Zugspitze: Jubiläumsgrat:Eine Überdosis Berg

Die Zugspitze ist für den Normalbergsteiger eine Herausforderung. Doch wenn er meint, auch noch den Jubiläumsgrat gehen zu müssen, kann es gefährlich werden.

Carsten Matthäus

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Die Tour beginnt beschaulich, von der Talstation der Alpspitzbahn bei Garmisch zur Höllentalanger-Hütte geht man rund zwei Stunden. Wir, zwei einigermaßen erfahrene Freizeitbergsteiger, sind schon am Abend vorher heraufgekommen. Schlecht haben wir in der Hütte geschlafen und für die Sanitäranlagen entschuldigt sich der Wirt persönlich.

Aber sei's drum, das befürchtete schlechte Wetter verzieht sich. Wir gehen los und haben uns viel vorgenommen: Rauf zur Zugspitze, einmal oben schlafen und dann über den Jubiläumsgrat zur Alpspitze.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Erfahrung, Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, das kriegen wir hin. Was jeder auf diese Tour mitnehmen sollte: Ein Klettersteigset bestehend aus Gurt und Sicherungskarabinern und einem Helm. Grödel (kleine Eiskrallen) haben wir auch im Gepäck, brauchen wir aber nicht. Eine Spaßtour, bei der man eben mal in Turnschuhen auf den höchsten Berg Deutschlands schlurft, ist dieser Weg ganz sicher nicht.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Wenn man genau hinsieht, erkennt man weit hinten wieder die Höllentalanger-Hütte. Das erste Stück unserer Tour ist ein einfacher Weg durch ein wunderschönes Tal. Gut zum Einlaufen, denn jetzt kommt's ...

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Am Rand des Tals beginnt die erste Klettersteig-Passage. Wirklich schwer ist sie nicht und außerdem gut gesichert. Hier kommt zum ersten Mal die Ausrüstung zum Einsatz. Kurze Zeit später laufen wir über das sogenannte Brett, eine schräge Wand über dem Höllental: Hier steigt man von Metallstift zu Metallstift. Für Klettersteigfans ein Genuss, wer aber da schon Angst bekommt, sollte besser umkehren - es kommt noch schlimmer.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Der Höllentalferner ist bei gutem Wetter und aufgefirntem Schnee eine nette Abwechslung ohne Schikanen. Ganz anders sieht es bei richtig schlechtem Wetter aus. Dann schneit es, man übersieht leicht eine Gletscherspalte, aus der einen die Bergrettung erst zwei Tage später zieht - so geschehen Ende Juni 2007 (der Mann hat glücklicherweise überlebt). Tritt hingegen bei gutem Wetter das blanke Eis hervor, geht hier nichts mehr ohne Steigeisen.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Unten Höllentalferner, oben ein langer, langer Klettersteig. Die letzten fünfhundert Höhenmeter bis zum Gipfel sind ein gutes Stück Arbeit. Gefährlich wird es nicht, wenn man gesichert läuft, aber es braucht seine Zeit. Und leider gibt es jedes Wochenende genug Leute, die sich ordentlich verschätzen. Wer nach 16.45 Uhr oben ankommt, dem bleibt nur das Nachtlager auf dem Münchner Haus.

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Kurz vor dem Gipfel tauchen wir in eine Nebelwolke ein. Aus dem Erinnerungsfoto vor Bergkulisse wird nichts. Wer die letzten Meter zur Zugspitze heraufschnauft, sollte sich mental darauf vorbereiten, von grinsenden Turnschuh- und Badelatschen-Touristen empfangen zu werden, die einen wortlos angaffen oder zu gemeinsamen Fotos zwingen wollen. Nehmen Sie das sportlich - die Hütte ist nicht mehr weit!

Noch eine Bemerkung zur Hütte: Wenn es blöd kommt, und viele oben bleiben müssen, werden die Betten doppelt belegt. Für uns kommt es blöd. Wir sind zwar schon um zwei Uhr nachmittags oben und haben unseren Schlafplatz gesichert, die Hütte - ausgelegt auf 23 Schlafstätten - platzt dann aber wegen der vielen Nachzügler aus allen Nähten.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Auf der Hütte zu übernachten, ist eine Pein. Wegen der drangvollen Enge hat eine bayerische Schnaufsäge ihren rasselnden Ausgang direkt an meinem Ohr, so dass selbst meine Ohrstöpsel - ein Muss in jeder Hütte - mitvibrieren. Und die Höhe hilft auch nicht gerade beim Einschlafen. Also nochmal schlecht geschlafen und viel zu früh aufgestanden. Die Entschädigung dafür: der Zugspitzgipfel, morgens um fünf.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Auch wenn wir noch ein wenig steif sind und uns der erste Kaffee dringend fehlt, ist die Ruhe und die Rundumsicht, das Licht- und Schattenspiel auf den Bergketten atemberaubend. Wir haben Glück: Nebel war gestern, der Deutsche Wetterdienst, der ja hier oben auch zu Hause ist, sagt stabiles Wetter voraus. Und wir sind früh dran, es ist zwanzig vor sechs. Deshalb beschließen wir, uns auf den Jubiläumsgrat zu wagen.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Der Jubliäumsgrat von der Zugspitze aus gesehen. Auf diesem Bild sieht man ihn ganz: Er führt vom rechten Bildrand bis zur Alpspitze, der einsame Gipfel in der Mitte des Bildes. Der Grat sieht einfach aus, ist es aber nicht.

Das erkennt man schon daran, dass er auf Wanderkarten gar nicht eingetragen ist. In Bergführern wird er sehr respektvoll beschrieben: "Hochalpine Gratüberschreitung in oft splittrigem, teilweise sehr exponiertem Felsgelände, vor allem wegen ihrer Länge berüchtigt".

Das hätte uns eine Warnung sein müssen.

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Doch vor sechs Uhr morgens glaubt man, alle Zeit und Kraft der Welt zu haben. Und die ersten Schritte auf dem Grat sind ein Traum. Rundherum wacht die Welt auf, in Südtirol sieht es nach Regen aus, München kann man auch schon einen Gruß zuwerfen. Wir gehen!

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Am Anfang haben wir ein leicht hysterisches Grinsen auf dem Gesicht. Auch wenn es links und rechts steil runter geht und weit und breit kein Drahtseil zum Festhalten da ist, es ist wenigstens nicht glitschig. Der Fels ist griffig, nur gelegentlich sitzt ein Brocken locker. Manchmal überfährt mich von hinten der Gedanke, dass jetzt nur ein falscher Schritt ... Gar nicht daran denken! Weitergehen!

Der Helm hat hier nur noch psychologischen Wert. Von oben kommt nichts, und wenn man runterfällt, hilft der Helm auch nichts mehr.

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Wir erinnern uns: "Tour in splittrigem, teilweise sehr exponiertem Felsgelände". Links oben im Bild, in der Realität rund 1600 Höhenmeter unter uns, können wir die Höllentalhütte sehen. Allerdings ist das jetzt kein heimeliger Anblick mehr. Es macht klar, wie wahnsinnig tief man hier fällt, wenn man fällt. Dieser Gedanke lässt einen nach gut zwei Stunden Jubiläumsgrat nicht mehr los.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Bilder erzählen ja mehr als Worte. Was Sie hier sehen, ist ein Bergsteiger, der eigentlich dachte, er hätte kein Problem mit Kletterpartien. Was Sie auch sehen, ist die alles andere als lockere Haltung.

Was Sie nicht sehen, ist der langsame, fast kriechende Gang abwärts und das Rasen des Herzens. Insgesamt sind rund 1600 Höhenmeter Abstieg zu bewältigen, etwa ein Viertel davon ist ähnlich nervenaufreibend.

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Hier liegt das eigentliche Problem der "Normalbergsteiger" am Jubiläumsgrat. Man muss zwar kein Kletterkünstler sein, aber man braucht unbedingt eine saubere Portion hochalpinen Trainings, bevor man den Grat geht. Sonst ist man viel zu langsam und es wird gnadenlos anstrengend. Das Zeitmaß von achteinhalb bis neun Stunden haben wir weit überschritten. Wir brauchen zwölf Stunden und schaffen es gerade noch zur letzten Talfahrt der Alpspitzbahn (17.30 Uhr).

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Auf dem Jubiläumsgrat: Von der Zugspitze zur Alpspitze

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Blick zurück zur Zugspitze. Wer mitten auf dem Jubliäumsgrat ist, erlebt ständig ein Verwirrspiel der Perspektiven: Immer länger wird das, was noch vor einem liegt und immer kürzer scheint die Strecke, die man geschafft hat. Mittendrin aufhören kann man übrigens auch nicht so einfach. Es gibt nur nach drei - in unserem Fall vier - Stunden Gratwanderung einen Notausstieg zur Knorrhütte.

Als wir bei der möglichen Abzweigung ankommen, geht es uns gerade ganz gut und wir beschließen weiterzugehen. Die Panikattacken werden weniger und so weit scheint es ja dann doch nicht mehr zu sein ... Ein fataler Irrtum, die nächsten acht Stunden führen mich über den Rand meiner Leistungsfähigkeit. Die letzten Meter zur Seilbahnstation laufe ich nur noch auf Autopilot und schlafe während der Talfahrt fast ein. Die Beine taten dann noch eine Woche lang weh von den Strapazen.

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Fazit: A. Nur wer körperlich absolut fit ist und über viel alpine Erfahrung verfügt, sollte überhaupt an eine Tour auf dem Jubiläumsgrat denken. Klettersteiggeher, die sonst nur im Büro sitzen, lassen besser die Finger davon.

B. Bei unbeständigem Wetter ist die Überschreitung des Jubiläumsgrates purer Wahnsinn.

C. Eine komplette Kletterausrüstung, um sich gegenseitig zu sichern, ist absolut empfehlenswert.

D. Der Jubiläumsgrat ist und bleibt lebensgefährlich, egal wie fit man ist - das belegen auch die jährlich wiederkehrenden Meldungen von Bergnot und tödlichen Abstürzen.

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© sueddeutsche.de
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