23. April 2009:Frage zur Gentechnik

Lesezeit: 2 min

Wissenschaftler bedauern das Genmaisverbot in Deutschland. Ist grüne Gentechnik zukunftsfähig oder ein Risiko für die Umwelt? SZ-Leser diskutieren.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat den Anbau des Genmais "Mon 810" verboten, da es Anzeichen gebe, dass die Pflanze "eine Gefahr für die Umwelt" darstelle. Wissenschaftler beklagen dagegen die Skepsis der Deutschen gegen grüne Gentechnik. Ist sie eine förderungswürdige Zukunftstechnologie oder ein Risiko für die Umwelt? SZ-Leser haben folgende Meinungen:

Gefährdet Genmais die Umwelt? SZ-Leser diskutieren. (Foto: Foto: ddp)

"Die Tübinger Genetikerin und Nobelpreisträgerin von 1995, Christiane Nüsslein-Volhard, spricht von 'unbegründeten Befürchtungen in der Bevölkerung vor gentechnisch behandelten Lebensmitteln'. Dass das Volk bekanntlich ja nicht viel versteht, aber meistens richtig fühlt, ist aber auch nicht neu. Dazu einige Fakten: In Europa gibt es eine grob lückenhafte Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Produkte. Erst ab einem Anteil von 0,9 Prozent genmanipulierter Bestandteile gilt die Kennzeichnungspflicht für Milch oder Fleisch von Tieren, die mit Gensoja gefüttert wurden. Aus diesem Grund sind Sojaprodukte schon in allen möglichen Fertig-Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel gibt es Sojasteaks für Vegetarier und riesige Mengen Sojakraftfutter in den Futtertrögen von Nutztieren.

Gleichzeitig häufen sich aber Berichte, dass immer mehr Menschen allergisch auf Soja und ihre Bestandteile in den Lebensmitteln reagieren. Wenn man dann auch noch erfährt, dass der US-Agrar-Konzern Monsanto, ehemaliger Lieferant von Agent-Orange im Vietnam-Krieg, Bauern gezielt dazu drängt auf Gensoja umzustellen, unter erhöhtem Einsatz von Pestiziden, verbunden mit Rodungen von kostbarem Regenwald in Südamerika für neue Plantagen, muss man ganz nüchtern feststellen, dass die Folgen für die Natur auch jetzt schon fatal sind."

Michael Mohr, Köln

"Die Entscheidung von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner gegen Mon810 war mutig und richtig. Ich verstehe nicht, was daran forschungsfeindlich sein soll. Es ist nicht auszuschließen, dass die grüne Gentechnik irgendwo auf der Welt zu Verbesserungen führen könnte, aber dann soll man diese Forschungen dort betreiben, wo sie hingehören - an Ort und Stelle in der betreffenden Region. Dies gilt zumindest für die Freilandversuche. Es ist einfach absurd, aus dem Anbau von Maispflanzen im Landkreis Kitzingen oder in der Mark Brandenburg auf Fortschritte zu schließen, die möglicherweise im Kampf gegen den Hunger in der Welt erzielt werden könnten.

Die Abwägung von Vorteilen für die wenigen Landwirte, die Mon810 anbauen wollten, und Risiken für die Natur führt hierzulande zu einem eindeutigen Ergebnis. Es besteht wirklich kein Grund, diese Risiken in Kauf zu nehmen. Nur ein Beispiel: Honig. Selbst jetzt - bei minimaler Anbaufläche - hat es schon Beispiele von verseuchtem Honig gegeben, mit entsprechenden juristischen Auseinandersetzungen. Bei Anbau von Mon810 im großen Stil wäre die Imkerei vermutlich sehr bald tot."

Dr. Stefan Ramer, München

"Gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere dürfen erst dann in die Umwelt entlassen werden, wenn mit größter Wahrscheinlichkeit Schäden jeder Art, insbesondere irreversible Schäden an der Natur, ausgeschlossen werden können und die Biodiversität nicht für wenige optimierte Pflanzen und Tiere geopfert wird. Firmen, die auf möglichst hohen und schnellen Gewinn aus sind, traue ich die Erfüllung dieser wichtigen Forderungen nicht zu.

Wie verantwortungsvoll Manager mit ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit umgehen, zeigt uns die gegenwärtige Wirtschaftskrise. Bei einer Risikoabwägung haben sich viele offensichtlich im Zweifelsfalle für den möglichen hohen Gewinn entschieden, insbesondere wenn man das Risiko anderen aufbürden konnte."

Prof. Klaus Stolzenberg, Berlin

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© SZ vom 23.04.2009/sus/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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