Süddeutsche Zeitung

27. Juni 2009:Nach den Regeln der Demokratie

SZ-Leser schreiben zum Bau der Waldschlösschenbrücke: Es ging ein langer Konflikt voraus, dessen Ergebnis man nicht einfach ignorieren darf.

Zum Streit um die Waldschlösschenbrücke in Dresden ("Brücke der Schande", 23. Juni und "Über die Brücke", 24. Juni)

"Der Nobelpreisträger Günter Blobel genießt in Dresden großen Respekt. Doch seinen Einlassungen zum Bau der Waldschlösschenbrücke muss widersprochen werden. Er weiß selbst, dass dem Beginn des Baus ein langer, konfliktreicher Prozess vorausging. Das gesamte Verfahren verlief zweifelsfrei nach demokratischen und rechtsstaatlichen Regeln.

Würde man das Ergebnis ignorieren, so würde man die Prinzipien der kommunalen Selbstverwaltung und des Rechts- und Verfassungsstaates mit Füßen treten, und das in dem Teil Deutschlands, in dem man seit 1989 daran arbeitet, solche Prinzipien wieder durchzusetzen. Der Schaden wäre unendlich größer als der Verlust des Welterbetitels es nun ist. Zudem zweifeln die meisten Dresdner nicht daran, dass die Stadt, angesichts der Verkehrsstaus und der unerträglichen Verkehrsbelastung einiger Stadtviertel, einer weiteren Elbquerung bedarf, die die nördlichen Gewerbe- und Wohngebiete mit den südöstlichen verbindet.

Prof. Günter Blobel wollte die Waldschlösschenbrücke mit seiner Initiative bei der Unesco verhindern und hat dazu beigetragen, dass der Welterbetitel verlorengeht. Ohne seine Initiative hätte es vielleicht nicht die Androhung der Aberkennung gegeben. Denn es war der Unesco laut Antrag bekannt, dass eine Brücke innerhalb des für den Titel vorgesehenen Elbabschnitts geplant war. Deshalb liegt es nahe zu fragen, nach welchen Regeln das zuständige Komitee entscheidet.

Wenn sich Prof. Blobel für die Schönheit Dresdens mit Rat und Tat einsetzt, so ist dies uneingeschränkt zu loben. Dass er gegen die Waldschlösschenbrücke ist, kann man verstehen. Aber dass er nicht anerkennen will, dass der Brückenbau nach rechtsstaatlichen und demokratischen Regeln geschieht, das ist ein politischer Fehler."

Peter Schöber Bielefeld

Hochmut gegen Hochkultur

"Dresden scheint sich in einer Art Opferrolle dauerhaft zu gefallen. Es wird Zeit, dass dieser Stadt endlich einmal deutlich gemacht wird, dass sie eine besondere einmal nur war und jetzt nicht mehr ist. Der Grund: Provinzieller Hochmut und Besserwisserei haben endgültig die Oberhand gewonnen über alle Hochkultur und Weltverbundenheit, die einmal die Geltung dieser Stadt ausmachten. Das Fundament war geistige Größe - Tempi passati.

Der Wiederaufbau der Frauenkirche mag abgeschlossen sein - die innere, geistige Wiederbelebung einer Gesellschaft, einer Bürgerschaft ist indessen die wahre Herausforderung. Noch nicht einmal in Kriegszeiten hat diese Bürgerschaft es fertig gebracht, zumindestens zu versuchen, ihre Schätze, ihre Stadt unversehrt zu lassen, sich schützend davorzustellen oder wenigstens 'Stopp dem Kriegswahnsinn' zu rufen.

Das Geld von außerhalb für die Rekonstruktion von Stadt und Frauenkirche hat man mit Unschuldsmiene später gerne genommen, jetzt indessen verbittet man sich in Dresden kategorisch jede kritische Anmerkung der Wohltäter. Das ist wahrlich erschütternd, und meine Sympathie für Dresden hat sich erledigt."

Achim Lotz Hamburg

Leben in Legoland

"Die 'Frage nach der Schönheit der Landschaft', die Thomas Steinfeld stellt, stößt eine längst überfällige Diskussion an - und wirft weitere Fragen auf. Soll, muss, darf eine Generation das von den Vorfahren gestaltete Land nach ihren Bedürfnissen verändern ? Nach den Zerstörungen des Krieges und den architektonischen Verfehlungen danach glaubte man das Problem mit einem rigiden Denkmalschutzgesetz ein für alle Mal gelöst zu haben.

Das Resultat: Tote Ortszentren, ruinöse und leerstehende Denkmäler, wuchernde Stadtrandgebiete. Die Energiekrise mit den Solardächern ändert wenigstens den Anblick der Bauernhofmuseen und Legolandstädte, in denen wir wohnen, wohnen müssen. Fahre ich über die Grenze nach Tirol, dann erlebe ich mutige Architektur, lebendige Dörfer, dann bin ich im 21. Jahrhundert angekommen. Über die Brücke... - wann wagt Bayern den Schritt?"

Vitus Reiter Babenhausen

Das ist undemokratisch!

"Werte Redaktion,so einen die Tatsachen verfälschenden Artikel wie den von Blobel kann ich nicht unkommentiert lassen!

Ich habe nur Angst darum, wenn der Herr Nobelpreisträger im medizinischen Bereich genau so unverantwortlich mit Fakten umgeht! 1. Bei der Bewerbung Dresdens für den Welterbetitel wurden die Unterlagen über den vorgesehenen Brückenbau bereits mit eingereicht ! Er war der UNESCO also bekannt! 2. Den Brückenbau befürworteten nicht knapp ein Drittel, sondern von Anfang an über 60 % der Dresdner! 3. Zwei Gerichtsbeschlüsse bestätigen,dass die Tunnellösung die deutlich teurere ist! 4. Die CDU-Oberbürgermeisterin bekam auf Grund ihres Wahlkampfes, in dem sie für den Brückenbau eintrat, die Mehrheit bei den Wahlen! Das war doch eine demokratische Mehrheitsentscheidung?! Wo waren da die Gegner des Brückenbaus? 5.Eine Blitzumfrage vom letzten Wochenende bestätigte, mind. 60 % der Dresdner sind für die Brücke. 6.Nicht ein einziger Vertreter der UNESCO hat sich bis heute die Lage vor Ort angeschaut; sie entscheidet u.a. auf Grund von falschen Darstellung u.a. von Blobel, der sehr enge Beziehungen zu diesem Komitee pfleg und hat,über den Titel. Mit der angedeuteten 'empörenden Ungerechtigkeit' ist doch vorwiegend das vergebliche Bemühen Blobels gemeint, der es nicht geschafft hat, sich über einen völlig demokratischen Mehrheitsbeschluss hinweg zu setzen. Der Bau wird nicht 'durchgepeitscht', es ist ein Mehrheitswille! Mich wundert immer wieder, dass wenn einem Mehrheitsentscheidungen nicht passen, selbst Personen wie Blobel ihren Ruf dafür hergeben, mit Unwahrheiten Stimmung dagegen zu machen. 7. Und das die UNESCO verunglimpft wird stimmt auch nicht,immerhin ist die Oberbürgermeisterin zu diesem Gremium gefahren, um sachlich die Fakten vorzulegen.

Schuster bleib bei deinen Leisten - Ihre Millionenspenden u.a. für die Frauenkirche Herr Blobel - Hochachtung! Die Dresdner danken es Ihnen! Das berechtigt Sie aber nicht, Ihre Beziehungen zur UNESCO dazu auszunutzen, sich über demokratische Mehrheitsentscheidungen mit Falschaussagen hinweg zu setzen.

Sie verletzten die, die mit ihrem Eintreten für Demokratie die Wende herbei geführt haben; Demokratie kann für eine eigene persönliche Meinung auch mal weh tun! Interessant in diesem Zusammenhang, wie Sie formulieren, was die UNESCO tun würde, wenn die Dresdener Ihren Intentionen folgen würden! So wollen Sie Ihre Minderheitenmeinung einer Mehrheit aufzwingen! Das ist undemokratisch!"

Ralf Wendt Berlin

Mehrheit für den Brückenbau

"Ihre Berichterstattung zur Dresdner Waldschlößchenbrücke ist etwas unsauber und es bedarf wohl eines richtigstellenden Hinweises. Es mag zwar stimmem, dass nur ein Drittel der Dresdner dem Brückenbau zugestimmt hat, jedoch verleugnen Sie mit Ihrer Darstellung, dass im Bürgerentscheid vom Februar 2005 insgesamt 67,8 Prozent der Dresdner - bei einer Wahlbeteilung von 50,8 Prozent - dem Brückenbau zugestimmt haben.

Mit Ihrer auf die Gesamtwählerschaft bezogenen Berechnungsmethode gäbe es in keinem Landtag und wohl auch im Bund, mit Ausnahme einer großen Koalitiion, keine regierungsfähige Mehrheit mehr.

Nach aktuellen Meinungsumfragen zum Brückenbau ist trotz der Welterbeproblematik noch immer eine deutliche Mehrheit für den Brückenbau. Dresden ist in den letzten Jahrzehnten deutlich in Richtung Osten gewachsen und es gibt in dieser Richtung nur ein Brücke, das 'Blaue Wunder'. Diese Stahlbrücke hat nach Senkungen von mehr als 30 cm nur noch eine begrenzte Lebensdauer und ist so schon für LKW gesperrt. Schauen Sie doch mal auf den Stadtplan und sie werden erkennen, dass der Brückenbau unbedingt erforderlich ist."

Horst Freter Dresden

Die Mehrheit ist nicht deppert

"Gelegentlich kaufe ich mir die Süddeutsche Zeitung und so las ich gestern den Artikel von Christiane Kohl, die vermutlich zum ersten Mal auf Recherche in Dresden war und sich die Baustelle der Waldschlösschenbrücke vermutlich nicht einmal angesehen hat. Sie wüsste sonst, dass die Brücke praktisch fertig ist. Es fehlen nur noch Fahrbahn und Stahlteile.

Wer also unter 'Kompromiss' mit der UNESCO versteht, dass die Brücke woanders gebaut werden soll oder gar nicht oder statt ihrer ein Tunnel, der ist im falschen Film. Kompromiss kann nur bedeuten, dass die UNESCO den Dresdnern zugesteht, die Entscheidung, ob die Brücke tatsächlich das Elbtal unwiederbringlich zerstört, erst nach kompletter Fertigstellung zu fällen. Dieser Kompromiss würde das Gesicht der UNESCO wahren, denn sie hat sich vollständig verirrt in diesem Welterbe-Fall und braucht etwas Hilfe dabei, aus der Nummer wieder herauszukommen.

Dann diese seltsamen Annahmen: Die Brücke 'dürfte' - sagt die Autorin - die teuerste Stadtquerung Deutschlands sein und der Preis, den die Aberkennung des Titels die Stadt kosten würde, 'dürfte' unermesslich sein. Deutsche Weltkulturerbe-Aspiranten 'wären wohl' bei der UNESCO nicht mehr gut angesehen. Was soll das? Wer sagt das? Wer glaubt das?

Nach aktuellster Umfrage in Dresden (20. Juni 2009, Sächsische Zeitung) halten 57 Prozent der Dresdner den Weltkulturerbe-Titel für verzichtbar. Und diese 57 Prozent sind nicht alle deppert, sondern wissen aus der schmerzhaften Diskussion der letzten Jahre um die Brücke genau, wovon sie reden. Dass die Aberkennung dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder Dresdens schaden oder dass weniger Touristen hierher kämen, ist eine fernliegende Annahme, durch nichts gestützt als durch den Wunsch, die Brücke zu verhindern.

Der wirklich albernste und journalistisch unterirdische Teil des Artikels ist die 'Kostüm-Parabel', die ihn einrahmt. Was, um Himmels Willen, hat die Farbe der Kleidung unserer tapferen Oberbürgermeisterin mit dem Brückenproblem zu tun? Gab es unter den Lektoren der Süddeutschen nicht einen besonnenen Mann, der diese Stutenbeißerei aus dem Artikel hätte herausredigieren können?"

Birger Wohlfahrt Dresden

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Quelle:
SZ vom 27.06.2009/dab
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