Wohnen in Sydney:Die drei Blick-Kategorien

Wer sagt: "Ich wohne in Sydney", hätte auch sagen können: "Ich habe im Lotto gewonnen". Die Reaktion ist immer die gleiche: Neid. Und das zu Recht.

Eike Schrimm

Vor allem, wenn die Wohnung auch noch nah am Wasser gebaut ist.

Wohnen in Sydney: Alles drauf: Hafenbecken, Segelboote, Oper (links hinten) und die Harbour Bridge

Alles drauf: Hafenbecken, Segelboote, Oper (links hinten) und die Harbour Bridge

(Foto: Foto: Eike Schrimm)

Sydney ist nicht irgendeine Millionenstadt am Meer. Der Naturhafen macht sie zu einer der schönsten Städte am Meer: Der ist 57 Quadratkilometer groß, sein Hauptarm schneidet sich 19 Kilometer tief ins Land, unzählige Buchten zweigen von ihm ab. So summiert sich allein die Uferlinie des Hafens auf 240 Kilometer, und entlang dieser 240 Kilometer wird sehr oft gewohnt.

Zu diesen 240 Kilometern addiert sich noch die bewohnte Küste am Pazifik, die sich 23 Kilometer nach Norden und 20 Kilometer nach Süden ausstreckt. Das bedeutet: Von 4,3 Millionen Sydneysidern können viele schon von Zuhause aus einen Blick aufs Wasser werfen.

Allerdings ist Wasser nicht gleich Wasser, und der Blick darauf lässt sich deshalb in drei Kategorien einteilen.

Kategorie I: der Ausblick in eine Bucht, in der Segelboote mit den Wellen schunkeln. Gibt es etwas Schöneres, als Tag für Tag seine Augen über eine ruhige Bucht mitten in der lärmigen Großstadt spazieren zu führen?

Eine der weltbesten Aussichten

Ja, es gibt eine Steigerung: Der Dreiklang aus Hafen plus Oper plus Brücke. Sydneysider mit dieser berühmten Postkarten-Idylle bekommen von ihren Gästen zuerst: "Oh, mein Gott! Ist das schön" zu hören und dann: "Okay, hier feiern wir Silvester." Denn statt stundenlang in der Gluthitze auf das Feuerwerk, das auf der Harbour-Bridge abgefackelt wird, zu warten, kann man von diesem schattigen Logenplatz ganz entspannt dem neuen Jahr entgegensehen.

Die Bewohner der Blick-Kategorie II haben aber auch das restliche Jahr eine der weltbesten Aussichten: Sie sehen Kreuzfahrtschiffe, Tanker, Segelboote und Fähren kommen und gehen, sie sehen die Oper in der Morgensonne blitzen, sie sehen, wie Touristen den eisernen Bogen der Harbour-Bridge hochklettern.

Die drei Blick-Kategorien

Die Kategorie III bietet eine ganz andere Perspektive: das offene Meer. Entlang der Küste kann man vom Balkon aus die Wale beobachten, wenn sie zweimal im Jahr an Sydney vorbeiziehen. Oder den Surfern an den Stränden in Manly oder Bondi zusehen.

Ein weiterer Unterschied zur Hafen-Ansicht: Das Zimmer zum Pazifik wird ganz natürlich beschallt von den Wellen, die gegen die Steilküste donnern. Dieser Klang beruhigt jedes Gemüt und erhöht nochmals die Lebensqualität.

Es ist aber gar nicht schwer, sich zwischen Hafen oder Meer zu entscheiden, denn Sydney ist auf Hügeln erbaut, so dass Häuser darauf beide Wünsche erfüllen. Wie das Hochhaus namens "Horizon", das im zentrumnahen Stadtviertel Darlinghurst steht. Es wurde vom Architekten Harry Seidler erschaffen, und die welligen Balkone richten sich schön zur Oper und zum Pazifik aus.

Double Bay, double Pay

Dieser Blick hat natürlich seinen Preis. Das Penthouse in diesem 43 Stockwerk hohen Gebäude zählte mit 6,25 Millionen Euro zu den teuersten in der Stadt, bis der Schauspieler Russell Crowe die oberste Wohnung am historischen Kai "Finger Wharf" gegenüber dem Botanischen Garten für 8,75 Millionen Euro gekauft hat - Wasserblick inklusive.

Und über die Nobel-Bucht namens Double Bay wird gedichtet: Double Bay, double Pay. Was frei (und wahrheitsgemäß) übersetzt werden kann mit: schöne Lage, doppelter Preis. Während eine Wohnung in Sydney durchschnittlich 220 Euro kostet, muss man für zwei ruhige Zimmer mit Wasser-, Brücken- und Opernblick mit 410 Euro rechnen - pro Woche .

Aber der Preisaufschlag ist nicht der einzige Nachteil an der Wasserfront. Wer zum Beispiel in einem der Einfamilien- oder in den kleineren Apartmenthäusern wohnt, die das Straßenbild entlang der Küste von Sydney prägen, hat Mitbewohner: riesige Kakerlaken, große Trichter-, kleine Rotrückenspinnen oder die ein Meter lange Todesotter. Bis auf die Kakerlake sind diese Tiere gefährlich bis tödlich und verkriechen sich sehr gern in der Großstadt.

Die drei Blick-Kategorien

Allerdings reagieren die Australier selbst bei diesem Thema sehr entspannt: Weil sie die Gefahr kennen, holen sie die Gartenmöbel nur in langen Hosen und mit Handschuhen aus dem Winterschlaf. Denn die Spinnen zum Beispiel bevorzugen dunkle Orte und beißen zu, wenn sie aufgeschreckt werden. Gegen die XXL-Kakerlake stellen die Australier Köderdosen oder erschlagen sie ganz einfach mit dem Schuh.

Selbst wenn Sydney im Oktober die Motten kriegt und die Insekten in Trilliarden-Schwärmen die Stadt überziehen, ist das der Tageszeitung Sydney Morning Herald allenfalls ein Bild im hinteren Teil der Zeitung wert. Denn alle wissen: In wenigen Wochen ist dieser Spuk auch wieder vorbei.

Teurer Alarm

Ein anderer Nachteil, den ein Balkon zum Wasser hat, ist der teure Feueralarm. Der Australier lebt nämlich nicht vom Blick allein, sondern heizt so oft wie möglich den Grill an. Schließt er aber nicht die Balkontür, zieht der Rauch in die Wohnung, umnebelt den Feuermelder, der wiederum im ganzen Haus und bei der nächsten Feuerwache Alarm schlägt.

Die Feuerwehr rückt an, und wenn sie den Grund für den falschen Alarm entdeckt, kassiert sie 280 Dollar ab. Denn der kleine Feuermelder, der in fast jeder australischen Stadtwohnung an der Decke hängt, unterscheidet nicht zwischen gefährlicher und ungefährlicher Rauchentwicklung.

Aber all diese Nachteile können den Wasserblick nicht trüben. Denn wer jeden Tag zur Haustür hereinkommt und von glitzernden Wellen begrüßt wird, zahlt jeden Preise - vorausgesetzt, er kann ihn sich leisten.

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