Wintersport-Glossar: Après Ski:Alter Schnaps aus neuen Schläuchen

In den Skigebieten ist der Fasching die Hochphase für Après-Ski - höchste Zeit, mal einige Begriffe zu erklären.

Dominik Prantl

Anton aus Tirol, der; blasierter Prototyp des Pistengigolos, dessen Selbstdarstellung als Meilenstein der Eigen-PR gelten muss: "Ich bin so schön. Ich bin so toll. Ich bin der Anton aus Tirol. Meine gigaschlanken Wadln san a Wahnsinn für die Madln, mei Figur a Wunder der Natur." Hat seit seinem ersten Après-Ski-Auftritt vor mehr als zehn Jahren jedoch etwas an Form eingebüßt. Rockt nicht mehr so richtig.

Bar, die: unumstrittene Schaltzentrale und Grundausstattung für Après-Ski. Wird mancherorts von leicht bis gar nicht bekleideten Damen wild tanzend zweckentfremdet.

Charme, der; das gewisse Etwas. Fehlt den meisten, oft als Hütten camouflierten Après-Ski-Stätten wie auch den darin als Skifahrer getarnten Feiernden. Gefragt sind stattdessen Trinkfestigkeit und Textsicherheit beim --> Liedgut.

Einkehrschwung, der; scheinbar unverzichtbarer Bestandteil des Skifahrerwortschatzes. Prägnantes, kurzes Synonym für das letzte Abbremsen mit anschließendem Hüttenaufenthalt. In manchen Fällen die letzte kontrollierte Aktion des Tages.

Friedle, Gerry; Deckname eines blonden Österreichers, der in Wahrheit DJ Ötzi heißt und sich auf repetitive Rhythmen versteht. Schöpfer des --> Anton aus Tirol. Erhielt in Großbritannien eine Gold- und Platinauszeichnung. Wird deshalb nicht nur in Alpennähe von manchem als Halbgott verehrt.

Grölen, das; unverkennbarer Indikator für den Zustand kollektiver Unzurechnungsfähigkeit.

Hüttentee, der; in 192 Staaten strikt zu verwendendes Pseudonym für den Après-Ski-Klassiker Jagertee, der wegen einer EU-Etikettierungsrichtlinie ausschließlich in seinem Heimatland Österreich so heißen darf.

Hüttenzauber, der; gilt als sanfte Form des vielgesichtigen Après-Ski. Soll Gemütlichkeit suggerieren, indem Assoziationen mit Kaminfeuer, Speckknödel und Stubenmusi geweckt werden.

Ischgl: ehemaliges Tiroler Bergbauerndorf an einem Hang ohne Sonnenlicht. Macht deshalb im Winter die Nacht zum Tag. Synonym für Après-Ski.

Jagertee, der; wie --> Friedle, Gerry ein österreichisches Nationalheiligtum. Steht auch mit den Namen Jagatee oder Jägertee unter strengem EU-Schutz. Heiße Mischung aus diversen aufgebrühten Gebirgskräutern, Wurzeln, Nelken und Zimt plus einer nach eigenem Gutdünken zu wählenden Menge an Obstler und/oder hochprozentigem Rum, Rotwein, Orangen- und Zitronensaft. Wobei nach dem dritten Jagertee keinen Menschen mehr interessiert, wie viel wovon wirklich drin ist.

Kuhstall, der; 1.Obdach für Rindviecher, 2. Neben "Almrausch" und "Tenne" der Lieblingsname für Après-Ski-Lokale. Den K. gibt es unter anderem in den Partyzentren Ischgl, Sölden, Saalbach-Hinterglemm.

Von Liedgut bis Zillertal

Liedgut, das; im nüchternen Zustand unerträgliche Mischung aus Partykrachern, Evergreens, Chartstürmern und Superhits. Das L. des Après-Ski besteht aus von schlichten Melodien untermalten, sinnfreien, häufig schlüpfrigen Texten. Bekannte Titel sind beispielsweise "Ich bin ein Döner", "Der ganze Bus muss Pipi", "Komm hol das Lasso raus", "Düp Düp" oder "Zehn nackte Friseusen". Blieb bislang von EU-Richtlinien leider unbehelligt. Wird sogar konzentriert in Form von CDs angeboten.

Mooserwirt, der; trotz diverser Kuhställe, Almräusche und Tennen die wohl berühmteste Après-Ski-Bar der Alpen. Zudem angeblich die Gaststätte mit dem höchsten Quadratmeter-Bierumsatz in Österreich. Wirbt aber mit dem sympathischen Slogan: "Wahrscheinlich die schlechteste Skihütte am Arlberg."

Niederländer, die; aus dem Flachland stammendes Volk mit einem Faible für Fußball und Feiern. Neben den Deutschen die wichtigste Zielgruppe alpiner Partymacher. Pendeln bösen Gerüchten zufolge während des Skiurlaubs weniger zwischen Berg und Tal als zwischen --> Bar und Wohnwagen.

Oma, heiße; 1. verfänglicher Google-Suchbegriff, 2. heißes Mischgetränk auf der Basis von Milch und derart viel Eierlikör, dass selbst der Oma der --> Kuhstall wieder Spaß macht.

Pipelines, die; engl. Bezeichnung für Erdöl- und Erdgas-Rohrleitungen, um einen schnellen und kostengünstigen Transport von Sprit zum Kunden zu gewährleisten. Das Prinzip der P. wurde mittlerweile von Après-Ski-Barbetreibern auf Schnaps aus Schläuchen übertragen.

Schirmbar, die; zweckmäßige Vorrichtung für Après-Ski in der Form eines kleinen Zirkuszeltes. Steht häufig mitten im Skigebiet, wo sie trotz der Schlichtheit einen enormen Reiz auf skimüde Gäste ausübt. Ist meist früher zu hören als zu sehen.

Skifahren, das; unvermeidliche Übung vor dem Après-Ski.

St. Anton; zum Anglizismus Stanton verballhornte Heimat des --> Mooserwirts am Arlberg in Tirol. Nicht zu verwechseln mit dem ganz und gar nicht heiligen Anton aus Tirol. Neben Sölden, Ischgl und Saalbach-Hinterglemm eines der Après-Ski-Zentren.

Tirol; 1. Region in Mitteleuropa, 2. österreichisches Bundesland, 3. wichtigster Profiteur und Förderer des Après-Ski.

VIP-Lounge, die; Inbegriff des Versuchs, dem Après-Ski durch Trennung gewisser Räume vom Fußvolk einen elitären Anstrich zu verpassen. Klappt gut, da in jedem vermeintlichen VIP ein kleiner --> Anton aus Tirol steckt.

Willi, der; Kurzform für den aus Williams Christbirnen hergestellten Birnenbrand. Wird wie andere Aspirin-Absatz-Beschleuniger in niedriger Qualität, dafür zu hohen Preisen ausgeschenkt.

XL-Sonnenbrille, die; gemäß der Zeitschrift Elle neben Pelzmütze und glamourösem Make-up für Frauen Pflicht nach der letzten Abfahrt - und am nächsten Morgen.

Zillertal, das; Heimat der Schürzenjäger, die symbolisch für die Entwicklung des Après-Ski stehen: Mit traditioneller Musik als regionales Phänomen gestartet; mit üblem Getöse als Wirtschaftsfaktor geendet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: