Süddeutsche Zeitung

Übernachtungs-Plattformen:Auf der Suche nach dem idealen Zimmer

Couchsurfing ähnle inzwischen einer Datingsite und bei Airbnb gehe es nur noch ums Geld, schimpfen viele. So entstehen immer mehr spezielle Unterkunfts-Plattformen für jeden Geschmack. Ein Überblick.

Von Sebastian Niemetz

Nach seiner ersten Reise als Couchsurfer war Hubert Laurant ein wenig enttäuscht. Der damalige Student hatte sich zwar das Geld für ein Hotel gespart, aber dafür war die private Unterkunft, die er gemietet hatte, ziemlich ungemütlich. Sein Gastgeber hatte kaum Zeit für ihn, er fühlte sich in der fremden Stadt verloren. Und weil das Essen dort sehr teuer war, fiel der Trip am Ende gar nicht so günstig aus. Verreisen könne viel gastfreundlicher und günstiger sein, war sich der junge Franzose sicher.

Mittlerweile bieten vor allem Start-ups immer mehr Alternativen zu den etablierten Anbietern und fokussieren sich auf Nischen in der digital vermittelnden Unterkunftsbranche. Die Plattform Kidandcoe.com macht zum Beispiel private, kinderfreundliche Unterkünfte in höheren Preisklassen buchbar. Andere Seiten wiederum spezialisieren sich auf bestimmte Berufsgruppen, wie etwa Hostwriter.org, auf der sich Journalisten und Autoren vernetzen und gegenseitig austauschen, aber auch Unterkünfte für Recherchereisen anbieten können. Andere Start-ups wie Noirbnb.com oder Innclusive.com arbeiten an Apps, die ein sicheres und diskriminierungsfreies Vermieten von Unterkünften speziell für Menschen mit dunkler Hautfarbe ermöglichen sollen.

Eines der Angebote versammelt Unterkünfte, die nach bestimmten ökologischen Kriterien arbeiten

Auch Laurant entschied sich, zusammen mit zwei Freunden ein Start-up zu gründen. Der Übersetzer erkannte während seines Linguistik-Studiums, welche ungenutzte Ressource hinter Couchsurfen schlummerte: "Um eine Sprache fließend zu lernen, sollte man längere Zeit an einem Ort verbringen, wo diese gesprochen wird. Das ist aber für viele Menschen nicht immer möglich. Warum also nicht reisende Muttersprachler für ein paar Tage oder Wochen direkt zu sich nach Hause einladen?"

Kurz darauf startete er im März 2016 das soziale Netzwerk Talktalkbnb.com. Ganz im Sinn der Sharing Economy können sich die Nutzer der Plattform vernetzen und Dienste austauschen. Die Reisenden dürfen in den angebotenen Unterkünften kostenlos übernachten und sollen einen authentischen Einblick in das Leben der Einheimischen bekommen, während die Gastgeber zwanglos daheim oder beim gemeinsamen Weggehen Fremdsprachen mit Muttersprachlern üben können.

Der Erfolg der Idee sei überwältigend gewesen, sagt Laurant. Allein in den ersten sieben Monaten hätten sich 18 000 User in dem Netzwerk angemeldet. Mittlerweile kann man mehr als 3500 Angebote aus mehr als 100 Ländern auf der Seite finden. Damit sei man natürlich keine Konkurrenz für die großen Anbieter, die im Jahr Inserate im Millionenbereich verzeichnen, sagt Laurant. Aber man fülle eine wichtige Nische aus und reagiere auf die Kritik vieler Nutzer: "Couchsurfing ist schon fast zu einer Datingsite mutiert, und bei Airbnb geht es oft nicht mehr um die ursprüngliche Idee der Gastfreundschaft, sondern nur noch um Business", meint Laurant.

Über die Seite Ecobnb.com können Reisende speziell nach umweltfreundlichen Unterkünften in Europa suchen. Dem italienischen Webdesigner und Ökologen Simone Riccardi ist auf einer Geschäftsreise vor ein paar Jahren aufgefallen, dass es noch kein Netzwerk gab, das eine leicht zugängliche Übersicht über grüne Übernachtungsmöglichkeiten bot.

Mit Ecobnb entwickelte er 2014 eine Seite, auf der kommerzielle und private Anbieter nachhaltige Unterkünfte vermieten können. Voraussetzung für einen Gastgeber ist, dass die angebotene Unterkunft mindestens fünf von zehn sogenannten "Eco-Standards" erfüllt.

Diese Standards wurden von dem Unternehmen selbst aufgestellt und können zum Beispiel die Benutzung von umweltfreundlichen Putzmitteln, die Deckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien oder ein hohes Level von Abfallrecycling sein. Monatlich hat die Plattform mit Sitz in Italien etwa 200 000 Besucher. Die meisten Inserate sind von Hotels und Hostels - die Anzahl der privaten Vermieter ist laut Riccardi jedoch am Wachsen. Mittlerweile kommen die meisten Angebote neben Italien aus Deutschland. "Wir haben schnell gemerkt, dass die Deutschen sehr interessiert an grünen Themen sind."

Manchmal stehen Reisende vor verschlossenen Türen, weil der Gastgeber homophob ist

Eine etwas andere soziale Reise-App hat das Start-up Wimbify entwickelt. Sie bietet Services, die den Fokus auf Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle legen. "Mit Wimbify kann man reisen, Gleichgesinnte treffen und sich sicher fühlen, wohin man auch geht", erklärt Gerardo Abate, Community Manager des Unternehmens, das Firmensitze in San Francisco und Mailand hat. "Bei anderen Apps weiß man nie genau, wer einen zu sich einlädt. Es ist schon vorgekommen, dass man vor verschlossener Tür stand, weil der Gastgeber homophob war."

Die Angebote von Wimbify nennt der Italiener "travel sharing", weil gleich mehrere Apps in einer zusammengelegt wurden. So kann man auf Wimbify Unterkünfte anbieten und mieten, aber auch Städte-Guides für die lokale Schwulen- und Lesbenszene finden. Eine Carsharing-Funktion bietet die App auch. Wimbify startete Anfang 2016 und hat seitdem 6000 Nutzer erreicht. Bis Dezember soll die Zahl auf 20 000 anwachsen. "Laut neuesten Berechnungen sind weltweit etwa 60 Millionen Menschen, die jährlich reisen, schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell. Unser Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren 250 000 dieser Reisenden als User zu erreichen", so Abate.

Das mag nach viel klingen, doch die Zukunftsvision des Teams um Gerardo Abate ist noch größer: "Unser Traum ist es, eines Tages in einer Welt leben zu können, in der Apps wie Wimbify gar nicht mehr nötig sind."

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016
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