Wintersport-Marketing:Leise rieseln die Floskeln

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Opening, Event oder Package gefällig? Mit vielen schönen Worten werben Wintersportorte für ihr Angebot. Was hinter den Lieblingsvokabeln der Skiindustrie steckt.

Dominik Prantl

Opening

Saisoneröffnung auf der Zugspitze (Foto: Foto: ddp)

Gleich zum Einstieg ein Blick in das Englisch-Deutsch-Wörterbuch. Das listet unter Opening eine ganze Litanei an Übersetzungen auf, unter anderem: Abschluss, Anfang, Freigabe, Durchbruch. Interessanterweise aber auch: Hohlraum. Die meisten Skiorte veranstalten ein Ski-Opening als Auftakt zur Wintersaison. Eigentlich dient es aber vor allem dazu, das Vakuum in den Wochen vor der großen Weihnachtsschwemme zu füllen.

Das Opening ist ein Aufruf, ein bisschen nach dem Motto: "Die Lifte haben geöffnet. Also schiebt in Gottes Namen endlich eure Hintern auf zwei Brettern her!" Zugegeben: Opening klingt charmanter.

Auch wenn es als umweltpolitisch und moralisch beinahe verwerflich gilt, Ischgl und seinen aufgesetzt hippen Tourismuschef Andreas Steibl gut zu finden: In punkto Opening setzen die Macher des zum Partycluster entarteten Bergdorfs noch immer Maßstäbe. Am 28. November kommt beispielsweise Katy Perry zum Eröffnungskonzert in den Ortskern, ein gültiger Skipass reicht zur Teilnahme. Seit Jahren ködert Ischgl mit Berühmtheiten der Musikbranche die wertvollen Skitouristen. Das ist Teil der klaren Marketingstrategie, mit der die Tiroler seit Jahren so rigoros wie erfolgreich am Profil des winterlichen Rambazamba-Zentrums schleifen.

Das muss nicht jedem gefallen. Aber die konzertierte Aktion wirkt.

Vielen anderen Skiregionen fehlt diese Geradlinigkeit. Am Mölltaler Gletscher wird dafür gleich eine ganze Opening-Serie abgehalten. Nach dem Mölltal Opening (24. bis 26. Oktober) und dem Gigasport Carving und Snowboard-Opening (7./8. November) stehen noch das Powder-Opening (21./22. November) und das Ski Hit Opening (5. bis 8.12.09) an.

Und vor wenigen Tage verrieten Ostbayerns innovative Touristiker, dass der vergessene Daniel Küblböck im Sonderzug "Schnee-Express" zum "Schnee-Opening 2010" im Bayerischen Wald "den Gästen auch das eine oder andere Bier zapfen und für tolle Gespräche schon bei der Anfahrt sorgen" will. Das wiederum klingt weniger nach einem Aufruf als nach einer Warnung.

Event

Kaum überschaubar ist die Anzahl der Events, die jedes Jahr in den Wintersportorten stattfinden. (Foto: Foto: AP)

Event ist ein Sammelbegriff für so ziemlich alle Veranstaltungen in Orten mit Skitourismus, vom Kindersackhüpfen über die organisierte Schneeballschlacht bis hin zum Popkonzert. Wenn ein Event als besonders gelungen erachtet wird, ist es ein Event der Superlative, ein Event der Extraklasse, ein Top-Event oder gleich ein Mega-Event.

Eine ungeschriebene Regel besagt, dass ein richtig hippes Ski-Event, also eines für junge Menschen aus der ganzen Welt, ungefähr klingen sollte wie "Art on snow", "Nordica Freeskiers Daredevil Session" oder "Horsefeathers Pleasure Jam". Wer das etwas kryptisch findet, kann sich ja der genaueren Beschreibung widmen: "Der Dachstein Gletscher mit bereits finalisiertem Event-Set-up von QParks sowie die Region Schladming-Dachstein rüsten sich für den größten und spektakulärsten Freestyle-Showdown des Jahres."

Alles klar?

Es gibt eine kaum überschaubare Menge an Events, die über die gesamte Wintersaison verstreut stattfinden. Samnaun lockt jährlich mit der Weltmeisterschaft der Nikoläuse, im Pitztal sollen sich die "Studenten on Snow" (SOS) mit "potentiellen zukünftigen Arbeitgebern in einem gelösten Umfeld" treffen, und die Seiser Alm wird beim "Swing on Snow" mit Volksmusik beschallt. Wobei das möglicherweise schon wieder unter den nächsten Begriff fällt.

Nostalgie

Tradition hautnah zu erleben, ist kein Problem: Einfach den Lift runter, an der Schirmbar nicht stören lassen und die zweite Straße rechts. Aber man sollte nicht zu früh kommen, dann veranstaltet nämlich noch die Freiwillige Feuerwehr das Hully-Gully-Drecksau-Fest.

Der Betreff einer typischen Werbe-E-Mail für eine Skiregion lautet so: "Vinschgau: Zwischen Partys und Brauchtum." Die Ortsmarke ist Zufall und beliebig austauschbar. Denn viele Skiorte ähneln einem Bauchladen, aus dem sie alles an jeden verkaufen möchten.

Ein neues Produkt im Sortiment liefert die Vergangenheit. So möchte Mayrhofen "die Gäste des Zillertals mit Nostalgie und gelebten Traditionen verzaubern". In der Ferienregion Kronplatz in Südtirol gibt es die Super-Nostalgia-Woche, in deren Rahmen im vergangenen Jahr das urigste Schaufenster, die nostalgischste Hütte und das nostalgischste Restaurant gekürt wurden. Richtig spannend verspricht auch die Folklore-Skiparty in Heiligenblut in Kärnten zu werden. Und in der Skihalle Neuss bei Düsseldorf luden Skilehrer aus Zell am See zum Nostalgie-Skikurs.

Auf einer Presseveranstaltung des Kleinwalsertals wurde kürzlich ein "Nostalgie-Event" als einer der Höhepunkte der kommenden Skisaison genannt und damit ein Dilemma des Wintersporttourimus deutlich. Irgendwie finden die Menschen offenbar Gefallen an der Urzeit des Skifahrens, der Epoche ohne Après-Ski und Events, brauchen aber gerade dies, um heute ein bisschen nostalgisch werden zu können.

Schneesicherheit

Anwärter sind an dieser Stelle auch die Wortungetüme Qualitätsverbesserung und Serviceorientierung gewesen, die häufig einhergehen mit der Schneesicherheit. Gerne tauchen im Kontext der Selbigen auch "moderne Bahnen" und "perfekt präparierte Pisten" auf. Damit das keine leeren Versprechen bleiben, haben allein die 254 Seilbahnunternehmen Österreichs in diesem Jahr 550 Millionen Euro investiert, 163 davon in Beschneiungstechnik.

Das Problem der Schneesicherheit ist, dass es dafür eben Beschneiungsanlagen braucht. Wörter wie Schneekanone oder Kunstschnee haben wegen der für Umweltbelange sensibilisierten Kunden jedoch einen unangenehmen Beiklang. Deshalb haben es die Wintermacher schnell verstanden, die Schneesicherheit mit Wörtern wie "Öko" oder "umweltfreundlich" zu versüßen. In der Hoffnung, dass dies so genau schon keiner hinterfragen wird.

Im Skigebiet Jungholz produzieren 40 Schneekanonen in diesem Winter also erstmals "Öko-Schnee", weil die neue Beschneiungsanlage die schallärmste im gesamten Alpenraum sei. Und am Pitztaler Gletscher wird zur Schneeproduktion bei Plusgraden seit Herbst eine Kühlungstechnologie aus Israel eingesetzt, die nach der wohl recht exklusiven Meinung von Hans Rubatscher, Geschäftsführer der Pitztaler Gletscherbahn, ganz hervorragend die "Philosophie der nachhaltigen ökologischen und ökonomischen Nutzung" des Skigebiets fortführe.

Familienfreundlich

Es heißt, immer mehr Wintersportorte entdeckten ihr Herz für Kinder. Das ist im ersten Moment einmal richtig rührend. Kostenlose Kinderbetreuung ist an vielen Pisten bereits Usus, die Tiroler Zugspitzarena hat einen Lift mit Kindersicherung versehen, und überhaupt überbieten sich die Bergbahnen bezüglich ihrer Familienfreundlichkeit. Im Alpbachtal und der Wildschönau fahren Kinder bis 15 Jahre beispielsweise gratis, und im Karwendel ist der Skikurs für Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren gratis.

Allerdings bleibt manchen Bergbahnen und Tourismusverbänden auf Dauer auch gar nichts anderes übrig, als familienfreundlich zu sein, denn letztlich schlägt das Herz vor allem für die eigene Bilanz - und die lebt von den Familien. Die oben genannten Skipassangebote gelten nur in der Nebensaison und in Verbindung mit einem Mehrtagesskipass der Eltern. Und die Gratisskikurse sind eine Investition in die Zukunft. Denn merke: Lieber einem potentiellen Kunden gratis das Carven beibringen, als irgendwann gar keine Skifahrer mehr haben.

Pauschalen sind das wichtigste Lockmittel der Wintersportorte. (Foto: Foto:)

Ski-Package

Eine Weisheit des Wintersporttourismus lautet: "In den Liften sitzt das Kapital." Anders gesagt: Die Pistenskifahrer sind die Melkkühe des Alpentourismus. Manchmal sind die Lifte (ergo: Melkmaschinen) aber entsetzlich leer - trotz der ganzen Events, all der Schneesicherheit und der Familienfreundlichkeit. Damit der Betrieb im Skigebiet nicht ganz umsonst aufrecht erhalten wird, werden für solche Zeiten sogenannte Ski-Packages geschnürt.

So gut wie kein Wintersportort der Welt verzichtet auf diese Pauschalen, sie sind das wichtigste Lockmittel. Davos bietet zwei Übernachtungen und den Drei-Tages-Skipass ab 98 Euro, eine Woche St. Anton gibt es inklusive Skipass für 400 Euro, im Tauferer Ahrntal ist bis Weihnachten nur die Unterkunft zu zahlen, und in Osttirol wird ein längerer Aufenthalt mit einem Paar Skier belohnt. Sogar Skifahren in Kanada wird für 500 Euro versprochen - inklusive Flug und Skipässen.

Möglich sind solche Pakete, weil dafür an ganz normalen Skitagen das Kapital aus den Liften gezogen wird. Ein Tagesskipass für zwei Personen plus Mittagessen und Leihausrüstung für 150 Euro. Und hinkommen muss man auch erst einmal.

Das Merkwürdige an der ganzen Geschichte ist: Wir freuen uns trotzdem auf die Skisaison.

© SZ vom 19.11.2009/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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