Gasteinertal im Salzburger Land:Om und unten

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Man kann es überall tun, aber in den Bergen ist es halt besonders schön - auch wenn das manche Traditionalisten nicht verstehen.

(Foto: imago/Westend61)

Yoga-Schüler treffen auf Wanderer - da prallen in Österreichs Bergen Welten aufeinander. Nur: Wer bleibt gelassener?

Von Dominik Prantl

Irgendwo pfeift ein offenbar gestörtes Murmeltier, am Horizont sind die noch weißen Dreitausenderspitzen der Ankogelgruppe und der Hohen Tauern sehen; tolle Kulisse jedenfalls. Klara Michel aber schließt die Augen, faltet die Hände vor der Brust und sagt, was Yogalehrer in solch einer Situation so sagen: "Genießt die Stille." Die Stille währt leider nur kurz, weil in diesem Moment ein Tandemgleitschirmflieger über den Stubnerkogel und die Aussichtsplattform mit den Yogajüngern hinweg fliegt und dabei einen Juchitzer ausstößt, der wohl noch drüben in den Hohen Tauern zu hören ist. Klara Michel tut das, was Yogalehrer beim Stille genießen sonst eigentlich nicht tun: Sie lacht.

Die Berge sind nun mal kein Yogazentrum, auch wenn in den vergangenen Jahren so einiges in diese Richtung unternommen wurde. Die Yogastunde auf dem Stubnerkogel ist Teil der Yogatage Gastein, die unter dem Slogan "Atme die Berge" bereits seit dem Frühling 2014 stattfinden und laut den Gasteiner Tourismuswerbern "zur größten Veranstaltung dieser Art in Europa herangewachsen sind". Wobei man langsam die Übersicht über die Veranstaltungen dieser Art verlieren könnte.

© www.creatina.at; Reise

Man kann es überall tun, aber in den Bergen ist es halt besonders schön - auch wenn das manche Traditionalisten nicht verstehen.

(Foto: imago / Westend61)

Als Yogi ließe sich dank all der Retreats, Events und Festivals mit ziemlicher Sicherheit alleine in den österreichischen Alpen eine ganze Saison auf den Bergen - oder zu deren Füßen - absolvieren.

Im Winter gibt es dann Yoga in Verbindung mit Skifahren: genannt Skiyo

So lädt beispielsweise die Olympiaregion Seefeld diese Woche zu den ersten Yoga- und Naturtagen ein. Mitte August wäre dann auf der Muttekopfhütte in den Lechtaler Alpen ein Kletteryoga mit "Yoga on the Rock" angesagt, wobei längst auch andere Hütten wie die Ravensburger oder die Neue Bonner ihre Gäste häufiger mit Matte und Meditation als mit Klettergurt und Karabiner locken. Von 31. August bis 3. September geht es dann zur zweiten Auflage des Yoga Mountain Festivals nach Sankt Anton am Arlberg, bevor im Gasteinertal die herbstlichen Yogatage - dann unter dem Slogan "Quelle der Inspiration" - die Sommersaison beenden.

Der Deutsche Alpenverein hat das Programm ebenso um die horizontale Komponente erweitert wie diverse Bergreiseveranstalter, selbst die wohl bekannteste Spitzenbergsteigerin der Welt, Gerlinde Kaltenbrunner, wirbt heute für Yoga-Kurse in Kärnten und im Salzkammergut. Und weil der Winter vor den Bergen genauso wenig Halt macht wie die indische Lehre, gibt es den Spaß auch in Verbindung mit Skifahren, was sich neudeutsch dann Skiyo nennt.

Skiyo ist jetzt freilich sehr weit weg, selbst hier auf 2250 Metern herrscht trotz des leichten Windes T-Shirt-Wetter. Von der eher selten meditativen Wintersaison ist wohl nur noch der junge Bergbahnmitarbeiter übrig, der beim Anblick der Yogamatten eher mitleidig als verwundert den Kopf schüttelt. Selbst Journalisten, denen berufsbedingt der Drang innewohnt, jeden Hype - egal ob fernöstlich oder US-amerikanisch - grundsätzlich doof zu finden, stellen das Kopfschütteln bald ein. Das hat auch mit Yogalehrerin Klara zu tun.

Info

Anreise: Am besten mit dem Zug nach Bad Hofgastein oder Bad Gastein, beispielsweise direkt von München in gut drei Stunden ab 19 Euro, www.bahn.de, www.oebb.at

Unterkunft: Das Bismarckhotel in Bad Hofgastein bietet während der Yogatage tägliche Yogaeinheiten, sonst zweimal wöchentlich, Übernachtung im DZ mit Gourmet-Halbpension ab 103 Euro pro Person, www.hotel-bismarck.com

Yogatage: Von 20. bis 29. Oktober wird der Yogaherbst Gastein stattfinden, Programm und Pauschalen (z. B. drei Übernachtungen, ein Tag Yoga-Pass ab 114 Euro pro Person), www.yoga-gastein.com

Weitere Auskünfte: Gasteinertal Tourismus GmbH, Tel.: 00 43 / 64 32 / 339 30, www.gastein.com

Die wollte zwar schon als Kind lieber meditieren als Fleisch essen, bringt aber dennoch nicht jene Missionierungsmentalität auf die Matte, die One-Way-Ticket-Indienreisenden wie ihr gerne nachgesagt wird. Sie fordert, ohne zu überfordern, sie bestimmt, ohne überstimmen zu wollen.

Klara startet mit Achtsamkeitsmeditation, geht über zur durchaus mit Doof-find-Potenzial ausgestatteten Wechselatmung Nadi Shodana. Danach: Yogaflow, leichte Rückbeugen, Kriegerhaltungen, Adlerarme. "Ich habe die Übungen schon an die Berge angepasst", wird Klara Michel später sagen. Dabei sind die Berge nicht Klaras Welt. Als sie sich umdreht und in die Tiefe blickt, schluckt sie kurz, lacht und dreht sich schnell wieder um. "Hab ein wenig Höhenangst." Klara stammt aus Kiel.

Wanderer, die über Yogamatten latschen

Auch wenn einige der Veranstaltungen auf dem Stubnerkogel, in der Felsentherme und am Wasserfall von Bad Gastein stattfinden, haben die meisten der insgesamt etwa 300 Yogaeinheiten bei den Gasteiner Yogatagen nicht direkt etwas mit Bergen zu tun und auch nur selten mit dem Gasteinertal. Das liegt in der Natur der Sache, denn Yoga braucht, anders als das Bergsteigen, kein Relief und auch keine aufwendige Infrastruktur wie all die Wellnessanwendungen und Therapieangebote.

Dafür ist es "wetterunabhängig, saisonunabhängig, altersunabhängig", wie Elfi Mayr sagt, die Initiatorin der Gasteiner Yogatage. Letztlich ist es damit gleichzeitig destinationsunabhängig und irgendwie austauschbar, auch wenn dem heilklimatischen Kurort der Gesundheitsaspekt schon wichtig gewesen sei, wie Mayr betont. "Es ist deshalb auch kein typisches Szenetreffen."

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Elfi Mayr weiß als Herausgeberin des österreichischen Szenehefts Yoga Guide durchaus, was Yoga für Blüten treibt: "Ziegenyoga habe ich auch nie verstanden." Wenn man das richtig versteht, sollen die Ziegen dabei zwischen den Matten herumstreunen, bei Übungen wie dem Herabschauenden Hund auf der Matte unter einem durchkriechen oder bei der Kobra sogar auf den Hintern hüpfen. Das klingt logisch, weil die Tiere eine therapeutische Wirkung haben, die sich natürlich nur beim Yoga voll entfalten kann. Der Trend kommt aus den Staaten, wie so vieles vollkommen Verrücktes. Andererseits: Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass man heute für eine Yogastunde mit einem Steh-Paddel-Brett auf den See fährt oder eben mit der Bahn auf einen Berg?

Außerdem ist das, was Klara Michel moderieren darf, inzwischen auch so eine Art Ziegenübung, auf jeden Fall "schon eher Yoga für Fortgeschrittene", wie die Freundin der Spiritualität später meint. Zwischen den Matten streunen inzwischen nämlich die Wanderer umher; zum Glück verzichtet Klara gerade auf Hund und Kobra.

Wer glaubte, dass Yogi und Bergwanderer wegen ihrer Suche nach Besinnlichkeit durchaus artverwandt sein könnten, darf nun feststellen, dass der Wanderer eher die Metzgermentalität in die von Vegetariern dominierte Welt mitbringt. Ein Yogi würde jedenfalls niemals dermaßen unachtsam auf die Matten latschen wie jene zwei älteren Bergmuffel, die daheim mit Sicherheit darüber meckern werden, dass die ganze Aussichtplattform von einer Gymnastikgruppe belegt war.

Es ist eben schon seit längerem so, dass der Alpentourismus im Sommer nicht mehr alleine vom Wandersmann lebt, und erst recht nicht vom reinen Kurgast. Letztlich war das auch der Grund, weshalb der Gasteiner Tourismuschef 2013 bei Elfi Mayr durchklingelte und ihr sinngemäß erklärte: Das Tal, das sich so lange auf den Kur- und Wandergast verlassen konnte, ist jetzt bereit für Yoga.

Das Tal war sogar so bereit für Yoga, dass es nur ein Jahr später zur ersten Auflage des Yogafestivals kam. Einige Hotels wie das Hirt, das Miramonte oder das Bismarck waren gleich von der ersten Stunde an dabei, aus Überzeugung. Für Mayr selbst war es sowieso auch eine Frage der Ehre. Sie war hier früher oft Skifahren gewesen, und ihr war es immer wichtig, "nichts Aufgesetztes zu machen".

Tatsächlich gibt es in der Welt der Berge wohl weitaus schlimmere Formen des Tourismus' als ein Dutzend Menschen, die in der Stille ihrer Übungen ein wenig nach innen hören. Das Murmeltier pfeift jedenfalls nicht mehr, der Gleitschirmflieger ist längst über alle Berge abgejodelt, nur auf manchen Matten sind jetzt große Bergschuhabdrücke.

Klara Michel, die Berufsentspannte, sagt: "Gib uns die Gelassenheit der Yogi, die Situation so zu nehmen, wie sie ist." Die grauhaarigen Bergmuffel schauen derweil gespannt von der runden Aussichtsplattform in die weite Welt der Berge, weil es da draußen auf den hohen Gipfeln sicher etwas geben muss, um die eigene Mitte zu finden.

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