"Oh, I love it", ruft eine junge amerikanische Touristin, formt einen Schneeball und wirft ihn auf ihren Freund. Ihr scheint es nichts auszumachen, dass Schnee und dichter Nebel das atemberaubende Panorama verhüllen - eigentlich der Grund, weshalb die Besucher auf die Zugspitze strömen. Rund eine halbe Million Gäste pro Jahr stehen auf Deutschlands höchstem Gipfel.
Im Jahr 2009 - das sind derzeit die aktuellsten Zahlen der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG - lag der Anteil der ausländischen Touristen bei 37 Prozent. Zwar kam der Großteil von ihnen aus Europa, in den vergangenen Jahren ist aber vor allem die Zahl der Touristen aus arabischen Ländern immens gestiegen. Bis zu 10.000 arabische Gäste kommen in den Sommermonaten bis zum Ramadan jeden Monat.
Im August 2009 stammte sogar jeder vierte Tourist auf der Zugspitze aus einem arabischen Land. Für die Besucher aus Nahost wurde im Gletscherrestaurant mittlerweile ein Gebetsraum eingerichtet. "Es sind rührende Szenen, die sich manchmal abspielen", sagt Eva-Maria Greimel, Sprecherin der Zugspitzbahn. "Viele dieser Gäste haben noch nie echten Schnee gesehen."
Sie freuen sich besonders über die Schlitten, die auf dem Zugspitz-Gletscher kostenlos zur Verfügung stehen. Erwachsene und Kinder liefern sich dort Rodel-Wettrennen vor der Kapelle Maria Heimsuchung. Einst von Kardinal Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst, geweiht, ist sie die am höchsten gelegene Kirche Deutschlands - und damit auch ein beliebter Ort für Hochzeiten. "Geheiratet wird hier viel - gefeiert allerdings wenig", sagt Greimel. Dabei ist Platz genug vorhanden auf dem 2962 Meter hohen Gipfel, und das gastronomische Angebot ist so ausgebaut, wie man es bei rund einer halben Million Gästen im Jahr erwartet.
Auf dem etwas tiefer gelegenen Gletscher stehen zwei Restaurants, in der Bergstation gibt es eine Panorama-Lounge und den "höchsten Biergarten Deutschlands". Kellner Andrej Dukkardt arbeitet erst seit einigen Monaten dort. Er mag seinen luftigen Arbeitsplatz: "Hier gibt es eigentlich nur Touristen, und alle sind entspannt und meistens gut drauf", sagt der 26-Jährige. Vor allem von den vielen Japanern ist er beeindruckt. "Die kommen hier in Busladungen an, stellen ihre Stative auf und klick, klick, klick: 1000 Bilder in einer Minute." Schon am Vormittag bestellen die Gäste im Biergarten oder im Restaurant ein Helles oder ein Weißbier - zu tief ins Glas schaue dabei aber kaum jemand, sagt Dukkardt. "Und wenn doch, dann passiert das sicher kein zweites Mal. Zuviel Bier und Höhenluft - das ist schwer zu vertragen."
Die meisten Besucher sind Tagestouristen. Für wenige Gäste gibt es die Möglichkeit, die Nacht auf dem Dach Deutschlands zu verbringen. Seit der Mitte der 1920er Jahre hat die Familie von Hansjörg Barth das sogenannte Münchner Haus (im Bild) gepachtet, eine Berghütte des Alpenvereins. Barth ist Pächter in dritter Generation, er bietet Übernachtungen für 26 Euro an - im großen, aber gemütlichen Mehrbettzimmer. Aber die Bergsteiger-Szene habe sich verändert, sagt Barth und holt zwei Weißwürste aus dem heißen Wasser. "Die haben alle ein bisschen Höhenkoller." So etwas wie Hüttenromantik komme nur noch selten auf, die meisten Gäste blieben heute eher unter sich und mieden den Kontakt zu anderen Touristen. "Früher", sagt Barth in wunderbarem Oberbayerisch, "da war das anders."
Und tatsächlich geht es vielen Gästen wohl auch darum, einen Punkt auf ihrer "To do"-Liste abzuhaken: Zugspitze - erledigt. Das hat auch Eva-Maria Greimel so erlebt. Immer wieder beklagten sich Besucher über die hohen Preise. "Die sagen dann: Wir wollen doch einfach nur hoch und runter." Die günstigste Variante dafür ist die Zugspitz-Rundreise, sie kostet 48 Euro für einen Erwachsenen. Mit der Eibsee-Seilbahn geht es zur Bergstation, von dort mit der Gletscherbahn auf das Zugspitzplatt und dann mit der Zahnradbahn wieder runter ins Tal - oder anders herum. Elf Euro mehr kostet es, wenn ein zweiter Gipfel dazu gebucht wird.
Die Alpspitze zum Beispiel, wo kürzlich zwei Erlebnispfade eröffnet wurden und die Aussichtsplattform "Alpspix" (im Bild) tiefe Einblicke für Schwindelfreie bietet. Angebote wie diese sollen auch den Touristen-Andrang auf der Zugspitze etwas eindämmen - denn der ist groß.
An Spitzentagen mit mehr als 4000 Besuchern müssen diese stundenlang anstehen, um einen Platz in den Gondeln zu ergattern, auf der Aufsichtsplattform mit Blick auf das goldene Gipfelkreuz treten sich Touristen gegenseitig auf die Füße. "Das Bergerlebnis sieht eigentlich anders aus", sagt die Sprecherin der Zugspitzbahn, "doch diese Tage sind nicht die Regel."
Die Kombi-Angebote sollen Touristen auch auf die zahlreichen anderen beeindruckenden Ecken in direkter Nachbarschaft der Zugspitze aufmerksam machen - und das sei inzwischen auch ganz erfolgreich, sagt Greimel. "Es muss ja nicht immer die Zugspitze sein."