12. Januar 2009:Zeitbombe für Japan

Lesezeit: 2 min

Wie es 1941 zur Katastrophe von Pearl Harbor kam.

Prof. Dr. Gottfried-Karl Kindermann

"Der Beitrag 'Pearl Harbor und die Rolle Roosevelts' (26. Januar) von Christoph Neidhart erwähnt zwar interessante neue Details, die die These untermauern, die US-Regierung habe vom bevorstehenden Angriff Japans gewusst. Sie erklären jedoch nicht den Gesamtzusammenhang der Gründe für die Katastrophe von Pearl Harbor. Eine Schlüsselrolle spielte auf amerikanischer Seite Präsident Roosevelt. Ihn plagte 1941 die Befürchtung, es könne Deutschland und Japan gelingen, einerseits Europa und anderseits Ostasien zu beherrschen, wonach sich beide Kontinente zu einem tödlichen Bündnis gegen Amerika zusammenschließen könnten.

"Eine Schlüsselrolle spielte auf amerikanischer Seite Präsident Roosevelt. Ihn plagte 1941 die Befürchtung, es könne Deutschland und Japan gelingen, einerseits Europa und anderseits Ostasien zu beherrschen, wonach sich beide Kontinente zu einem tödlichen Bündnis gegen Amerika zusammenschließen könnten." (Foto: Foto: Reuters)

Die Deutschen hatten im Frühjahr 1941 den ganzen Balkan bis Kreta erobert, rückten in Nordafrika vor und hatten anschließend die Ukraine und Teile der Krim besetzen können, während die Japaner in China tiefer vorstießen und nach dem Norden Vietnams nun auch Südvietnam besetzten. In einer von Roosevelt veranlassten geheimen Denkschrift vom 11. September 1941, verfasst von General George C. Marshall und Admiral Stark drei Monate vor Pearl Harbor, werden Japan und Deutschland realistisch als 'potentielle Feinde' bezeichnet, die das Kräftegleichgewicht in Asien und Europa bedrohten. Ihre Eindämmung sei im Interesse der USA und könne 'nur durch militärische Siege der USA ...bewirkt werden.'

Bereits nach Japans Besetzung von Südvietnam hatte Roosevelt von seinem Admiralstabschef Stark ein Gutachten zur Frage angefordert, wie Japan auf ein totales Erdölembargo seitens der USA reagieren könne. Der Admiral antwortete, da Japan mit Krieg reagieren würde, rate er von dem Embargo ab. Sieben Tage danach verhängte Franklin Roosevelt dennoch ein Erdölembargo gegen Japan, dem sich das Britische Empire und Niederländisch Ostindien anschlossen.

Sich ständig verringernde Erdölvorräte wirkten für Japan wie eine Zeitbombe. Einen Tag nach dem Embargobeschluss verfügte Roosevelt auch die Sperrung aller japanischer Vermögenswerte in den USA, wodurch Japan - ohne Vorwarnung - von 75 Prozent seines Handels außerhalb des Yen-Blocks abgeschnitten wurde.

Es war ein Wirtschaftskrieg, der Japans Wirtschaft und Militär mittelfristig mit Paralyse bedrohte. Um die Krise zu lösen, bot Japans Ministerpräsident Konoye eine Gipfelkonferenz mit Roosevelt an. Dieser sagte zunächst zu, nur um - entgegen dem dringenden Rat seines Botschafters in Tokio - dann abzusagen. In der letzten Runde monatelanger amerikanisch-japanischer Verhandlungen bot Japan die Räumung Indochinas und einen Verzicht auf jede sonstige Expansion in Südostasien an und verlangte, die USA sollten auf jede Einmischung in Japans Beziehungen zu China verzichten. Durch abgefangene Funksprüche erfuhr Washington, dass dies Japans 'letzter Vorschlag' sein würde. Der amerikanische Gegenvorschlag verlangte unter anderem Japans kompensationslosen Rückzug aus China. Keines der eingeweihten Mitglieder der Regierung Roosevelt glaubte, dass Japan diesen Vorschlag annehmen werde.

US-Außenminister Cordell Hull kommentierte daher, von jetzt an sei die Japanpolitik der USA in den Händen des Kriegsministers. Alle militärischen Posten der USA im Pazifik wurden vierzehn Tage vor Pearl Harbor zweifach gewarnt, es bestehe 'höchste Kriegsgefahr'. Komme es zu militärischen Zusammenstößen mit den Japanern, sei unbedingt darauf zu achten, dass die Japaner 'den ersten Schuß' tun. Doch die Kommandeure auf Hawaii meinten, Japans erster Schlag werde sich gegen Südostasien richten und nicht gegen das im Zentralpazifik gelegene Hawaii. Folglich unterließen sie angemessene Vorbereitungen auf einen möglichen Angriff. Tüchtige amerikanische Kryptographen entzifferten die japanische Kriegserklärung um Stunden schneller als die japanische Botschaft in Washington. Bevor sie zugestellt werden konnte, fielen die Bomben auf Pearl Harbor."

© SZ vom 12.02.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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