Süddeutsche Zeitung

Züricher Luxushotel "Dolder Grand":Surreales Blendwerk

Lesezeit: 3 min

Fehlt nur noch ein Champagnerbad: Das Hotel "Dolder Grand" eröffnet und ganz Zürich will sehen, wie es so ist, im Reichtum zu leben.

Stefan Zweifel

Wenn nicht gerade die Musik von der Kunsteisbahn Dolder herüberklingt, ist es ein ruhiger Wald. Doch an diesem Tag hetzen viele Menschen den Hügel hoch und schwenken jäh vom Weg ab, an edel geschwärzten Bretterzäunen vorbei. Wie in einem Kino-Trailer prangt auf ihnen ein riesiges D mitten im Schriftzug - The Dolder Hotel.

Und das erlebt nun selbst seinen D-Day: die Landung eines Heeres von Menschen, ausgestattet mit Blitzlichtern, Videokameras und ein wenig Sozialneid.

Jeder will sehen, wie es so ist, im Reichtum zu leben. Dafür stehen sie über eine Stunde Schlange. In klirrender Kälte, die Leute schützen sich, nicht mit Zobel, sondern mit Powertex-Leuchtjacken und Billabong-Käppchen. Sie reden: Von Cervelats. Vom Bratwurststand am Bellevue.

Eine Dame klagt eingekeilt: "Mein Arm schmerzt." Ein untersetzter Mann antwortet: "Mein Darm auch." Was für ein sonderbarer Aufmarsch vor dem Grand Hotel Dolder - dem Wahrzeichen einer vergangenen Epoche, als Thomas Mann den Anblick einer strammen Wade von Kellner Franz Westermeier im Turmzimmer mit der Niederschrift seines Hochstaplers Krull sublimieren musste. Noch schlägt sie nicht, die Stunde der Hochstapler; es ist die Stunde des Volkes. Zehntausende quälen sich zur Vorbesichtigung durch die enge Eingangstür.

440 Millionen Franken Baukosten

Vor vier Jahren wurde die alte Einrichtung versteigert, 1000 Euro brachte allein Sophia Lorens Bett, ein Zimmer wanderte ins Landesmuseum. Dann gähnte eine Baugrube 18 Meter tief, der Altbau musste spektakulär mit Stahlkorsetten gestützt werden. "Mit einer Würstchenbude könnte man jetzt ein Höllengeld machen", sagt ein Mann in der Schlange, ohne das Bizarre der Szenerie zu begreifen: Der Neu- und Umbau hat 440 Millionen Schweizer Franken verschlungen.

Mit dem Projekt hat sich Urs E. Schwarzenbach einen Traum erfüllt und das verstaubte Grandhotel aus dem Jahr 1899 in die Gegenwart gerettet. Mit viel Design und einem Neubau, gebaut von Norman Foster, den der Unternehmer von St. Moritz mit dem Helikopter einfliegen ließ.

Flugs scheint der Architekt die Skizze zu einer ausladenden Trutzburg entworfen zu haben, kalt und abweisend wirkt sie vor dem heimeligen Märchenturm des Altbaus. Daran ändern auch die in die Gitter gefrästen Schemen von Bäumen nichts, die mit dem Wald verschmelzen sollen. Man blickt in die goldene Abendsonne und denkt: Ja, klein und käuflich wirkt die Welt von hier oben. Und klein und käuflich sind auch wir. Lassen uns mit dem Privileg abspeisen, einmal durch die hehren Hallen wandeln zu dürfen. Ein Privileg?

Mit einem Rutsch werden die Besucher in die Eingangshalle gespült. Ölgemälde signalisieren Altehrwürdigkeit, ein gelblich leuchtender Empfangstisch aus Onyx buhlt mit dem Lüster aus 130 Swarovski-Kristallen um Aufmerksamkeit. Die Teppiche und Böden sind mit Plastik geschützt, auch die Wände zwei Meter hoch abgedeckt. In jeder Nische nickt ein Hotelangestellter und weist die Leute freundlich weiter. Vorbei an der Library, durch schmutzige Hintertreppen, die ein paar Aufmuckende fotografieren, um ihren kritischen Blick hinter die Fassaden festzuhalten. Dann endlich der Blick in eine Suite, Sekunden nur - von hinten wird man weggeschoben.

Zwischen Edelhölzern verströmen weiße Lilien leichten Spermaduft in der Juniorsuite. Das Zimmer wirkt luxuriös und kalt wie eine Glanzseite aus einem B&O-Prospekt. Höchstens der Name des weißen Sofas von de Sede verweist mit etwas Phantasie auf Ausschweifung und Schwelgsucht. Wenig später blickt einen der Fitnesstrainer vor seinen Foltermaschinen strafend an. Das Schwimmbad lockt hinter einer Scheibe, scheint sich in die Stadt hinunter zu ergießen. Leuchtlampen zeigen die Schwimmspur an, draußen dampft ein Jacuzzi. Ein Champagnerbad, das fehlt jetzt noch.

Die Bar, klein und exklusiv, lockt mit "Jahrgangs-Vodka" zwischen Klunker-Flunker. Kerzen schweben in der Luft, Hunderte, wie auf einem surrealen Gemälde. Dann der Ballsaal, hier atmet sie noch, die stille Größe; die grünlich schimmernde Decke mit goldener Gitterstruktur bildet den Atemkristall einer Ewigkeitssekunde. Und schon wird man brutal geblendet: Mit echtem Blattsilber verkleidete Wände und Glitzergirlanden warten auf die Juwelen der Gäste in "The Restaurant". Wer hier übertreibt, kann sich im "Mind-Body-Studio" wieder ins Gleichgewicht bringen.

Sauna, Dampfbad und geheime Suiten wurden den Besuchern nicht gezeigt. Man geizt mit Einblicken. Dabei hatte man sich so gefreut auf die Carezza-Suite - "meine liebste", sagt Direktor Thomas Schmid. Dort kostet die Nacht 8000 Franken. Dafür gibt's, wie man der Presse entnehmen kann, "ein Marmorbad mit vergoldeter WC-Bürste: Inspiration Alberto Giacometti". Unbezahlbar, dieses Haus.

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Quelle:
SZ vom 29.3.2008
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