Zerstörte Kulturschätze nach Erdbeben:Was Nepal verliert

Lesezeit: 3 Min.

Eine Buddha-Statue in Bhaktapur, umgeben von Schutt. (Foto: Omar Havana/Getty Images)
  • Das Erdbeben von Nepal ist eine Katastrophe auf allen Ebenen: Während wohl Tausende Tote zu beklagen sind, werden auch die Schäden an Kulturschätzen deutlich, die teils zum Unesco-Welterbe zählen.
  • Die Denkmäler waren kulturell wie wirtschaftlich von unschätzbarem Wert.
  • Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt und stark vom Tourismus abhängig - die Zerstörungen könnten so auch langfristig schlimme Folgen für die Überlebenden haben.

Von Irene Helmes

Nepals unersetzliches Kulturerbe in Trümmern

Es ist ein vielfältiger Schmerz, den die Menschen in Nepal am ersten Tag nach der Erdbebenkatastrophe aushalten müssen. Die Trauer um die Toten, die Angst vor Nachbeben, die Furcht um diejenigen, von denen es noch keine Nachricht gibt - und das Wissen, dass ein Teil der eigenen Geschichte in Trümmern liegt. Wenn es Reichtum gibt in dem bitterarmen Land im Himalaya, dann ist er vor allem kultureller Art. Sieben Denkmalkomplexe allein im Tal von Kathmandu zählt die Unesco zum Weltkulturerbe. Doch tektonische Verschiebungen sind gnadenlos und lassen solche Schätze ebenso einstürzen wie alles um sie herum. Es habe offenbar große Schäden an "Nepals unersetzlichem Kulturerbe" gegeben, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Über viele Jahrhunderte schufen Hindus und Buddhisten in Nepal Tempelanlagen und Paläste, die Kunsthistorikern heute als einmalig gelten. An ihnen lässt sich ablesen, wie sich die Religionen und Kulturen im Land beeinflussten und vermischten. Vor allem aus der Zeit der Königreiche der Malla-Dynastie vom 12. bis 18. Jahrhundert sind Gebäude erhalten. Viele Geschichten und Legenden ranken sich um sie, Traditionen werden bis heute am Leben gehalten.

Eingestürzte Pagoden und Türme

Noch am 14. April wurde in Bhaktapur das Sindur Jatra Festival gefeiert. (Foto: AP)

Jahrhundertelang war Bhaktapur, "die Stadt der Frommen", etwa 15 Kilometer östlich von Kathmandu, die Hauptstadt des Malla-Reiches. Sie gilt als Stadt der Künste, bekannt für ihre Pagoden und Holzschnitzereien. Noch Mitte April feierten hier Einheimische und Touristen mit dem Sindur Jatra Festival ausgelassen das neue Jahr und bestäubten sich gegenseitig mit leuchtend rotem Puder. Erste Bilder nach dem Beben zeigen von dort nun schlimme Zerstörung.

Bhaktapur am Tag nach dem Beben. (Foto: AP)

In Kathmandu stürzte unter anderem der neunstöckige Dharahara-Turm in sich zusammen und begrub Dutzende Menschen unter sich. Der Turm war im frühen 19. Jahrhundert ursprünglich als Wachturm errichtet worden und in den vergangenen Jahren als Aussichtspunkt für Touristen beliebt.

Besonders geschichtsträchtige Orte konzentrieren sich in der Hauptstadt um den Durbar-Platz, der Hanuman-Dhoka-Palast ist einer der berühmtesten. Seit dem 16. Jahrhundert war er immer wieder erweitert worden - Könige lebten hier mit ihren Familien, bis sie 1886 ein neues Domizil wählten. Auch vom Hanuman-Dhoka-Palast werden nun große Schäden berichtet.

Der Tempel der Kumari ist offenbar teilweise zerstört. Hier verehren Gläubige die Kumari, ein Mädchen, in dem sie die Inkarnation der hinduistischen Göttin Taleju sehen. Auch vom Maju Dewal Tempel, erbaut im späten 17. Jahrhundert, ist nur noch ein Trümmerhaufen übrig. Ein australischer Reporter vor Ort twitterte vom Durbar-Platz Vorher-Nachher-Bilder:

Auch der Tempelkomplex Swayambhunat im Westen von Kathmandu soll stark beschädigt sein, hier habe allerdings immerhin die Stupa, ein turmförmiger Bau, der Buddha darstellt und auf den symbolisch dessen Augen gemalt sind, die Erschütterung überstanden. Auf dem Durbar Platz von Patan (auch Lalitpur genannt) im Süden Kathmandus steht dagegen ersten Bildern nach kaum noch etwas von den kunstvoll verzierten Pagoden und Tempeln. Die Unesco bemüht sich derzeit um einen umfassenden Überblick und versucht unter anderem herauszufinden, wie es um die Weltkulturerbestätte Lumbini rund 280 Kilometer westlich von Kathmandu steht, die als Geburtsort Buddhas gilt.

"Ein irreparabler Verlust für Nepal und den Rest der Welt"

Nach Angaben des World Travel & Tourism Council aus dem vergangenen Jahr schafft der Tourismus direkt und indirekt Arbeit für weit mehr als eine Million Menschen im Land, zuletzt mit deutlich steigender Tendenz. Das ist enorm wichtig, da die Arbeitslosigkeit insgesamt extrem hoch ist und andere Wirtschaftszweige große Schwierigkeiten haben. Tourismus-Verantwortliche hatten in den vergangenen Jahren verstärkt versucht, nicht nur Bergtouristen, sondern auch Kulturinteressierte auf Nepal aufmerksam zu machen - besonders aus wohlhabenderen asiatischen Staaten wie China und Indien.

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Das bislang schwerste Beben in Nepal fügte 1934 ebenfalls vielen Denkmälern schwere Schäden zu - doch sie konnten schließlich wieder so instand gesetzt werden, dass die Unesco sie als Welterbe anerkannte. Was diesmal zu retten ist, ist weniger als 24 Stunden nach der Katastrophe kaum zu sagen. Der Experte P.D. Balaji von der indischen Universität Madras äußerte Zweifel, dass die Gebäude jemals wieder vollständig aufgebaut werden könnten: "Es ist ein irreparabler Verlust für Nepal und den Rest der Welt." Die Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa kündigte in einem Statement derweil an, ihre Organisation werde Nepal beim Wiederaufbau der Kulturschätze helfen.

© SZ.de/mit Material von dpa und AFP/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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