08. Juli 2009:Herr Doktor, es darf ruhig etwas kosten!

Lesezeit: 10 min

Vitamine, Sauerstofftherapie oder Anti-Aging-Hormone: SZ-Leser diskutieren über den Nutzen von zusätzlichen Gesundheitsleistungen für Privatpatienten.

Zu "Ich hab' da noch was für Sie" (25. Juni) und " Hoffentlich nicht privatversichert" (27./28. Juni):

Für Privatpatienten greift meist der Chefarzt persönlich zum Skalpell. Doch ist das immer von Vorteil für den Kranken? (Foto: Foto: ddp)

"Es sind nicht in erster Linie wir Ärzte, die den Patienten Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) aufschwatzen, sondern es sind die Patienten, die uns Ärzte nötigen, ihnen mehr als das von der Kassenmedizin für sie vorgesehene Repertoire zu bieten. Nur ein paar Beispiele aus meiner internistischen Praxis: Ein 40-jähriger kerngesunder, blendend aussehender Mann nötigt mich alle drei Monate die gesamte Latte an Anti-Aging-Hormonen zu bestimmen.

Sehr viele kerngesunde Menschen beiderlei Geschlechts und mittleren Alters kommen zu mir und verlangen einen Check, bei dem nach Möglichkeit 'alles' gemacht werden soll. Viele ältere Menschen, die in dieser von Jugend- und Gesundheitswahn geprägten Gesellschaft an die Mär vom Jungbrunnen glauben, kommen regelmäßig in meine Praxis und verlangen Aufbaukuren, Vitaminspritzen, Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie und Ähnliches. Sie versuchen, mich regelmäßig augenzwinkernd mit den Worten zu nötigen: 'Herr Doktor, da gibt es doch sicher was, es darf ruhig etwas kosten!'"

Dr. Thomas Wilsman Wasserburg

Das wusste schon Karl Valentin

"Schon bei Karl Valentin heißt es: 'Was? Gsund bin i? Mir war's ja gnua, für was bin i dann bei der Ortskrankenkasse?'"

Friedrich Kern Stuttgart

Fortschritt durch Honorare

"Privatpatienten tragen zum medizinischen Fortschritt bei, indem durch deren Honorare Investitionen finanziert werden können, die auch Kassenpatienten zugute kommen, nicht jedoch durch ihre, vom Autor vermutete Rolle als Versuchskaninchen! Eine Patienten gefährdende Zweiklassenmedizin gibt es in Deutschland in der täglichen Praxis nicht."

Dr. Hartmut Gaulrap München

Aus dem Alltag eines Chefarztes

"Die Aussage, dass 90 Prozent aller Rückenschmerzen von allein verschwinden, ist nicht korrekt. Diese Patienten erhalten medikamentöse, Injektions- und/ oder physikalische Therapie. Unsere ärztliche Aufgabe besteht darin, eine Chronifizierung des Rückenleidens durch rechtzeitige und richtige (!) Behandlung in der Akutphase zu vermeiden.

Wir müssen deshalb in dieser Phase feststellen, welchen Patienten welche Behandlungsoptionen angeboten werden sollen. Aufgrund dessen ist neben klinischer Untersuchung die apparative Diagnostik oft unumgänglich. Als Chefarzt einer großen Klinik eines kommunalen akademischen Lehrkrankenhauses habe ich selbstverständlich Forschungsaufgaben sowie Lehr- und Vortragsverpflichtungen.

Der Großteil meines 12- bis 14- stündigen Arbeitstags gilt jedoch der Patientenversorgung, daneben ist noch die betriebswirtschaftliche und Managerfunktion gefordert. Herr Bartens sollte sich die Gebührenordnung ansehen und sich über die Möglichkeit der Vertretung bei Verhinderung des Chefarztes informieren, nämlich hauptsächlich bei unvorhergesehener Verhinderung. Sonst zahlt die Privatversicherung diese Leistung nicht."

Prof. Dr. Christianto Lumenta München

Warum Privatversicherte oft nicht zum Arzt gehen

"Privatpatienten haben einen außerordentlich guten Informationsstand und sind allen Maßnahmen gegenüber manchmal kritischer als Kassenpatienten, da sie oft hohe Selbstbehalte haben und daher ganz gezielt Kosten und Nutzen hinterfragen. In der letzten Zeit geht der Trend sogar dahin, dass gerade jüngere Privatpatienten oft sehr spät im Krankheitsverlauf zum Arzt gehen und auch chronische Krankheiten ungenügend behandeln lassen, um ihren Eigenanteil zu schonen.

Die oft wiederholte Kritik an Doppeluntersuchungen sollte kritisch hinterfragt werden. Doppeluntersuchungen sind vielfach entscheidend für die Qualität der Diagnostik und Behandlung, oft zeigen sich erst nach nochmaliger Untersuchung die entscheidenden Hinweise zur Diagnose und Therapie. Doppeluntersuchungen sind eigentlich ein Qualitätsmerkmal eines guten Medizinbetriebs und dienen der internen Qualitätskontrolle, sie werden von den Kassen ja geradezu gefordert, allerdings unter dem neudeutschen Begriff der 'second opinion'.

Der Erzfeind PSA-Test zur Früherkennung des Prostatakarzinoms taucht auch in diesem Artikel wieder auf. Sollen wir wirklich auf das PSA verzichten und warten bis die Patienten durch Knochenmetastasen symptomatisch werden? Ist der PSA erhöht, kann der Patient doch selbst entscheiden, ob er eine Biopsie will oder lieber zuwartet. Ich betreue jeden Tag in meiner Praxis viele Patienten, sie sind viel klüger und autonomer als es die Medien erlauben, egal ob privat- oder kassenversichert."

Dr. Christian Lehmann Weil am Rhein

Gefährliche Unterlassung

"Und was sagt Herr Bartens meinen Freunden, die jämmerlich an Prostatakrebs krepieren, weil sie keine Vorsorgeuntersuchung machen ließen?"

Dr. Bodo Bleinagel München

Sinnvolle Doppeluntersuchungen

"An erster Stelle steht immer eine genaue körperliche Untersuchung beim Hausarzt. Wenn diese nicht zur Klärung der Diagnose führt, werden eventuell Blutuntersuchungen und Urinanalyse notwendig. Nehmen wir etwa die Verdachtsdiagnose Blinddarmentzündung: Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung müssen - um zu vermeiden, dass ein jungfräulicher Blinddarm entfernt wird, der eine nicht zu unterschätzende Wirkung in unserer körpereigenen Abwehr spielt - zunächst andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen werden.

Dazu gehören Darm-, Nieren- und Eierstockerkrankungen. Der Ausschluss wird aber nur möglich, wenn man die entsprechenden Fachgebiete hinzuzieht. Eine Urin- und eine Blutuntersuchung steht grundsätzlich am Anfang einer solchen Abklärung. Es ist also sicher nicht damit getan, auf dem Bauch herumzudrücken. Übrigens geschieht die Abklärung bei jedem Patienten nach demselben Schema unabhängig von dem Versicherungsverhältnis.

Ob es sich um eine Befindlichkeitsstörung oder um eine ernsthafte Erkrankung handelt, lässt sich oft nur nach einer genauen Untersuchung, die auch häufig den Einsatz von Technik in verschiedenen Fachgebieten notwendig macht, beurteilen. Laut Gesetz hat der Arzt eine Sorgfaltspflicht, der er nachkommen muss."

Dr. Lothar Seissiger Siegsdorf

Ein System, das Abzocke begünstigt

"'Hoffentlich nicht privatversichert' habe ich mit Vergnügen gelesen. Wie in jeder guten Polemik sind Details simplifiziert und überzeichnet, die Grundaussagen treffen jedoch alle zu. Es ist schade, dass der Autor bei der Symptombeschreibung und einer populären - zweifellos berechtigten - moralisierenden Kritik am Fehlverhalten einzelner Ärzte stehen bleibt. Neben persönlicher Profitgier ist die wesentliche Ursache für die zahlreichen genannten Beispiele das aktuelle Vergütungssystem.

Es gibt alle Anreize, bei zahlenden Patienten ('Cash-Kühe') unnötige Maßnahmen durchzuführen. Die gute Ärztin, die sich Zeit für ihre Patienten nimmt und apparative Methoden sparsam einsetzt, kann nicht mehr kostendeckend arbeiten. Die Vergütung bei Kassenpatienten ist so gering, dass sich viele Ärzte gezwungen sehen, Selbstzahler auszubeuten oder medizinisch sinnlose, 'individuelle Gesundheitsleistungen' anzubieten, um die Praxis halten zu können."

Prof. Dr. Stefan Schwarz Mannheim

Ein paar hundert Euro wegen eines Bläschens

"Herrn Bartens kann ich als Privatpatientin nur zustimmen. Bevor ich meine Beschwerden über ein Bläschen auf der Haut vorgebracht hatte, wurde Blut abgenommen und für 280 Euro untersucht und daraus eine angebliche Diabetes diagnostiziert, die der Ärztin eine Dauerpatientin eingebracht hätte. Mein Protest löste Unverständnis aus: Die Versicherung bezahlt das doch!

In einer gynäkologischen Praxis tadelte mich die Helferin am Empfang, dass ich ja 'so lange' nicht dagewesen sei, und nutzt mein damit erzeugtes 'schlechtes Gewissen', um ungefragt erst einmal meinen Blutdruck zu messen, ohne dass ich darauf hinweisen konnte, dass der erst vor wenigen Tagen wie immer als erfreulich niedrig ermittelt wurde. Das hat nicht weh getan und mir sicher nicht geschadet, aber diese 'erschlichenen' Leistungen destabilisieren summa summarum unser Gesundheitssystem."

Marlies Buchholz Hamburg

Tags und nachts, Kasse oder privat

"Sollten Sie 'verehrter' Herr Bartens einmal unter Bauchschmerzen leiden und meinen ärztlichen Rat suchen, so würde ich Sie versuchen auf Appendizitis, Gastritis, Pankreatitis etc. abzuklären, Ihnen erklären, wobei es sich dabei handelt, mit Ihnen besprechen, ob eine stationäre Abklärung von Nöten ist, Sie vielleicht auch beruhigen können, Ihnen die Angst nehmen, als Mensch (und Arzt) bei Ihnen sein.

Dies alles tags und nachts (ich bin Hausarzt), egal ob Kassen- oder Privatpatient. Über meine Honorarabrechnungsmöglichkeiten möchte ich Sie nicht aufklären, nur darum bitten einen Berufstand, den des Arztes nämlich, über dessen Tätigkeit im Alltag Sie herzlich wenig Bescheid wissen, nicht unsinnigerweise zu verunglimpfen."

Ursula Hörmann-Biberacher Gauting

Hinrichtung des Gesundheitswesens

"Nach 30 Jahren 'im System', sowohl im Krankenhaus als auch überwiegend in der Praxis, kann man über einen derartigen Unsinn nur noch mühsam lächeln. Privatpatienten sind nach meiner Erfahrung Leute, die mir ihrer Gesundheit sehr viel besser umgehen als GKV-versicherte Patienten. Da Privatpatienten viel mehr verdienen müssen als der Durchschnitt, um sich privat versichern zu können, dürfte ihr IQ eher höher liegen.

Die Beschimpfung der Chef- und anderen Ärzte ist unter Niveau und kann nicht ernsthaft diskutiert werden. Das ist reiner Populismus eine SPDnahen Zeitung. Freuen darf der Autor sich aber schon auf die Zeiten, in denen es endlich weniger Ärzte in Deutschland geben wird. Im Osten auf dem Lande ist das ja schon ansatzweise der Fall. Auch immer weniger der angehenden Mediziner werden in Deutschland ärztlich tätig.

Das bisher sehr gute deutsche Gesundheitwesen wird politisch zur Zeit hingerichtet. Herr Bartens rechtfertigt das unsinnige Treiben unserer Gesundheitsministerin, die ja unter einem Kanzler Steinmeier gerne ihr 'Werk vollenden' möchte: eine grausige Vorstellung - besonders für die Kassenpatienten."

Werner Voss Münster

Doppelzüngigkeit der Botschaften

"Im 'Wissen' erscheint nun ein Bericht über eine Studie der Sozialmediziner der Universität Lübeck bezüglich der Abzocke mittels IGeL-Leistungen in Arztpraxen und in der selben Ausgabe liegt eine 20-seitige (!!!) Sonderbeilage zum Thema 'Spitzenmedizin' bei! Ja, das genau ist die Doppelzüngigkeit der Botschaften, die zum Thema 'Ärztliche Versorgung' anhaltend auf allen Ebenen anzutreffen sind nach dem Motto: 'lieber Patient, Du kannst alles haben, wenn der Arzt es Dir gibt. Und wenn Du es nicht bekommst, dann ist nur der böse Doktor schuld, der es Dir auf Kassenkosten vorenthält weil er dann geldgierig abkassieren will'.

Oder glaubt jemand aus der Leserschaft im Ernst, dass die angepriesene 'Spitzenmedizin' flächendeckend zum Kassentarif für jedermann erhältlich ist? Nach den Statuten der GKV muss die Versorgung der Versicherten 'ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig' sein, sonst wird der Kassenarzt in Regress genommen. Und so sind eben IGeL-Leistungen Leistungen, die nach den Kassenvorgaben in einer bestimmten Situation nicht zu erbringen sind, der Patient sie aber erhalten kann, wenn er sie gerne möchte - und dann selbstverständlich auch selbst, d.h. privat bezahlen muss."

Jutta und Paul Jancso Kolbermoor

Raus aus der Privatversicherung

"Der Kollege Bartens hat den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen. Der erfahrene, aus dem Nähkästchen plaudernde Mediziner bringt die Dinge auf den Punkt: die Deutschen leiden unter und an ihrem Gesundheitswesen! Wie wir erfahren sind es glücklicherweise nicht alle Deutschen, es ist nur die Minderheit der Privatversicherten, die leidet!

Ich selbst bin froh, dass mir durch die überwiegend platten Anekdoten, wie immer seriös untermauert mit harten Daten aus Statistiken und Studien ('90 Prozent aller Rückenschmerzen verschwinden von allein'), nun endlich die Augen geöffnet wurden. Ich werde mich aus der Privatversicherung abmelden und darauf hoffen, dass mich die AOK oder eine andere Gesundheitskasse nimmt, damit ich noch lange gesund bleibe bzw. bei 'Stress im Büro, Ärger mit der Frau und Bauchschmerzen' wieder schnell genese.

Sollte mir das unabhängig vom Versicherungsstatus nicht vergönnt sein und womöglich noch aus Gram über die medizin- bzw. arztfeindliche SZ Lektüre ein inoperables Magencarcinom (von einem guten Arzt, der weder Lateinisch, Griechisch, Englisch noch Hochnäsig spricht, so einen muss es ja noch irgendwo geben) diagnostiziert werden, bleibt mir ja noch das gelbe Sofa im Büro von Dr. Bartens. Dort können wir dann über seinen Vorschlag plaudern, Ärzte wie im alten China nur dann zu bezahlen, solange die Menschen gesund sind.

Auswandern zur Verbesserung der beruflichen Perspektive ist für Ärzte in unserem Lande nicht neu, und das umso mehr, sollte die Privatversicherung abgeschafft werden. Herr Bartens wird als kritischer Journalist nicht nach China mitkommen wollen. Die deutschen Ärzte werden es verschmerzen! Zum Abschied ein Vorschlag an das leidende Volk: es bezahlt für Zeitungen nur dann, wenn ihre Journalisten auch mal Differenziertes und Sachliches über die ärztliche Profession zustande bringen und nicht immer nur redundante stereotype Geschichten erzählen."

Markus Rihl Isernhagen

Ebbe im Budgettopf

"Dass die Krankenkasse eine medizinische Leistung nicht bezahlt, heißt noch nicht, dass sie sinnlos ist. (Beispiel: Auch die Brustkrebsvorsorge wurde vor Einführung des Mammographie-Screenings nicht bezahlt). Und dass der Arzt sie dem Patienten als IGeL-Leistung anbietet, noch nicht, dass er damit Geld scheffeln will. Die zwischen den Zeilen zu lesende Erwartung, er habe solche Leistungen dann gefälligst unentgeltlich zu erbringen, kann ja wohl keine Lösung sein.

Eine solche wäre vielmehr, eine unabhängige Informationsquelle über Sinn oder Unsinn von Nichtkassenleistungen zu schaffen. Die eigenverantwortliche Entscheidung auf Basis solcher Informationen wird (und soll!) den Patienten niemand abnehmen, und da die Kassen die Ebbe im Budgettopf nicht zuletzt durch Zusammenstreichen des Leistungskatalogs ausgleichen, werden sie in Zukunft noch sehr viel häufiger zu treffen sein."

Angelo Kranich Mauerstetten

Privatversicherte zahlen nicht mehr

"Kollege Barthels schreibt, daß Privatversicherte höhere Beiträge als gesetzlich Versicherte zahlen und eher zum Versuchskaninchen für Ärzte würden. Sie bekämen mehr unnötige Untersuchungen und Behandlungen als gesetzlich Versicherte, weil sie für Ärzte in Deutschland lukrativer seien. 17 mal gehe jeder Deutsche jährlich zum Arzt. Diese Zahl allerdings bezieht sich auf gesetzlich Versicherte und schließt auch den jeden Gang zum Psychotherapeuten mit ein.

Für Privatversicherte gibt es keine entsprechenden bekannten Zahlen, weil viele Statistiken von den Versicherungen geheim gehalten werden. Allerdings gibt es viele Hinweise, daß Barthels Thesen nicht stimmen können, sondern das Gegenteil zutrifft. Denn Privatversicherte zahlen nicht mehr, sondern eher etwas weniger in die Krankenversicherung ein, als gesetzlich Versicherte:

1996 gab es im Jahresdurchschnitt in Deutschland 50,824 Mio. gesetzlich Versicherte und 2007 50,589 Mio., die 149,69 Mrd. Euro an Beiträge (2007) zahlten, mithin 2959 Euro pro Versicherten in 2007. 144,32 Mrd. Euro zahlte die GKV in 2007 aus, mithin 2853 Euro pro Versicherten.

1996 gabe es am Jahresende 6,946 Mio. privat Vollversicherte und 2007 8,549 Mio., die 29,46 Mrd. Euro an Beiträgen zahlten, mithin 3.446 Euro pro Versicherten. 18,79 Mrd. Euro zahlte die PKV für diese Versicherten an Leistungen aus, mithin 2.198 Euro pro Versicherten. [Zitiert und berechnet nach: 'Gegen Krankheit versichert', Deutsches Ärzteblatt, Heft 34-35, 25. August 2008, S. A 1798]

Da im Schnitt die entsprechende Einzelleistung für einen Privatpatienten doppelt soviel Honorar für den Arzt, Zahnarzt oder die Psychotherapeutin bringt, darf angenommen werden, daß Privatversicherte bis zu zwei Mal seltener zum Arzt und Therapeuten gehen, als gesetzlich Versicherte. Das liegt wahrscheinlich an der Zuzahlung, die Privatpatienten leisten, meist in Höhe von 1-2 Monatsbeiträgen pro Jahr. Bei den Millionen von Beihilfeberechtigten in Deutschland, die auch als Privatpatienten erscheinen, ist die Eigenbeteiligung etwa 30%.

Ähnlich positive Steuerungswirkungen haben auch Zuzahlungen bei gesetzlich Versicherten: Die separate Praxisgebühr im ärztlichen Notfalldienst hat zu einem deutlichen Rückgang in den Notfallambulanzen geführt, ohne daß ein einziger Fall von Schaden bekannt wurde. Ähnliches gilt auch für die Praxisgebühr, bevor ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist (siehe auch den Kommentar in der SZ, ich glaube am letzten Donnerstag oder Freitag). Deshalb müsste der Beitrag von Barthels eigentlich als Plädoyer für ausgeweitete Zuzahlungen im GKV-Bereich umgedeutet werden.

Diese sind allseitig erwünscht: Patienten behandeln Banalitäten eher selbst oder suchen den Rat ihrer Eltern, der Apothekerin oder warten einfach ab. Diejenigen, die zum Arzt oder Therapeuten gehen, werden deshalb dort mehr Zeit und Zuwendung des Arztes erhalten, weil die Praxen weniger mit trivialen Erkrankungen verstopft sein werden. Ärzte und Therapeuten werden einen höheren Punktwert für ihre Leistungen erhalten.

Zur Erinnerung: Momentan bleiben 20-30% der Leistungen in einer Hausarztpraxis für GKV-Patienten unhonoriert. Höhere Eigenbeteiligungen im GKV-Bereich sollten meines Erachtens so aussehen, daß die Praxisgebühr auf 15 Euro steigt und 10 Euro auch dann als reduziertere Praxisgebühr zu zahlen sind, wenn eine Überweisung vorgelegt wird."

Dieter Wettig Wiesbaden-Dotzheim

Mehr wert als Privatpatient

"Den Ausführungen in Ihrem Artikel über die Behandlung und der Stellung von Privatpatienten kann ich mich als Privatpatientin grundsätzlich durchaus anschließen. Dennoch muß ich in diesem Zusammenhang einen Vorfall schildern, von dem ich ebenfalls persönlich stark betroffen bin:

Meine Mutter, 77 Jahre und Kassenpatientin, ist vor kurzem in einem Münchener Krankenhaus an den Folgen eines schweren Apoplex, der sich während der OP ereignete, verstorben, weil notwendige Voruntersuchungen bzw. eine weitere medizinische Abklärung ganz einfach unterlassen wurden.

Trotz einer auch den Klinikärzten bekannten vorbestehenden Erkrankung, die ganz deutlich ein entsprechendes OP-Risiko bedeutete, wurden keinerlei Maßnahmen ergriffen. Dafür haben wir als Angehörige nicht mal eine vernünftige Erklärung erhalten.

Meine Mutter wurde also aus Schlamperei, Altergründen oder weil sie das Pech hatte, 'nur' Kassenpatientin zu sein, einfach ihrem Schicksal überlassen und soweit ich informiert bin, nicht einmal über das bestehende Risiko aufgeklärt. Ich möchte doch behaupten, dass dies einem Privatpatientin nicht so leicht passiert wäre!!

Also bleibe ich doch lieber Privatpatient, weil ich scheinbar 'mehr wert' bin und deshalb bei der Behandlung mit weniger lebensgefährlichen Nachteilen rechnen kann."

Doris Buschor München

© SZ vom 08.07.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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