Zum Skifahren in den Bayerischen Wald? Wer einem Münchner von solchen Ausflugsplänen erzählt, erntet erstaunte Blicke. Egal ob Alpinskifahrer oder Langläufer, die Wintersportler aus der Landeshauptstadt zieht es am Wochenende stets südwärts in die Alpen. Nur wenige kommen auf die Idee, statt ins Stubaital mal nach Osten zum Großen Arber zu fahren, obwohl die beiden Ziele gleich weit von München entfernt sind. Andreas Adam ist hin- und hergerissen, ob er es bedauern soll, dass der Bayerische Wald immer noch ein Geheimtipp ist. Einerseits freut er sich als Hotelier in Bodenmais über Gäste, andererseits ist die Gegend noch nicht so niedergetrampelt wie so manches Alpental.
Adam ist zugleich Vorsitzender des Europäischen Skimarathonverbands, und als solcher gerät er ins Schwärmen, wenn er beschreibt, was vor seiner Haustür liegt: das Langlaufzentrum am Bretterschachten mit seinen gut 220 Kilometer Loipen. "Keiner hat so viel Schnee wie wir", sagt Adam. "Das ist ein Juwel, bloß weiß das keiner so richtig." So ganz stimmt das nicht mehr, denn an schönen Tagen werden hier bis zu 10 000 Langläufer gezählt.
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Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass sich unweit vom Arber eines der größten und besten Langlaufzentren Europas etabliert hat. In einer Höhe von 1100 bis mehr als 1300 Metern sind die Loipen bis weit hinein ins Frühjahr noch gespurt. Warme Föhnwinde, die in den Alpen über Nacht den Schnee wegblasen, gibt es hinten im Bayerwald nicht. Deshalb veranstalten sie hier ihr internationales Skilanglauffestival "Skadi Loppet" traditionell am dritten Märzwochenende, ein mutiger Termin, der aber auch zeigen soll, wie schneesicher die Region trotz des Klimawandels noch ist: Um diese Jahreszeit blieben allenfalls Vuokatti in Finnland und Murmansk in Russland als Konkurrenten für Bodenmais übrig, sagt Adam. Doch beide liegen weit oben am Polarkreis - und nicht bloß eineinhalb Stunden Autofahrt von München entfernt.
Je näher man der tschechischen Grenze kommt, desto mehr Schnee liegt
Von den vergleichsweise kalten Wintern profitieren auch die anderen Langlaufgebiete im Bayerischen Wald, wobei die Grundregel gilt: Je näher man an die tschechische Grenze kommt, desto mehr Schnee liegt dort. Das gilt insbesondere für die einsame Gegend um Mauth und Finsterau. Dort mutet die Landschaft nicht nur im Winter geradezu kanadisch an. Am bekanntesten und landschaftlich schönsten ist die Dreikönigsloipe, ein 20 Kilometer langer Abschnitt des weitverzweigten Systems der Bayerwaldloipe.
Alpinskifahrer bilden unter den Gästen die Minderheit, obwohl der Bayerische Wald vor allem für Familien interessant ist. Es gibt eine Unzahl kleinerer Liftanlagen mit sanftem Gefälle, aber auch einige richtige Skigebiete, die durchaus mit den oberbayerischen Hausbergen mithalten können. Das größte und zugleich unbekannteste erstreckt sich an den Hängen des 1338 Meter hohen Hochficht auf der österreichischen Seite im Dreiländereck zwischen Bayern, Tschechien und Oberösterreich. Karin Lindorfer von der Bergbahn AG zählt ein paar Vorteile auf: Am Hochficht gibt es keine Lawinen, dafür aber 20 Kilometer Pisten, darunter sogar zwei FIS-Abfahrten, günstige Tickets und derzeit 175 Zentimeter Naturschnee. Und für die Anreise brauche man keine Vignette. "Heuer ist es vom Schnee her ein Traum", sagt sie auch. Das können die Liftbetreiber am Arber bestätigen: Auf dem höchsten Berg des Bayerischen Waldes liegen immerhin 150 Zentimeter Schnee, in diesen Tagen könnten es noch mehr werden. Die schwarze Weltcupabfahrt erinnert an den Garlandhang am Lenggrieser Brauneck und ist nur etwas für Könner.
Das Après-Ski fällt im Bayerwald dagegen bescheidender aus als etwa in Ischgl. Die Wirtschaften in der Gegend sind oft schlicht, auch was die Gestaltung der Speisekarten betrifft: Die Küche hier ist gutbürgerlich, also schnitzellastig, dafür ist die Rechnung aber nur halb so hoch wie in Garmisch-Partenkirchen. Das passt zur Landschaft, die auch im Winter mehr rau als romantisch wirkt. Am eindruckvollsten erlebt man diese Atmosphäre bei einer Schneewanderung auf einen der Gipfel in der Grenzregion: Rachel, Falkenstein oder Lusen. Solche Abstecher sind unschwer, wenngleich erst kürzlich ein Ehepaar das Kunststück fertig brachte und sich im Nationalpark verirrte. Die Bergwacht musste die beiden nachts vor dem Erfrieren retten. Heinz Duschl, der Wirt der 1343 Meter hoch gelegenen Lusenhütte, hat den Weg für die Wanderer eigens mit der Pistenraupe präpariert. Abends, wenn er die Hütte zugesperrt hat, genießt auch er gerne das fantastische Panorama vom Gipfelkreuz: Wald, Schnee und Einsamkeit so weit das Auge reicht. Es ist das spezielle Bayerwald-Gefühl, ein bisschen melancholisch, aber unbedingt eine Reise wert.