Süddeutsche Zeitung

10. März 2009:Wertvolle Pleitebank

SZ-Leser über die Hypo Real Estate und ihren früherer Vorstandsvorsitzenden Georg Funke und den Pianisten Sokolov.

Zur Rettung der Hypo Real Estate ("Aus Löchern würden Krater" und "Eine Pleitebank gefährdet Deutschland", 20. Februar) schreiben Leser:

"Die Hypo Real Estate (HRE) ist nicht 'eine Art Blackbox mit unbekanntem Inhalt', sondern eine Bank in der Rechtsform der Aktiengesellschaft mit streng geregeltem Geschäftsspektrum.

Die Einhaltung der für sie relevanten gesetzlichen Vorschriften (unter anderen Kreditwesengesetz, Pfandbriefgesetz, Börsengesetze) werden durch die zuständigen Aufsichtsorgane (Bafin, Bundesbank) peinlich genau überwacht. Aber selbst interessierte Bürger, auch Journalisten, können sich anhand von Geschäfts- und Zwischenberichten darüber informieren, welche Geschäfte die Bank gemacht hat, mit welchem Erfolg oder Misserfolg, was sie am betreffenden Stichtag in den Büchern hat und welche Geschäftspolitik sie künftig beabsichtigt.

Mit diesen jedem zugänglichen Informationen kann man aktuell und ohne großen Aufwand sehen, welche Verpflichtungen die HRE (Passivseite der Bilanz) und Forderungen (Aktivseite) am betreffenden Stichtag in den Büchern hat. Also keine 'Blackbox'!

Bei den Aktivwerten der Bank handelt es sich nicht um US-Zertifikate mit faulen Hypothekenkrediten, mit denen viele deutsche Banken Milliardenverluste eingefahren haben, darunter die IKB und die Bayerische Landesbank.

Die HRE hat nach den vorliegenden Veröffentlichungen über 60 Milliarden Euro erstklassige Hypothekenkredite, abgesichert auf Wohn- und Geschäftshäuser vor allem in Deutschland und in anderen europäischen Industrieländern und zum größten Teil rund 250 Milliarden Euro Kredite an deutsche und ausländische öffentliche Haushalte (darunter vor allem an die Staatshaushalte selbst), an Bundesländer, Bezirke, Gemeinden, öffentlich-rechtliche Zweckgesellschaft und ähnliche Einrichtungen vor allem in Deutschland, Europa und USA - vereinfacht: Forderungen an den Staat - in den Büchern.

Bisher ist nicht bekannt, dass die Forderungen der Bank von dramatischen Ausfällen bedroht sind. Ergo: Bis dato hat die Bank also fast dreimal so viel Kredite an den Staat gegeben, als bisher an staatlichen Garantien für ihre Refinanzierung zur Verfügung gestellt worden sind!

Auch die Abqualifizierung von Herrn Funke ('einen Mann aus der zweiten Reihe') ist falsch und böswillig: So einer ist den Aufgaben nicht gewachsen. Als er als Fachmann des internationalen Realkredits geholt wurde, war er gar nicht mehr im Konzern der Hypo-Vereinsbank tätig. Herr Funke hatte zunächst sehr bemerkenswerten Erfolg. Sein einzig wirklich gravierender Managementfehler war wohl der Kauf der Depfa.

Aber das war zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht erkennbar. Denn auch dieses Institut hat zwar ein großes Rad im internationalen Kommunalkredit gedreht, war aber nach allgemein bekannten Informationen keine Zockerbude, die 'langfristige Kredite mit kurzfristigen billigeren Krediten gegenfinanziert'. Erst durch die Pleite von Lehman Brothers und das damit entstandene Misstrauen aller Finanzinstitute gegenüber allen anderen ist die Refinanzierung in Schwierigkeiten geraten.

Mit dieser Art der Berichterstattung kann man jede Unternehmung in die Pleite treiben. Müssen wir nicht alle hoffen, dass die Rettungsbemühungen der Regierung für den Finanzmarkt Erfolg haben? Millionen von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel! Helfen würden hier neben dem Engagement des Staates auch Bemühungen um ein wenig mehr Objektivität in der Berichterstattung der Medien."

Kurt Bonfig, München

Kontrollierter Konkurs

"Es wird weiter an der Mär von der apokalyptischen Insolvenz gestrickt. Thomas Fromm argumentiert so, als ob alle Werte der HRE vernichtet wären, zugleich erwähnt er jedoch die langfristigen Kredite, die vergeben wurden. Wenn es zu einer Insolvenz kommt, gehen diese Kredite als Forderungen in die Konkursmasse ein, so dass nach heutigem Wissen ein Defizit von etwa 100 Milliarden Euro auszuweisen ist.

Ein zweiter Punkt ist noch wichtiger, denn dabei geht es um den 100-Milliarden-Schaden, den die HRE angerichtet hat. Dieser Schaden muss nach Möglichkeit dorthin verschoben werden, wo er hingehört, und zwar nicht zur Allgemeinheit. Es gibt nämlich doch eine Möglichkeit, die HRE konkurs gehen zu lassen, ohne dass die apokalyptischen Folgen eintreten. Dann springt die Allgemeinheit nach dem Konkurs ein, um die Gläubiger zu retten. Der Unterschied ist erheblich, denn durch einen Konkurs mit Konkursmasse unter null werden alle Ansprüche von Aktionären und Managern nichtig.

Indem der Staat sich mit den Gläubigern arrangiert, kann er das Unternehmen ohne Enteignungen und die daraufhin fälligen Prozesse übernehmen, und den Managern sind dann keine Ruhegehälter und Optionen mehr zu zahlen. Der Staat kann die Firma sofort wieder aktivieren und verkaufen, weil sie nach dem Konkurs entschuldet ist.

Die Gläubiger sitzen dann auf Ansprüchen, die aus der Konkursmasse nicht erfüllt werden können. Hier sollte der Staat einspringen, aber mit Augenmaß. Die Gläubiger müssen ebenfalls nach Vermögen herangezogen werden, zumal wenn es sich um jene Betrüger handelt, die der HRE faule Derivate angedreht haben.

Nur so zahlt der Staat nicht mehr als nötig ist, um den geregelten Finanzbetrieb aufrechtzuerhalten. Der eingeschlagene Weg mit der Enteignung widerspricht dem Grundsatz, Schaden vom Volk abzuwenden, denn jede Zahlung an die Pleitiers ist in Wirklichkeit ein Geschenk."

Dr. Wilfried Müller, Unterföhring

Der Pianist und sein Kritiker

"Da gibt es einen Pianisten, der die Tasten unter Feuer setzen kann und gleichzeitig mit Klangfarben zaubert, als kämen die Töne aus einer anderen Welt ('Zwischen Genie und Gewohnheit', 2. März).

Einen Pianisten, der ohne jegliches Show-Gebaren, wie in Trance, zum Flügel geht, eine Hand auf dem Rücken - vielleicht eine schmerzvermeidende Schutzhaltung, um Hände und Arme für das zu bewahren, wozu er sie erhalten hat: Grigorij Sokolov.

Da gibt es einen Kritiker, der diesen Weg vom Künstlerzimmer zum Podium, einen der einsamsten vielleicht, verspotten darf: '...ganz wie ein Wiener Oberkellner'. Sokolov ist beinahe 60 und lebt und arbeitet seit 55 Jahren am Klavier. Bleich sieht er aus und alles andere als gesund. Primitiv, darüber zu spotten.

Nach der Pause Schuberts wunderbare D-Dur Sonate D 850, so oft verkitscht als Dreimäderlhausromantik. Sokolov spielt sie mit dem tiefen Ernst, weite Dimensionen werden in immer neuen Varianten durchlaufen mit mannigfachem Tonartenwechsel - absurd, hier von 'schier endloser Selbstverliebtheit' zu sprechen.

Sokolovs Piano- und Pianissimostellen sind von einer Zartheit und Durchsichtigkeit, wie ich sie nie gehört habe. Was Robert Schumann als 'himmlische Längen' empfand, sind für Helmut Mauró 'immergleiche Wiederholungen ... belanglos und nichtssagend.'

Wer keine Ohren hat zu hören, sollte es eben lassen. An diesem Abend spielte kein 'alter Tastenfuchs', sondern einer der größten Pianisten unserer Tage. Das Publikum verließ nur zögernd und keineswegs 'irritiert', sondern reich beschenkt und beglückt nach all den Zugaben den Herkulessaal."

Anneliese Kreutz, München

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SZ vom 10.03.2009/brei
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