Zugmonitor-Analyse:Warum die Bahn zu spät kommt

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Im Winter ist die Bahn besonders unpünktlich? Am Abend sind mehr Züge spät dran? Liegt es an den vielen Baustellen? Viele Annahmen über die Pünktlichkeit der Bahn erweisen sich als nicht haltbar. Welchen Einfluss Wetter, Tageszeit und Wochentag den Statistiken zufolge haben - und welche Schuld die Bahn an den meisten Verspätungen trägt.

Von Wolfgang Jaschensky

Der 9. Dezember 2012 war ein mieser Tag für die Deutsche Bahn. Die Auswertung des SZ-Zugmonitors zeigt: So unpünktlich wie an diesem Sonntag war die Bahn an keinem anderen Tag im vergangenen Jahr. 80 Tage Verspätung fuhren die Fernzüge zwischen Flensburg und Freiburg nur an diesem einen Tag ein. Mehr als 40 Prozent aller Züge kamen am Ende unpünktlich an und wenn ein Zug verspätet war, dann durchschnittlich gleich eine halbe Stunde. Das alles sind Rekordwerte für die 365 Tage der SZ.de-Auswertung der Zugmonitor-Daten zwischen April 2012 und März 2013.

Warum aber war die Bahn ausgerechnet am 9. Dezember so unpünktlich? Wer den Tag im Zugmonitor nachverfolgt, sieht: Am Morgen ist noch alles im Ordnung. Um 7 Uhr fahren 85 von 106 Fernzügen pünktlich - eine Quote von 80,2 Prozent ( die Angaben werden im linken unteren Ende des Zugmonitors angezeigt) und damit ziemlich nah am Jahresschnitt der Bahn. Im Laufe des Tages wird der Zugmonitor immer röter - die Züge also immer unpünktlicher. Nach 13 Uhr fällt die Quote unter 50 Prozent, gegen 18 Uhr sind weniger als 30 Prozent aller Fernzüge pünktlich, später sogar unter 20 Prozent.

Wintervorbereitungen bei der Deutschen Bahn am 5. Dezember 2012: geholfen hat es nicht so viel, vier Tage später kam es zu Rekordverspätungen. (Foto: dapd)

Die Verspätungen bauen sich also über den Tag kontinuierlich auf. Die Vermutung liegt nahe: Ein verspäteter Zug verursacht weitere Verspätungen. Weil er einen nachfolgenden Zug aufhält. Weil er aus einer vorherigen Fahrt mit Verspätung beginnt. Weil andere Züge auf Reisende dieses Zuges warten müssen. Ein Blick in die von der Bahn für diesen Tag angegebenen Ursachen bestätigt die Vermutung: Etwa jede vierte Verspätung lässt sich an diesem Tag auf einen dieser Gründe zurückführen.

Doch das kann den Rekordtag nicht erklären, schließlich gilt die Logik "Verspätung verursacht Verspätung" an jedem beliebigen Tag. Entscheidend für die massiven Probleme am 9. Dezember dürften Schnee und Eis gewesen sein. 966 Mal gibt die Bahn "witterungsbedingte Störung" als Verspätungsursache an. Ein Blick in den Wetterbericht des 9. Dezember zeigt, dass es an diesem Tag in vielen Orten Deutschlands enorme Schneemengen gab. An diesem Rekordtag kam die Bahn also offenbar schlicht mit dem Winter nicht klar.

Ist das die Regel, dass die Bahn im Winter mehr Verspätung wegen Schnee und Eis hat? Oder hängt Unpünktlichkeit doch eher von der Tageszeit ab? Dem Wochentag? Ein Überblick über die zentralen Faktoren.

  • Faktor Wetter

Die durchschnittlichen Verspätungen variieren von Monat zu Monat erheblich ( siehe Grafik) - doch weitgehend unabhängig von der Jahreszeit. Anders als vielleicht zu vermuten ist, steigt die Zahl der Verspätungen im Winter nicht signifikant an. Im Monat Februar - im Jahresschnitt der kälteste Monat - gab es mit durchschnittlich 2,4 Minuten Verspätung nach dem April die geringsten Verspätungen. Der November liegt mit gerade mal 2,6 Minuten Durchschnittsverspätung zwischen den beiden unpünktlichsten Monaten Oktober (3,7) und Dezember (3,8). Auch der Blick auf die Verspätungen an einzelnen Tagen im Jahresverlauf zeigt: Ausreißer gibt es das ganze Jahr hindurch - auch wenn keiner so extrem ist wie der am 9. Dezember.

  • Faktor Wochentag

Freitag ist der Stresstag für das Netz der Deutschen Bahn: 547.000 Zugeinfahrten zählte der Zugmonitor im Jahresschnitt. Das macht sich offensichtlich auch in der Pünktlichkeit bemerkbar. Die liegt mit 3,1 Minuten deutlich über dem Schnitt ( siehe Grafik oben). Schlechter ist die Quote am Sonntag, obwohl hier deutlich weniger Züge verkehren als zwischen Montag und Freitag. Am pünktlichsten ist übrigens unterwegs, wer dienstags fährt.

  • Faktor Tageszeit

Wie kein anderer Faktor entscheidet die Tageszeit ( siehe Grafik oben), zu der Sie Bahn fahren, darüber, ob Sie pünktlich ankommen. Generell lässt sich sagen: Je später die Fahrt, desto wahrscheinlicher und größer die Verspätung. Ab 6 Uhr morgens bauen sich im Netz der Deutschen Bahn Verspätungen auf und setzen sich nahezu kontinuierlich bis Mitternacht fort (nur zwischen 9 und 10 Uhr wird es kurzzeitig besser). Während die Bahn zwischen 6 Uhr und 7 Uhr morgens fast durchweg pünktlich ist (1,09 Minuten Verspätung im Schnitt), sind Verzögerungen am Abend deutlich häufiger und massiver. Ab 16 Uhr liegt der Schnitt über 3 Minuten, nach 21 Uhr über 4 Minuten und nach Mitternacht schließlich bei fast 6 Minuten. In der Nacht kommt das System dann wieder in den Takt.

  • Faktor höhere Gewalt

Es gibt Verspätungen, für die die Bahn wenig oder nichts kann. Wenn ein Fahrgast einen Arzt braucht. Wenn die Polizei ermittelt. Oder wenn gewaltige Schneemassen die Züge bremsen. Die mit Abstand meisten Verspätungen lassen sich jedoch auf Ursachen zurückführen ( siehe Grafik oben), für die vor allem die Bahn verantwortlich ist. Die Top drei: Verspätung eines vorausfahrenden Zuges, technische Störung am Zug und Bauarbeiten. Letztere helfen immerhin, künftige Verspätungen zu verhindern.

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