Einsatz am Hindukusch bewegt viele Leser jedoch die Zukunft des Militärbündnisses

3. April 2009: ISAF-Soldaten in Afghanistan: Sollen die Truppen aufgestockt werden?

ISAF-Soldaten in Afghanistan: Sollen die Truppen aufgestockt werden?

(Foto: Foto: dpa)

"Ob die Nato sich auf Dauer weiterhin als Instrument für militärische Kriseneinsätze verstehen sollte, darüber kann und muss man streiten. Maßt sich da die Nato, befangen im Traum, bestimmende politische Macht zu sein, nicht eine Aufgabe an, die inzwischen im Zeitalter der Globalisierung verstärkt den Vereinten Nationen zustünde? Ist diese Anmaßung nicht der eigentliche Ablehnungsgrund aller rational denkenden Natogegner?

Die Vereinten Nationen werden, nicht zuletzt auch durch Nato-Mitglieder, bewusst schwach gehalten, anstatt ihr endlich eine Struktur zu geben, die es ihr erlaubt, mehrheitsbestimmt über abgestellte Blauhelmtruppen, falls nötig auch militärisch auf Krisen zu reagieren."

Dietmar Urban, Rednitzhembach

"Wir reden immer über die Machenschaften der DDR und der Sowjetunion in Zeiten des Kalten Krieges - und das ist gut so. Doch warum bleiben die Archive der Nato zu? Warum dürfen die Amerikaner in unseren Ländern immer noch Militärbasen halten? Über Frankfurt Gefangene nach Guantanamo fliegen? Wir brauchen eine 'Wahrheitskommission' über den Kalten Krieg in Westeuropa.

Ich bleibe der Nato gegenüber äußerst skeptisch. Sie hätte sich mit dem Ende des Kalten Kriegs auflösen müssen, um die Strukturen der UN zu stärken. Das Gegenteil war aber der Fall. 1989 hatten die Amerikaner Michail Gorbatschow versprochen, die Nato um keinen Zentimeter nach Osten zu erweitern: Das war eine wichtige Bedingung, um der deutschen Wiedervereinigung zuzustimmen. Gorbatschow plädierte für ein 'Gemeinsames Haus Europas' - aber sicher nicht unter dem Obhut der Nato/USA. Heute ist er schwer enttäuscht, auch von den Deutschen."

Davide Brocchi, Köln

"Mit 60 ist die Nato in die Jahre gekommen, und das ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil ihr bei der Gründung im Jahr 1949 nur eine kurze Lebensdauer vorausgesagt wurde. Die Nato ist immer noch so attraktiv, dass weitere Staaten unter ihren Schutzmantel streben. Je größer die Nato durch die Aufnahme neuer, militärisch schlecht gerüsteter Länder wird, desto gravierender werden die Unterschiede im Bündnis, das längst zu einer Drei-Klassen-Allianz geworden ist.

Die Osterweiterung ist eine strategische Maßnahme und die osteuropäischen und baltischen Mitgliedsstaaten sehen die Nato primär als Schutzbündnis vor einem wieder erstarkenden Russland. USA und Großbritannien wollen global die Macht ausüben und so eine Art Weltpolizei spielen; dagegen sträuben sich aber die meisten europäischen Staaten.

Gerade diese unterschiedlichen politischen und militärischen Vorstellungen über die neue Nato schwächen das Militärbündnis. Es hat noch einen langen Weg vor sich, bis es weltweit politisches Gewicht bekommt und insgesamt militärisch einsatzfähig wird.

Herausforderungen wird es künftig für die Nato viele geben, ich denke an den Nahen Osten, Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien, China und das unberechenbare Nordkorea. Sie wird auch in den nächsten Jahrzehnten kaum arbeitslos sein, denn Terrorismus, Weltwirtschaftskrise und potentielle Krisengebiete bilden einen explosiven Cocktail.

Eine atomwaffenfreie Welt ist ein ambitioniertes Ziel. Die große Welt ist nicht friedliebender geworden. Doch in der Nato ist man sich noch nicht einig, von wo die größte Gefahr droht."

Kurt Gärtner, Wels, Österreich

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: