Süddeutsche Zeitung

13. März 2009:Versagen und Verantwortung

SZ-Leser über die Schuld am Einsturz des Stadtarchives, die Telekom, den deutschen Adel und den Umgang mit Piraten.

Zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs vergangene Woche schreiben Leser:

"Ohne auch einen Blick in die Unglücksbaugrube geworfen zu haben, kann jeder einigermaßen erfahrene Bauingenieur die folgenden Erklärungen liefern: Eine Baugrube ist ein Hilfsbauwerk, mit dem im Erdreich ein standfester, gesicherter Hohlraum erzeugt wird, um darin das eigentliche Bauwerk herzustellen.

Die Baugrube muss, wie jedes andere Bauwerk auch, berechnet, konstruiert und gebaut werden. Wenn Wasser und das umliegende Erdreich in den Hohlraum eingedrungen sind, dann hat dieses Bauwerk versagt. Dafür kann es fünf Gründe geben: Falsche Berechnungsannahmen, fehlerhafte statische Berechnung, fehlerhafte Konstruktion, fehlerhafte Bauausführung, höhere Gewalt (im vorliegenden Fall äußerst unwahrscheinlich).

Die Verantwortung für ein derartiges Versagen liegt somit in erster Linie bei der bauausführenden Firma, eventuell zum Teil auch beim Bauherrn. Die von dem ehemaligen Abteilungsleiter des Stadtarchivs bejammerten Risse haben mit dem Einsturz des Gebäudes nichts zu tun.

Wenn man einem Gebäude den Boden unter den Fundamenten wegzieht, fällt es um - egal, ob es Risse hat oder nicht. Wahrscheinlich gibt es entlang des Straßenzuges Severinstraße/Bonner Straße, in dem die U-Bahn gebaut wird, kein einziges Haus mehr ohne Risse!

Alle U-Bahnen - alle! - dieser Welt sind unter solchen Bedingungen und mit solchen Risiken wie in Köln gebaut worden, und bei keiner - keiner! - ist es ohne Opfer oder Schäden abgegangen - es waren allerdings nicht immer zwei junge Anwohner und ein so wertvolles Archiv.

Dem Kölner Oberbürgermeister Schramma wäre also zu raten: Bauen Sie die U-Bahn mutig weiter, aber achten Sie darauf, dass Geldknappheit, Termindruck und Prestigedenken nicht zu vermeidbaren Fehlern führen, suchen Sie sich ein anständiges Ingenieurbüro und lassen Sie alle Baugruben noch einmal überprüfen."

Peter Bläsing, Bollendorf/Eifel

Menschlicher Machbarkeitswahn

"Jede Umzugserfahrene weiß, wie schwer schon eine kleinere Bücherkiste ist. Im Stadtarchiv waren auf etwa 20 Kilometer Regale über sechs Stockwerke in die Höhe verteilt Tonnen von Papieren, Büchern, Dokumenten gelagert. Darüber, dass es nicht günstig sein kann, wenige Meter von so einem 'Ausnahmegebäude' entfernt den Untergrund großräumig auszuhöhlen, hat sich offenbar keiner der U-Bahn-Planer vorher Gedanken gemacht.

Der Druck, der hier auf dem Untergrund lastete, war einfach zu hoch. Dieses Ereignis hinterfragt den heutigen 'Machbarkeitswahn' und führt uns Menschen doch unsere Begrenztheit vor Augen."

Almut Rosebrock Wachtberg

Schlittern auf Sand

"Zunächst Glückwunsch zu der umfassenden Darstellung, die weit über das hinausgeht, was man derzeit hier in der Lokalpresse findet. Wenn der projektbegleitende Ingenieur den Schaden einem unvermeidlichen Restrisiko zuordnet, dann hat Oberbürgermeister Schramma richtig reagiert, wenn er fordert, das ganze innerstädtische U-Bahn-Konzept neu zu überdenken.

Bevor alle Projekte in Frage gestellt werden, wäre allerdings zu prüfen, was das historische Stadtarchiv vernichtet hat und wie dies hätte verhindert werden können. Mit einiger Sicherheit wird sich bei der Analyse der Ursachen herausstellen, dass es überwiegend auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

Ausreichend bekannt sind die Probleme des Kölner Untergrundes mit seinen teilweise über zehn Meter dicken Auffüllungen seit Römerzeit und den darin eingeschlossenen alten Bauwerksteilen, den wassergefüllten Kiessanden mit Steinlagen und Verkittungen und dem tertiären Untergrund aus Sanden, Tonen und Braunkohle.

Hinzu kommen noch der mit dem Hochwasser stark schwankende Grundwasserstand in den Kiesen und weiter teilweise unter Druck stehende Wässer in den tertiären Sanden. Daraus ergeben sich zahlreiche Probleme, von denen hier nur zwei erwähnt seien.

Der Kiessand kann sich, soweit er wassergesättigt ist, ähnlich wie ein Fließsand verhalten und ist dann schwer beherrschbar, Sackungen sind die Folge. In der Nähe der Braunkohle enthält der Boden Huminsäuren, die beim Beton das Abbinden verhindern, was Havarien und Undichtigkeiten bei der Herstellung der Schlitzwänden verursacht.

Bei solchen schwierigen Boden- und Grundwasserverhältnissen muss unbedingt eine intensive Untersuchung vor Baubeginn erfolgen. Es ist problematisch, diese aus Kostengründen zu stark in die Bauzeit zu verschieben. Das führt schnell zu unverantwortlichen Einsparungen."

Gero Kühn, Alfter

Die Dame und das Du

"Eine Dame ist eine Dame ist eine Dame - und bleibt es auch, wenn sie sich in subalterner Position befindet ('Viele falsche Grüße', 7./8. März). Unsere Benimmregeln entspringen dem höfischen Zeremoniell des Mittelalters - und wir übertragen die Ehrerbietung, die damals nur der adeligen Angehörigen des weiblichen Geschlechtes zukam, auf alle Frauen.

Daher sind die Benimmregeln, bei denen die Reihenfolge eine Rolle spielt, viel einfacher als geschildert. Es geht nach Geschlecht und innerhalb der Geschlechts nach Alter. Die Dame wird immer zuerst gegrüßt von jedem Herrn und von der jüngeren Dame. Der Dame werden immer zuerst alle Herren und die jüngeren Damen vorgestellt. Die Dame bietet immer dem Herrn oder der jüngeren Dame das Du an. Und bitte bemühen Sie nicht Herrn Knigge. Dass eine Dame keine mehr wäre, nur weil sie in der Hierarchie weiter unten steht - das passt nicht zum Menschenbild des Freiherrn."

Katarina Huss, Dachau

Märchen über den Adel

"Wenige Tage nach Amtsantritt des Herrn von Guttenberg als Bundeswirtschaftsminister keimt die Hoffnung auf eine genetische Überlegenheit des Adels auf ('Von und zu', 19. Februar), obwohl die Geschichte ganz andere Beispiele lehrt.

Da kann man nur hoffen, dass Herr von Guttenberg nicht zum Handlanger seines machtbesessenen Ministerpräsidenten und dessen CSU-Hofstaates mutiert und dass er nicht vergisst, die Interessen des Volkes und nicht die seiner Partei zu vertreten.

Ansonsten macht die Hoffnung auf den Adel stutzig - trotz des mutigen, ja verzweifelten und zu späten Attentats des schwerverwundeten Oberst Graf von Stauffenberg, während die Mehrheit der adligen Generalität in voller Deckung auf das Gelingen desselben wartete.

Es war doch der deutsche Adel, der an erster Stelle Hitler geholfen hat, dass dieser Reichskanzler wurde, obwohl er als Person Unbehagen auslöste, aber Garant für den Aufbau der Wehrmacht und auch für die außenpolitischen Ziele mit Hilfe der Generalität war.

Der Adel war immer an der Seite der Mächtigen, ohne Rücksicht auf Verluste, wir Soldaten waren immer nur Kanonenfutter. Das hat gerade die adlige Generalität nie gestört, weil sie total unpolitisch war und untertänigst handelte, egal wer jeweils herrschte. Heute können wir nur hoffen, dass diese 'genetische Überlegenheit' nicht wiederkehrt, sondern nichts weiter als ein Märchen vergangener bitterer Zeiten bleibt."

Udo Zempel, Rodenkirchen

Teure Telekom

"In 'Schnelles Internet für alle' (3. März), heißt es, die Telekom sei überrascht, wesentlich weniger VDSL-Kunden gewonnen zu haben als erwartet.

Überraschend ist das nicht: In den Call&Surf Comfort (Plus)-Paketen ist, abhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses, DSL mit einer Bandbreite zwischen 6 und 16 Mbit/s enthalten; tatsächlich liegt der Download bei uns in München - und bei sicher vielen anderen Teilnehmern - bei gut 3Mbit/s. Die Kunden zahlen also für eine Leistung, die sie nicht erhalten.

Früher mag die geringere Kapazität an den Leitungen gelegen haben. Würde ich aber heute ein Entertain-Paket - bei vergleichbaren Kosten - abschließen, erhielte ich schon in der Basisversion 16 Mbit/s Transfervolumen. Die Telekom enthält eine bezahlte Leistung vor, die technisch möglich wäre - juristisch mögen das Fachleute beurteilen."

Gerald Halder, München

Konzern der Bürger

"'Telekom-Chef René Obermann treibt die Reform seines Konzerns voran' hieß es in der SZ vom 26. Februar. Die Telekom ist aber nicht der Konzern des Herrn Obermann. Eigentümer der Telekom sind zu über einem Drittel die Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

Schließlich halten die aktienrechtlichen Sperrminorität (37 Prozent) noch immer Bund und Kreditanstalt für Wiederaufbau, also auch Bund. Und das sollte auch so bleiben, zumal man die Telekommunikationsangebote für Bürger und Firmen zum Bereich der 'öffentlichen Daseinsvorsorge' zählen sollte.

Dass Herr Obermann den Konzern umbauen will, ist wohl dringend nötig. Er und seine Kollegen sollten allerdings beim Service für die Kunden anfangen: Warum gibt es nicht für jeden Kunden, egal wie vieler Sparten des Konzerns, Ansprechpartner unter einer Servicenummer?

Den Kunden interessiert doch nicht die unternehmensinterne Gliederung. Er will umfassende und gute Beratung, ohne in sprachgesteuerten Warteschleifen hängen zu bleiben. So könnte die Telekom zu einem für Bürger- und Kunden hilfreichen Unternehmen werden und damit den Eigentümern auch längerfristig Gewinne bringen. Herrn Obermann ist Stehvermögen zu wünschen. Und einigen Journalisten eine sorgfältigere Wortwahl."

Bernd Meyer, Schwabach-Forsthof

Deutschland macht sich lächerlich

"Die Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte mag man richtig oder falsch finden, lächerlich sollten sie auf keinen Fall sein ('Piraten werden übergeben', 10. März). Da werden Kriegsschiffe entsandt, die über U-Boot-Ortungshubschrauber verfügen, die aber schwer bewaffnete Seeräuber nur so lange beeindrucken, wie diese nicht wissen, dass sie mit ihren Maschinengewehren und Panzerfäusten eigentlich viel besser bewaffnet sind als diese Hubschrauber.

Ist eigentlich schon einmal jemand von der Marine auf die Idee gekommen richtige Kampfhubschrauber (notfalls von den Amerikanern ausgeliehen) an Bord zu nehmen, mit denen man die wendigen und schnellen Piratenboote in Schach halten und notfalls versenken kann?

Vollends grotesk wird es aber, wenn man die zufälligerweise gefangenen Piraten dann von dem großen Kriegsschiff etwa 2500 Kilometer weit in das Gefängnis nach Mombasa schippern lässt. Solch eine Kreuzfahrt auf Kosten des deutschen Steuerzahlers möchte ich auch einmal machen."

Alfred Herms, Neuberg

Fehlende Fürsorge

"Die Fürsorge gegenüber den Marinesoldaten hätte geboten zu klären, was mit gefangenen Piraten zu geschehen hat - vor dem Auslaufen der Schiffe. Da dies trotz des laufenden Einsatzes bisher noch immer nicht geschehen ist, folgender Vorschlag: Die Beratungen des Beamtengremiums finden nicht im friedlichen Berlin statt, sondern vor Ort im Einsatzgebiet. Etwas Seegang und Wind beflügeln eine Entscheidungsfindung."

Peter Berger, Heiligenhaus

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Quelle:
SZ vom 13.03.2009/brei
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