28. Januar 2009:Auf dem Basar

Das Urteil gegen Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel wird heftig debattiert: Die einen loben den Rechtsstaat, die anderen beklagen Mauscheleien.

STUTTGARTER NACHRICHTEN:

28. Januar 2009: Der 65-jährige Manager hat am Donnerstag vor dem Landgericht Bochum ein Geständnis abgelegt.

Der 65-jährige Manager hat am Donnerstag vor dem Landgericht Bochum ein Geständnis abgelegt.

(Foto: Foto: ddp)

"Zumwinkel hat zu Beginn des Prozesses ein Geständnis abgelegt. Das mildert seine Strafe - obwohl er nur gestand, was ohnehin nicht zu leugnen war. Auch die schnelle Rückzahlung der Steuern ist ein fragwürdiger Milderungsgrund. Nicht jeder reuige Steuersünder ist so begütert, dass er dazu in der Lage ist. Daher sind vor dem Steuerrecht nur diejenigen wirklich gleich, die sich das leisten können. Für einen Rechtsstaat ist das unerträglich."

FRANKFURTER ALLGEMEINE:

"Das Urteil gegen Klaus Zumwinkel wird die üblichen Proteste auf sich ziehen. ,Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen', dürfte es wieder heißen. Doch dass Zumwinkel weder in eine Gemeinschaftszelle mit Rauschgifthändlern gesperrt, noch zum Freigang in den, offenen Vollzug' geschickt wird, liegt daran, dass auch nach einem neuen Grundsatzurteil, in dem der Bundesgerichtshof strengere Strafen für Steuerhinterzieher verlangte, die Gesamtumstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Und dazu gehört, dass Zumwinkel, anders als andere Manager, vor Gericht klipp und klar sein Unrecht eingestanden hat."

ABENDZEITUNG (München):

"Das Urteil gegen Klaus Zumwinkel zeigt, dass Mauschelei im Gerichtssaal Alltag ist. Der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer kritisiert, die Geschäfte mit der Wahrheit'. Er stellt mit Abscheu fest, dass es mittlerweile Verteidiger gibt, die mit ihren Mauschel-Fähigkeiten werben. Und er warnt vor Richtern, die unkooperative Angeklagte mit hohen Freiheitsstrafen zu Aussagen erpressen - und dann mit milden Bewährungsstrafen belohnen. Der Fall Zumwinkel sollte eine Warnung an die Justiz sein: Ein Gerichtssaal ist kein Basar."

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Übrig bleibt ein gebrandmarkter Steuerhinterzieher und ein neuerliches Beispiel für Wertezerfall bei denen die von ganz oben Verzicht bei denen ganz unten verlangen. Wie selbstverständlich schien der Betrug an den braven Steuerzahlern Bestandteil dieser Aufstiegs-Biografie. Jetzt ist auch diese Blase geplatzt und der Rechtsstaat hat sich gerächt. Nicht besonders kräftig, nicht spektakulär, es lief geradezu routiniert ab. Manche mögen bedauern, dass dem Täter die Erfahrung einer regulären Haftpraxis erspart blieb. Doch Schauprozesse sind das Kennzeichen von Diktaturen."

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