Yachtbesuch in Edinburgh:Die Queen intim

Tränen vergoss Elizabeth II, als ihre Yacht Britannia zum letzten Mal vor Anker ging. Ausgerechnet in Edinburghs Stadtviertel Leith, das nicht erst durch den Film "Trainspotting" einen traurigen Ruf bekam. Wie sich die Zeiten ändern.

Verena Wolff

Auch das altehrwürdige Edinburgh hat seine Schmuddelecken. Leith war lange Zeit so eine. Das Hafenviertel vor den Toren der Stadt, wo der Ton rauer war, die Liebe käuflich und der Alkohol länger und reichlicher floss als in der Hauptstadt der Schotten.

Doch Leith hat sich gemausert - zu einem jungen, hippen Viertel. Denn die Jugend zieht aus Edinburgh weg. Ans Wasser. In stylisch umgebauten Lofts lässt es sich günstiger Leben als in der Stadt mit den vielen massiven Mauern. Und an der Waterfront lässt es sich ausnehmend gut feiern - so gut, dass sich sogar der Musiksender MTV Leith schon als Location für die Verleihung seiner MTV-Music Awards wählte.

Einst trieben schottische Kaufleute von dem Hafen mit dem direkten Seeweg zu Ostsee und Elbe Seehandel. Den Leithern - 1920 eingemeindet - brachten die Geschäfte bescheidenen Reichtum, der sich in den heruntergekommenen Häusern der einstigen Prachtstraße noch erahnen lässt. Als der Stern des Seehandels und der Werften sank, verfielen die Häuser. Drogenhandel, Prostitution und Aids dominierten das Viertel. Nirgendwo im Königreich litten mehr Kinder unter der Immunschwächekrankheit als in Leith.

Dann aber wurde gründlich aufgeräumt: den Heerscharen von Ratten ging es ebenso an den Kragen wie der Prostitution, aus den alten Lagerhäusern wurden schicke Lofts. Cappuccino-Bars zogen genauso in die kleinen Läden entlang des Wassers wie Galerien und vorzügliche Restaurants, in denen die Köche vornehmlich Meeresgetier in sämtlichen Variationen auf das Designergeschirr zaubern.

Denn in Leith gilt, was auch in Edinburgh Bestand hat: die Küche, ob in den zahlreichen Pubs, Bars oder Restaurants, ist frisch und vielfältig - und lange nicht so Haggis-lastig, wie gern vermutet wird. Viel Fisch steht auf den Speisekarten, auch Vegetarier finden eine breite Auswahl leckerer Gerichte. So auch in den Lokalitäten im Ocean Terminal, wo italienisch und asiatisch Inspiriertes auf die Teller gezaubert wird - immer der Jahreszeit entsprechend mit Zutaten aus der Region.

Mit dem Terminal, einem hochmodernen Konstrukt aus Glas und Stahl, passend zur Umgebung nach dem Grundriss eines Kreuzfahrtschiffes, trug Terence Conran, britischer Stararchitekt mit Ritterschlag, seinen Teil zur Renaissance des Viertels bei.

Durch die Panoramafenster hat man einen hervorragenden Blick auf ein ausgemustertes Juwel der königlichen Familie: die Royal Yacht Britannia. Das letzte königliche Schiff in einer langen Ahnenreihe hat hier seine letzte Ruhe gefunden.

Doch - Ruhe? Bald marschiert der dreimillionste Neugierige über die täglich geschrubbten Teakholz-Decks. Er wird, wie die mehr als 250.000 jährlichen Besucher, königliche Nachtkästchen inspizieren und auf der Brücke stehen, von der aus der Kapitän die Royals auf Kurs gehalten hat.

Die Queen intim

"Language?" fragt ein Angestellter im Souvenirshop jeden Besucher - königstreu oder nicht - der sich auf den Weg ins Innere macht. Dann drückt er dem Vorbeigehenden einen überdimensionierten Telefonhörer in die Hand, aus dem in dessen Muttersprache die Geschichte des Dreimasters klingen wird.

Die von den Royals genehmigten Sehenswürdigkeiten sind nummeriert und der Rundgang genau vorgegeben. Freies Rumstreunen auf der Yacht ist nicht vorgesehen.

"Ich bin gespannt, wie die Königin da gelebt hat", raunt eine Besucherin ihrer Freundin ins Ohr. "Glanz und Gloria, so viel ist sicher", raunt die zurück. Beide werden enttäuscht. Denn der schwimmende Palast hat eher den Charme eines Fünfziger-Jahre-Museums. Sessel aus Bambusholz. Klein. Manchmal bonbonfarben. Überhaupt ist alles recht eng. Und so gar nicht majestätisch. Viele Besucher, sagt Marketing-Lady Lucy Caldwell, seien von der Einfachheit der Einrichtung überrascht.

Doch beim Besuch der Britannia geht es nicht darum, ein First-Class-Schiff anzuschauen. Einen Blick ins Allerheiligste der Royals zu erhaschen, das treibt viele nach Schottland. Die Anekdoten klingen wohldosiert dazu. Was machten Königs den ganzen Tag? Prinz Philip malte, die Queen arbeitete. Oder ließ sich einen Klapp-Pool herrichten und badete darin. Oder saß einfach in der "Sun Lounge" und schaute durch die Panorama-Fenster. Oder winkte. Meist, wenn die Britannia einen Hafen ansteuerte oder verließ.

Damit es durch gelüftete königliche Röcke nicht zur Verstimmung ihrer Majestät kam, wurde auf der Brücke ein Holzbrett angebracht. Zum Schutz vor Wind und neugierigen Blicken.

Bevor der Besucher in die einst königlichen Gemächer vorgelassen wird, geht es durch das Kapitänsquartier und über die Brücke. Neun Admirale und ein Commodore steuerten das Schiff - eine ehrenvolle, wenn auch anstrengende Aufgabe.

Denn nicht nur mussten sie dafür sorgen, dass die königliche Familie auf dem richtigen Kurs war. Sie mussten auch repräsentieren. "Bis zu zwölf Mal am Tag hatte der Kapitän die Uniform zu wechseln", heißt es. Schlimmer traf es nur die Bordmusiker, wie der Besucher an Haltepunkt 22 erfährt. "Sie mussten bis zu 26 verschiedene Uniformen in ihrem Spind lagern."

An der royalen Garage, die in späteren Jahren als Bierlager für die Mannschaft diente, blitzt der Status der Königin durch. Der Rolls-Royce musste mit, auch in den hintersten Winkel der Welt. Zumindest in den ersten Amtsjahren der Monarchin. Später fand sich meist "a suitable car", weiß der Sprecher im Telefonhörer.

Auf dem Verandadeck werden die Schlangen dann zusehends länger. Das Allerheiligste ist nah. Während man hier auf Deck Nummer 7 wartet, verrät der Hörer auf Wunsch, dass am übernächsten Halt "Her Majesty the Queen's Bedroom" folgt.

"Wow, it's spacious", bemerkt eine ältere Dame aus Kanada. "Kein Wunder, wenn die Mannschaft so zusammengepfercht lebt", kommentiert ihr Mann. Den 240 Mann Besatzung und den 45 mitreisenden Hausangestellten der Queen stand nur ein kleiner Teil des 125 Meter langen Schiffes zur Verfügung.

Im königlichen Teil hingegen: Platz. Viel Platz. Platz für ausladende Treppenaufgänge zwischen den Decks. Für viel schimmerndes Edelmetall. Für einen "State Dining Room"; einen Saal, in dem Staatsbankette abgehalten wurden.

Die Queen intim

Amerikanische Präsidenten und Würdenträger aus aller Welt speisten an der Tafel. Drei Stunden dauerte es, sie zu decken: Jede Gabel, jedes Messer und jeder Löffel auf den 56 Plätzen wurde mit einem Lineal in den richtigen Winkel gebracht. Denn ein bisschen repräsentiert wurde auf der Yacht doch.

Auch wenn die Königin ihr "home away from home" dazu nicht in erster Linie nutzte. Denn sie wollte, dass es hier gemütlich ist. Nicht pompös. So hatte sie es höchstselbst eingerichtet. Sie fühlte sich dort wohl, gab sie wiederholt zu Protokoll: "Truly relaxed".

Nach Haltepunkt 8, der "Sun Lounge", klären sich endlich die wirklich wichtigen Fragen. Haben sie nun ein gemeinsames Schlafzimmer, ein Ehebett gar, oder haben sie nicht? Das Bild welches Kindes hat die Queen auf dem Nachttisch stehen? Die Besucherinnen fragen sich und andere - und bleiben lange vor den Glaswänden stehen. Kann man an anderen Stellen die Einrichtung anfassen, so ist dieser intimste Teil der Britannia hinter Glas. Mit gebührendem Abstand zu betrachten.

Das Schlafzimmer der Königin kommt als erstes - und damit auch des Rätsels Lösung: Sie schlafen getrennt, die Queen und ihr Mann. Die Betten stehen in zwei aneinander grenzenden Räumen. Nachts zeigten sie sich ihre Füße.

Blümchen hat Königin Elisabeth II. auf ihrer Decke - der Duke of Edinburgh bevorzugte schlichtes Dunkelrot, "a more masculine look". Federbetten kommen den Royals nicht auf die Standard-90-Zentimeter-Pritschen. Man bevorzugt Decken. Die Laken im Schlafgemach ihrer Majestät stammen von Queen Victoria. Denn schon 1953 war haushalten angesagt und somit das Ausschlachten der 83 königlichen Schiffe vor der Britannia.

Die Wände zwischen den Räumen sind reich geschmückt mit Aufnahmen der meistfotografierten Familie der Welt . Die Royals wirken auf den Bildern gelöst. Entspannt. Glücklich. Keine pastellfarbenen Kostüme. Keine Hüte. Keine Handtaschen. An Bord der Britannia trug selbst die Queen, schlicht wie praktisch, Hosen. Und ließ sich sogar in ihnen fotografieren. Das ist einzigartig.

Und noch ein Unikum gibt es an Bord: Die "Honeymoon Suite". Die einzige Kabine mit Doppelbett. Installiert zur Hochzeitsreise von Charles und Diana. Der Thronfolger hatte viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis das Ehebett genehmigt war. Alle Königskinder verbrachten hier ihre Hochzeitsreise. Drei Ehen erlitten Schiffbruch.

Die Britannia segelte weiter: Auf 968 Fahrten ging der schwimmende Palast, von der Südsee bis in die Antarktis steuerte er mehr als 600 Häfen in 135 Ländern an. 1.087.623 Seemeilen - mehr als zwei Millionen Kilometer - hatte der Dampfer unter dem Kiel, als Elisabeth ihr liebstes Fortbewegungsmittel 1997 ausmusterte - das entspricht etwa einer Weltumrundung in jedem der 44 Dienstjahre. Ein neues Schiff genehmigte Labour der Monarchin nicht - zu teuer. Die Queen quittierte das mit Tränen. In aller Öffentlichkeit.

Informationen: Die Royal Yacht Britannia liegt am Ocean Terminal in Leith - Postadresse: The Booking Office The Royal Yacht Britannia Ocean Terminal Leith, Edinburgh EH6 6JJ Scotland

Infotelefon: +44 (0)131 555 5566 E-Mail: enquiries@tryb.co.uk Internet: http://www.royalyachtbritannia.co.uk/

Eintritt 9,75 Pfund, ermäßigt 5,75 (Kind) oder 7,75 Pfund

Öffnungszeiten: Januar bis März, November und Dezember: täglich 10.00 Uhr bis 15.30 Uhr April bis Juni, September und Oktober: täglich 10.00 Uhr bis 16.30 Uhr Juli und August: täglich 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr

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