14. August 2009:Vergessene Kinder

Lesezeit: 3 min

Städte und Gemeinden haben jahrzehntelang wenig für Kinder unternommen. Über die Probleme mit Bildung und Erziehung berichten SZ-Leser.

Zu Berichten über die Umstände der Kindererziehung, die Geburtenrate und die Situation von Familien schreiben Leser:

Die Förderung der Kinder und Jugendlichen wurde jahrzehntelang an vielen Orten vernachlässigt (Foto: Foto: ddp)

"Die Kommunen, die jetzt stöhnen und jammern, haben Jahrzehnte nichts für die Kindergartenentwicklung und damit für die Bildungspolitik getan ("Geld ist nicht alles", 29. Juli). Was Kindern vorenthalten wird sehen wir nicht sofort im Gegensatz zu kaputten Straßen, über die wir täglich fahren.

Der Kindertagesstättenbereich hat zu lange stillgehalten, bei allem was hier ohne konkrete gesetzliche Vorgaben an Leistung, Wissen, Engagement und Überstunden seit Jahren von den Erzieherinnen ohne nennenswerte Mehrbezahlung eingefordert wird. Im Gegenteil: Es werden laufend Betriebskosten und Ausbaumittel verspätet oder gar nicht gezahlt.

Es ist eine Schande für die deutsche Bildungspolitik, dass hier immer noch nicht verstanden wird, wo gute Bildung für Kinder herkommt. Dass sie ohne gute Ausbildung nicht oder nur schwer realisierbar ist. Ein Mehr an Betreuung der unter Dreijährigen kann erst umgesetzt werden, wenn Kommunalpolitikern klar wird, dass Kinder heute maximal an 260 Tagen im Jahr bis zu acht Stunden im Kindergarten verbringen und die Umgebung den Bedürfnissen dieser Kinder angepasst werden muss.

Es kann nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, dass es hier nur um ein Verwahren der Kinder und um deren Spaß geht. Gerade mit dem Gedanken "Geld ist nicht alles" wurde der Beruf der Erzieherin in der Ausbildung und der Vergütung kleingehalten, aber mit vielen neuen Forderungen in der Bildung und deren Umsetzung in der Betreuung konfrontiert.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig, aber wichtig ist auch die gesellschaftliche Anerkennung der Menschen in Kindertagesstätten, die sie ermöglichen. Erzieherinnen haben hier eine Schlüsselposition, Bildungsbedürfnisse der Kinder zu erforschen, Bildung zu fördern und zu vermitteln. Das geht nicht ohne eine auch international anerkannte Hochschulausbildung und entsprechende Bezahlung."

Eva Müllenborn München

Nur noch Akademiker! "Ich kann Cem Özdemir nur zustimmen, dass das Personal in einem Kindergarten genauso hoch qualifiziert sein muss, wie Gymnasiallehrer ("Erzieher müssen Akademiker werden", 8. August).

Ein Kind von Bekannten ist jetzt drei Jahre alt und wird von September an den Kindergarten besuchen. Seine Erzieherin hat den mittleren Schulabschluss sowie eine fünfjährige Fachausbildung, die Kinderpflegerin die Hauptschule absolviert. Den Eltern wird angst und bang, wenn sie daran denken, wie ihr Kind jemals den Übertritt aufs Gymnasium schaffen soll.

Deshalb sollte nur noch Akademikern der Umgang mit Kindern erlaubt sein. In anderen Bereichen, in der eine hohe soziale Kompetenz wichtig ist für die Entwicklung unserer Gesellschaft, kommt schließlich auch niemand auf die Idee, diese Stellen mit Nichtakademikern zu besetzen. Vielleicht könnte man ja im Zuge der Wirtschaftskrise das Kindergartenpersonal mit frei werdenden Managern und Bankern besetzen."

Friedrich Hübl Moorenweis

Schatzkästlein Grundgesetz "Die SZ widmet dem Thema "Kinder, Kinder - keine Ausreden" eine ganze Seite ("Politik für Kinder", 7. August). Wunderbar. Das Thema ist nicht zum unwesentlichen Teil ein Frage wirtschaftlicher Faktoren und Randbedingungen. Ärgerlich sind die rhetorischen Worthülsen der Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz.

Mehr als billige Slogans aus der Mottenkiste linkspolitischer Dogmen sucht man vergebens. Begriffe wie "Frühförderung", "Verbesserungen in der Bildung", "Kindergrundsicherung", "Eltern-Kind-Zentren", "Kinderrechte im Grundgesetz" werden inhaltsleer und gebetsmühlenartig zusammengestoppelt. Dass Schulen häufig in einem katastrophalen Zustand sind, wissen alle. Dass Kinder von Reichen bessere Bildungschancen haben, wen wundert's.

Da muss die Kindergrundsicherung her, für jedes Kind 330 Euro im Monat. Und wenn die überforderten Eltern nicht weiterwissen, helfen ihnen Eltern-Kind-Zentren bei der Erziehung. Aber was macht man mit Eltern, denen die Erziehung ihrer Kinder völlig gleichgültig ist? Junge Eltern, die - selber ungebildet und durch die "Supernanny" und "Erwachsen auf Probe" sozialisiert - die 330 Euro lieber für einen Flachbildschirm, eine Playstation oder einen tiefer gelegten BMW ausgeben? Eltern, die aufgrund des Versagens in der Bildungs- und Schulpolitik vor den Bildschirmen, die voll sind mit dem bejammernswerten Programm der Privatsender und Soaps des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, der totalen Verblödung entgegendämmern?

Hintergrund derartiger Banalitäten, wie sie Ekin Deligöz ausspricht, ist natürlich, dass sich die Grünen für das politische Ehebett mit der CDU politisch hübsch machen wollen, deshalb sind die Forderungen auch gar nicht so weit von dem politischen Rhetorikschatz einer Ursula von der Leyen entfernt.

Ganz rührend ist auch die Forderung nach Kinderrechten im Grundgesetz. So forderte Frau Deligöz am 9. Juni dieses Jahres auf ihrer Homepage, Kinder hätten eigenständige Rechte und das müsse endlich im Grundgesetz klargestellt werden! Ekin Deligöz wäre gewiss nicht schlecht beraten, tatsächlich einmal eine Blick ins Grundgesetz zu riskieren. Es ist ein wahres Schatzkästlein von Rechten für Kinder."

Stefan Kappe Hannover

Etikettiert und isoliert "Meinen vier Kindern habe ich geraten, keinen Nachwuchs zu bekommen. In unserer Gesellschaft werden Kinder und Mütter und die damit verbundene Kindererziehung nicht als produktiv angesehen.

Kinder kosten, stören die Karriere und führen Alleinerziehende auf den direkten Weg in die Armut. Kinder zu bekommen ("Der Wunsch als Plan", 4. August) ist ein Privileg für Besserverdienende in gut bezahlten Positionen. Geringverdiener leben am Existenzminimum.

Alleinerziehende bekommen keine Hilfe, ihre Kinder können keine kognitiven Fähigkeiten und Anregungen erfahren und werden sozial ausgeschlossen. Alleinerziehende sind selektiert, etikettiert und isoliert."

Monika Krol-Bednarek Münster

© SZ vom 14.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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