Süddeutsche Zeitung

Zederberge in Südafrika:Abwarten und Teetrinken

Die abgelegenen Zederberge im Westen Südafrikas sind das Reich der Ureinwohner, ihrer Felsmalereien - und nur hier gedeiht der Rooibos.

Viola Schenz

Der Wegweiser weckt Erwartungen: "Rechtzeitig volltanken, Reifendruck reduzieren, Höchstgeschwindigkeit 70km/h!" Die Straße führt zunächst durch eine menschenleere Hügellandschaft, hin und wieder stehen ein paar Kühe oder Schafe auf den braunen Feldern. Kurz hinter Clanwilliam, dem alten Handelsstädtchen und Eingangstor der Zederberge, hört der Asphalt auf. Nach 50 Kilometern über Schotterpiste, durch zerklüftete Natur und bizarre Sandsteinformationen ist man am Ziel: im Naturreservat Bushmans Kloof.

Die Besucher empfängt man mit eisgekühltem Rooibostee und dem Hinweis, dass es hier keinen Handyempfang gibt. Genau deswegen kommen die meisten Gäste: wegen der Abgeschiedenheit, wegen der Natur, wegen des Sternenhimmels.

"No heat, no crime"

Und auch, weil Südafrika hier anders ist. "No heat, no crime", beschreibt es Thandu, der Kellner von der Ostküste: keine Hitze, keine Verbrechen.

Bushmans Kloof ist ein junges Wildreservat im Western Cape. Die 75 Quadratkilometer Land einer ehemaligen Farm will man in ihren Urzustand versetzen: Tiere, die hier mal lebten, wieder ansiedeln, indigene Pflanzen fördern, fremde Gewächse roden. Ein Unterfangen, das Jahrzehnte dauern wird.

Die Zederberge sind eine Welt für sich: Nur hier, auf Sandboden mit idealem pH-Wert, in mindestens 1000 Metern Höhe, wächst die Clanwilliam-Zeder, die der Region den Namen gegeben hat. Nur hier gedeiht die Teepflanze Rooibos. Und nur hier gibt es noch die seltenen Kap-Bergzebras - und die meisten Felsmalereien Südafrikas. Hinterlassen haben sie die San, die Ureinwohner des südlichen Kontinents.

Der Zeder wurde ihr hartes Holz zum Verhängnis. Die Bäume waren lange Zeit als Baumaterial begehrt. Allein 7000 Zeder-Telefonmasten stecken heute in den Böden der Region. Nur noch wenige krumme Exemplare krallen sich an unzugänglichen Steilhängen fest.

Das Kap-Bergzebra haben Buren und Briten wegen seiner schönen Fellzeichnung fast ausgerottet. Weltweit zählt man nur noch 1600 Tiere, 43 davon grasen inzwischen auf Bushmans Kloof, die größte privat gehaltene Herde.

Seit 1973 stehen Zedern und Zebras und viele andere Pflanzen und Tiere unter staatlichem Schutz. In Bushmans Kloof werden hinter dem Obst- und Gemüsegarten Zedern aufgepäppelt. Ist einer der wertvollen Setzlinge groß genug, bekommt er zur späteren Identifizierung einen GPS-Chip implantiert und wird in die Berge verpflanzt.

Weil im vergangenen Jahrhundert auch alle Raubtiere verjagt wurden, kann man sich im Reservat gefahrlos alleine aufmachen zu Radtouren oder Felswanderungen. "Cairns", kleine Steinpyramiden, weisen den Weg.

Wer es lieber faul mag, den fährt Zenobia van Dyk, eine von sieben Field Guides, morgens und abends mit dem Jeep in die Natur. Weit kommt man mit ihr allerdings nicht - die 23-Jährige ist von jeder Pflanzen- und Tierart gleichermaßen begeistert. Alle paar Meter legt Zenobia eine Vollbremsung hin, hüpft vom Fahrersitz, hebt einen Stein auf oder bricht einen Zweig ab und erzählt von den Tricks der Natur: vom Metzgervogel, der Raupen fängt und sie an den Dornen der Karoo-Akazie aufspießt, um sie später als Dörrfleisch zu genießen; von den Fynbos-Sträuchern, die sich mit Bitterstoffen in ihren Blättern gegen Antilopen wehren; vom Straußenmännchen, das schwarzes Gefieder hat, weil es nachts brütet, und dem braun-grauen Weibchen, das tagsüber an der Reihe ist.

Die Schlucht der Buschmänner

Dann stoppt sie den Jeep auf einer kleinen Anhöhe, geht nach hinten, öffnet die Heckklappe und stellt Flaschen, Gläser, Macademia-Nüsse, Eiswürfel und Limonenscheiben darauf. Zeit für den Sundowner. Der Ort könnte nicht besser passen: milde Abendsonne, totale Stille, weiter Horizont. Kaum vorstellbar, dass man in dieser felsigen Hügellandschaft lange Jahre Kartoffeln und Zwiebeln angebaut hat. Springböcke hüpfen mit durchgebogenem Rücken und gesenktem Kopf durchs hohe Gras.

Am nächsten Morgen führt Zenobia die Besucher durch Sträucherdickicht und Steinspalten zu dem Ort, nach dem Bushmans Kloof - die Schlucht der Buschmänner - benannt ist. Menschliche Figuren mit breiten Schultern und klobigen Waden sind hier mal daumenklein, mal armlängengroß in Rostrot und Schwarz auf einen Felsüberhang gemalt, daneben eine Elefantenherde.

135 Stellen mit Felsmalereien der San hat man bisher gefunden, sie machen das Reservat zur Freiluftgalerie. Manche Malereien reichen mehr als 10.000 Jahre zurück, so viel weiß man, aber die meisten sind schwer zu datieren und ebenso schwer zu deuten. Zu wenig ist überliefert von der Kultur der San, dieser schmächtigen Jäger mit der ockerbraunen Haut, die das südliche Afrika lange für sich hatten, bis Bantu-Stämme aus dem Norden und Siedler aus Europa sich hier neuen Lebensraum eroberten. Heute leben nur noch 100.000 San über das südliche Afrika verstreut.

Erst seit Beginn dieses Jahrtausends erwacht in Südafrika ein Interesse am Schicksal der San. Bushmans Kloof hat 2004 ein Forschungszentrum gegründet und einen Archäologen eingestellt. Siyakha Mguni wertet die Malereien aus, katalogisiert sie, hält Vorträge und Seminare für Besucher. Ein kleines Museum im Haupthaus zeigt Jagdgegenstände, Musikinstrumente und Straußeneier-Schmuck der San.

Ordentlich in Zweierreihen

Ganz langsam entdecken Forscher wie Mguni den Erfindungsreichtum, mit dem die San in dieser unwirtlichen Gegend überleben konnten, ihr Wissen um Tiere, Kräuter und Pflanzen wie den Rotbusch, der auf dem Reservat wild wächst.

Knapp 70 Schotterstraßen-Kilometer weiter östlich stehen die Rotbüsche großflächig und ordentlich in Zweierreihen. Chris du Plessis ist der Rooibos-Kenner rund um Clanwilliam, dem Zentrum des Anbaugebiets. Ein ruhiger, hagerer Mann mit grauem Vollbart, der schon alle möglichen Berufe hatte, bevor er sich vor sieben Jahren in die Einsamkeit dieser Bergwelt zurückzog, einen botanischen Garten anlegte und sich den Besonderheiten des Rooibos verschrieb. Sein Schwager betreibt nebenan eine Teefabrik.

Der Rotbusch wächst ausschließlich in der Gegend um Clanwilliam. Alle Versuche, ihn in anderen Regionen Südafrikas, gar in anderen Ländern anzupflanzen, schlugen fehl. Zur Freude der hiesigen Teebauern. Das natürliche Monopol und die anhaltende Nachfrage bescheren weißen und schwarzen Kleinbauern in dieser eher ärmlichen Gegend endlich ein zuverlässiges Einkommen.

Seit ein paar Jahren ist Rooibos ein Modetee in Europa. 90 Prozent der Ernte gehen ins Ausland, davon 60 Prozent nach Deutschland. "Die Deutschen sind sehr gesundheitsbewusst", erklärt sich Chris dieses Phänomen. Wenn man ihn nach der Heilkraft fragt, weiß er gar nicht, wo er anfangen soll: kein Teein, keine bitteren, magenreizenden Gerbstoffe, hilft bei Allergien, Heuschnupfen, Asthma und Darmbeschwerden.

Chris führt durch die Produktion. Geerntet wird die obere Hälfte der rötlichen Zweige mit den grünen Nadeln. Sie werden aussortiert und gehäckselt, auf einem großen Platz ausgebreitet, mit Wasser übergossen und mit Traktoren abwechselnd plattgewalzt und durchgepflügt. So kann der Zellsaft austreten, mit Sauerstoff reagieren, also fermentieren. Die Splitter färben sich rostrot. Wasserdampf sterilisiert sie, das ersetzt Konservierungsstoffe.

Dann verschwindet der Tee in mülltonnengroßen Papiersäcken. Am Ende der Produktionshalle bugsiert ein halbes Dutzend Arbeiter die Paletten mit den prallen Säcken in einen Schiffscontainer. Ein Lastwagen bringt ihn nach Kapstadt, am nächsten Tag geht es Richtung Rotterdam.

Dort, in Europa, regiert der Mythos des Buschtees. San-Malereien und Sonnenuntergangs-Bilder auf den Teeschachteln beschwören ihn. Rooibostee wird clever vermarktet als Erfindung der San, wer ihn kauft, tue sich und der Welt etwas Gutes.

San, die sich Tee brühen - bei dieser Vorstellung muss Chris lachen. "Die San haben die Rooibospflanze zerrieben auf Wunden gelegt, aber sie haben keinen Tee daraus gemacht." Die Idee dazu hatte 1904 Benjamin Ginsberg, ein russischer Einwanderer aus einer Teehändlerfamilie, der den San die Nutzung als Heilpflanze abschaute.

Bis heute gilt Rooibos in Südafrika als Arme-Leute-Tee, als Getränk derjenigen, die sich die teuren Importe aus Indien nicht leisten können. Zu Apartheidzeiten war er aber nie der Tee der Unterdrückten, der San oder der Schwarzen, sondern der Unterdrücker, der Buren. In südafrikanischen Supermärkten zeigen die Verpackungen teeselige weiße Familien.

Informationen:

Anreise: Ab Kapstadt 270 Kilometer gen Norden, mit Mietwagen dreieinhalb Stunden; die letzten 34 Kilometer bis zum Eingangstor des Reservats sind Schotterstraße, die derzeit geteert wird. Dann noch einmal gut zehn Kilometer Schotterstraße bis zur Lodge.

Unterkunft: Bushmans Kloof gehört zur Hotelvereinigung Relais&Chateaux. Das Reservat bietet Zimmer und Chalets mit insgesamt 32 Betten in unterschiedlichen Kategorien, beginnend bei R 1400 (derzeit ca. 130 Euro) pro Person/Nacht bei Vollpension, alle Ausfahrten und Aktivitäten inclusive. Es gibt weder Malaria noch Raubtiere.

Chris du Plessis bietet neben Rooibostouren auch Zimmer, www.elandsberg.co.za

Weitere Auskünfte: www.clanwilliam.info, www.bushmanskloof.co.za In Deutschland: www.tcafrica.de

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Quelle:
SZ vom 31.12.2009/1.1.2010/dd
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