Neue Hotels in Wien:Zurück in die Zukunft

Neue Hotels in Wien: Die 1920er-Jahre spiegeln sich in der Einrichtung des Hotels "Die Josefine" im sechsten Wiener Bezirk.

Die 1920er-Jahre spiegeln sich in der Einrichtung des Hotels "Die Josefine" im sechsten Wiener Bezirk.

(Foto: Tina Herzl)

Die beiden neuen Wiener Hotels "Die Josefine" und "The Leo Grand" spielen fantasievoll mit der Geschichte der Stadt. Und treffen damit ein urbanes, modernes Lebensgefühl. Ein Besuch.

Von Stefan Fischer, Wien

Wien, sechster Bezirk, Esterházygasse. Leicht abschüssig von der Mariahilfer Straße her, die eine Fußgängerzone ist. Also wenig Autoverkehr. Links und rechts etliche Gründerzeithäuser, darunter Hausnummer 33. Hinein ins Hotel "Die Josefine" kreiselt man weder durch eine Drehtüre, noch schwingen die Flügel einer Glastüre diensteifrig zur Seite. Stattdessen ist da eine schwere, doppelflügelige Holztüre. Fällt sie hinter einem wieder zu, steht man mit seinem Koffer im Halbdunkel eines Treppenhauses.

Am Ende eines kurzen Flurs führen steinerne Stiegen eine halbe Etage nach oben und verzweigen sich dort in Bereiche, die vom Eingang her nicht einzusehen sind. Die Wände und die Decke dieses Flurs, der sich in eine kleine Halle weitet, sind in einem lichtschluckenden Violett gestrichen, das man heutzutage berry nennt. Ein angesagter Farbton, der einen zugleich jedoch in die nostalgische Atmosphäre des Wes-Anderson-Films "Grand Budapest Hotel" hineinzieht. Zu dieser Stimmung trägt außerdem bei, dass ein sogenannter Lohndiener um die Ecke schaut und seine Dienste anbietet.

Neue Hotels in Wien: Wer den Film "Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson kennt, wird sich in den Fluren des Hotels "Die Josefine" daran erinnert fühlen.

Wer den Film "Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson kennt, wird sich in den Fluren des Hotels "Die Josefine" daran erinnert fühlen.

(Foto: Tina Herzl)

Der grünlivrierte Mann, der hörbar aus Osteuropa stammt und dennoch ein Wiener durch und durch zu sein scheint, kümmert sich ums Gepäck und weist vor allem - die halbe Treppe hoch, dann zwei Mal links - den Weg zur Rezeption, die weder auf den ersten Blick zu sehen noch ausgeschildert ist. Bevor man sich also fragen kann, ob man hier überhaupt richtig ist im Hotel "Die Josefine" oder ob man doch im benachbarten Wohnhaus gelandet ist, fühlt man sich bereits gut aufgehoben.

"Die Josefine" tut vieles, um einen in die 1920er- und 1930er-Jahre zu versetzen.

An der Rezeption tippt niemand auf einer Tastatur herum, es wühlt auch niemand in irgendwelchen Papieren. Weder werden Türkarten programmiert noch Frühstückszeiten heruntergebetet, die man ohnehin auf der Stelle wieder vergessen würde. Stattdessen wird man als Gast: begrüßt. Plaudert ein wenig, bekommt irgendwann ein Büchlein ausgehändigt und wie nebenbei einen Schlüssel. Also tatsächlich: einen Schlüssel. Weniger Amtsstube geht beim Check-in kaum.

Der Eindruck der ersten Minuten verfestigt sich in den kommenden Stunden und Tagen: Man hat durch die Holztüre eine andere Welt, eine andere Zeit betreten. "Die Josefine" tut vieles, um einen in die 1920er- und 1930er-Jahre zu versetzen. Ohne die technischen Entwicklungen und die damit verbundenen Annehmlichkeiten der vergangenen 100 Jahre zu negieren. Der Komfort ist zeitgemäß. Die Sessel und Lampen, Betten und Badewannen, Lichtschalter und Armaturen erschaffen dennoch ein Ambiente wie in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen.

Neue Hotels in Wien: Die Lampen und Sessel und Tischchen erinnern an den Einrichtungsstil der 1920er-Jahre.

Die Lampen und Sessel und Tischchen erinnern an den Einrichtungsstil der 1920er-Jahre.

(Foto: Tina Herzl)

Damals, Anfang der 1920er, ist aus dem Wohnhaus Esterházygasse 33, erbaut 1896, ein Hotel geworden. Über die Jahrzehnte hat es verschiedene Namen getragen, hieß irgendwann einmal "Fürst Metternich" und zu einer anderen Zeit wiederum "Bavaria". Ein besonderes Haus war es zuletzt nicht mehr. 2019 wurde es geschlossen und grundsaniert. "Die Josefine" soll eine neue Ära begründen - indem das Hotel an seine am weitesten zurückliegende Vergangenheit anknüpft.

Patin des neuen alten Hotels ist Josephine de Bourblanc, die Tochter eines französischen Botschafters in Wien. Hier wurde sie 1895 geboren. Bald darauf erwarb der Vater Anteile an dem Haus in der Esterházygasse. Josephine studierte an der Sorbonne in Paris, verkehrte in Künstlerkreisen, lebte zeitweilig in Russland. Auf der Flucht vor der Revolution dort 1917 landete sie wieder in ihrer Geburtsstadt Wien und fand Quartier in dem besagten Haus. Als daraus ein Hotel wurde, kümmerte sich Josephine de Bourblanc zunächst gegen Kost und Logis um die Gäste, irgendwann war sie die Hoteldirektorin. Und nicht mehr Josephine, sondern Josefine.

Ihr Markenzeichen: Stets führte sie ein kleines Büchlein mit sich, in das sie sich Notizen machte - Anekdoten und Skizzen über Begebenheiten im Hotel. Darauf spielen die gebundenen Notizbüchlein an, die jeder Gast im "Josefine" erhält. Es enthält seinerseits ein paar kleine Schnurren und charmant verpackte Informationen (etwa zu den Frühstückszeiten) - und eine ganze Reihe leerer Seiten für eigene Einträge.

Neue Hotels in Wien: Der Barfly's Club ist die älteste American Bar in Wien - und bis heute legendär.

Der Barfly's Club ist die älteste American Bar in Wien - und bis heute legendär.

(Foto: Tina Herzl)

Weitaus dicker und schwerer als dieses Büchlein ist die Getränkekarte im Barfly's Club. Den hatte Mario Castillo 1989 gegründet als erste American Bar in Wien. Diese Cocktailbar, in der vormittags das Frühstück serviert wird, setzt heute noch Standards in der Stadt, die Whisky- und auch die Rum-Auswahl sucht ihresgleichen. Während der Hotel-Renovierung wurde sie von Castillos Witwe Melanie als Pop-up-Bar weitergeführt, nun ist sie in die Esterházygasse zurückgekehrt. Ohne Reservierung findet man wochenends schwer einen Platz am langen Tresen, geschweige denn in einer der Plüsch-Sitzgruppen. Unter den Gästen ist kaum jemand, der schon Alkohol trinken durfte, als der Barfly's Club eröffnet hat - wenn er oder sie überhaupt schon auf der Welt war. Auch die Bar verbindet also, auf andere Art als das Hotel, dem sie angehört, widerspruchslos die Vergangenheit mit der Gegenwart. Wie das in Wien nun einmal gang und gäbe ist. Wovon man sich auch überzeugen kann beim herrlichen Blick von der Dachterrasse über die Dächer der Stadt.

Die Josefine, Esterházygasse 33, A-1060 Wien, Tel.: 0043/1/58 870, E- Mail: bonjour@hoteljosefine.at. Übernachtung ab 110 Euro. hoteljosefine.at. Barfly's Club: barflys.at

Wien hat außerdem ein neues Hotel der Luxusklasse, gegenüber dem Stephansdom

Wien, erster Bezirk, Bauernmarkt. Wer den Stephansdom durch das Hauptportal verlässt, läuft durch die Jasomirgottstraße geradewegs in das Gebäude mit der Hausnummer 1 am ehemaligen Marktplatz hinein. Seit Kurzem ist es öffentlich zugänglich. Mehrere Jahre war die barocke Immobilie leer gestanden, zuvor hatte sie jahrzehntelang als Wohnhaus gedient. Nun beherbergt das Gebäude ein Hotel, "The Leo Grand". Der Eingang: Trotz Fünf-Sterne-plus-Anspruch kein Vergleich mit dem imposanten Portal des Stephansdoms vis-à-vis, vielmehr eine bescheidene Tür, vor allem verglichen mit dem, wohin sie letztlich führt. Unmittelbar dahinter jedoch auch keine pompöse Halle, sondern ein lichtes, großes Zimmer mit Pflanzen- und Tiermotiven an den Wänden, die eine Künstlerin noch kurz vor der Eröffnung mit Pinseln aufgetragen hat.

Neue Hotels in Wien: Lange ein Wohnhaus, nun ein Hotel: "The Leo Grand" im ersten Wiener Bezirk.

Lange ein Wohnhaus, nun ein Hotel: "The Leo Grand" im ersten Wiener Bezirk.

(Foto: Lenikus)

Dort werden die Gäste empfangen, ohne sich vor einem Tresen für den Check-in aufstellen zu müssen. Sie bekommen vielmehr ihr Gepäck abgenommen und auf Wunsch Getränke serviert. Die Bürokratie läuft dabei so unbürokratisch wie möglich ab. Und wer ins "Leo Grand" nicht zum Übernachten kommt, sondern zum Essen oder auf einen Drink, muss nicht erst durch ein riesiges klassisches Hotelfoyer.

Die eigentliche Überwältigungsmaschinerie läuft an, wenn man durch eine weitere Türe geht. Dann steht man im Innenhof des Vierkant-Hauses, der auch in dem neuen Hotel ein Hof geblieben ist - und das Zentrum der Gastronomie bildet. Bei schönem Wetter können die Gäste unter freiem Himmel essen, es sei denn, sie bevorzugen die angrenzenden, zum Innenhof jedoch halboffenen Private-Dining-Bereiche. Eine Zeltdach-Konstruktion verschließt den Hof bei Bedarf wetter- und winterfest.

Restaurant und Bar zielen auch auf Besucher der Stadt, die nicht im Hotel wohnen.

"Das Haus soll lebendig und laut sein", wünscht sich die Hoteldirektorin Isabella Wexberg. Das mag erst einmal irritierend klingen. Aber sie erhofft sich das "Leo Grand" als Ort der Begegnungen und Feiern, als ein urbanes, multinationales Haus im Zentrum Wiens. Ein Schweigekloster an dieser Adresse wäre: ein Unding. Dass man bei geschlossenen Fenstern in seiner Suite dennoch seine Ruhe hat, versteht sich. Doch die Zimmer, die auf den Hof weisen, haben kleine Balkone. Man kann von dort hinunterblicken wie auf eine belebte Piazza, jedenfalls solange das Zeltdach geöffnet ist. Der Übergang von den privaten zu den halb-privaten und den öffentlichen Bereichen im und vor dem Hotel ist fließend.

Der zweite Eingang ins "Leo Grand", einmal links ums Eck von der Haupttüre, führt über die Bar. Davor, in der Freisingergasse, wird noch ein Schanigarten eingerichtet. Zwei Bäume sind bereits gepflanzt, Tische und Stühle sollen Ende Mai, Anfang Juni aufgestellt werden. Die Gastronomie im "Leo Grand", inklusive der Bar, zielt auf ein Wiener Publikum. Und auf Besucher der Stadt, die nicht zwingend im Hotel wohnen.

Deshalb wurde auch Martin Ho als Partner für die Gastronomie gewonnen. Mit seiner Dots Group ist der Österreicher vietnamesischer Abstammung seit eineinhalb Jahrzehnten sehr präsent in der Gastroszene der Stadt, darunter mit dem Sushi-Restaurant "Dots Establishment" und "Ivy's Pho House", beide in der Mariahilfer Straße. Auch der Nachtclub "Pratersauna" gehört ihm. Ho ist bekannt mit dem gewesenen Kanzler Sebastian Kurz, zu dessen Beraterstab er zeitweilig gehört hat. Er bringt sein Renommee und ein Image mit. Im "Leo Grand" will er eine Fusion-Küche etablieren, das Lokale mit dem Internationalen spielerisch kombinieren.

Neue Hotels in Wien: In einigen Zimmern und Suiten ist der jahrhundertealte, seiner Funktion beraubte hölzerne Dachstuhl freigelegt.

In einigen Zimmern und Suiten ist der jahrhundertealte, seiner Funktion beraubte hölzerne Dachstuhl freigelegt.

(Foto: Lenikus)

Namensgeber des Hotels ist Kaiser Leopold I. Seinem Finanzier, dem Bankier Samuel Oppenheimer, hatte das Haus am Bauernmarkt einst gehört. Während Leopolds Regierungszeit als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation kam es zur zweiten Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich, dessen Truppen zurückgeschlagen werden konnten - so erfolgreich, dass Ungarn an die Habsburger fiel. Leopolds größter Gegenspieler auf europäischer Bühne war der französische König Ludwig XIV.

Im "Leo Grand" triumphiert der Habsburger restlos über seinen Bourbonen-Widersacher: Das Konterfei Ludwigs findet sich in den Teppichen, man tritt ihn also unweigerlich mit Füßen. Während Leopold über den Schlaf der Gäste wacht: Die hohen Wandkissen der Betten sind nach dem Schwung der Habsburger Lippe geformt, dem typischen Zug um die Mundpartie, der sich in der Herrscherfamilie stark vererbt hat.

Neue Hotels in Wien: Die Habsburger Lippe findet sich stilisiert in der geschwungenen Form der Wandkissen wieder.

Die Habsburger Lippe findet sich stilisiert in der geschwungenen Form der Wandkissen wieder.

(Foto: Lenikus)

Leopold I. war ein eher schriller Charakter und sehr kunstaffin. Das "Leo Grand" versteht sich als ein Hotel gewordenes Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn dieser Mensch heute der Gastgeber dieses Haus wäre? Entsprechend unkonventionell, aufgeschlossen und ein bisschen queer präsentiert sich das Hotel. Die Zimmer und Suiten werden, je höher sie liegen, desto größer - in einigen ist der jahrhundertealte, seiner Funktion beraubte hölzerne Dachstuhl freigelegt. Der schönste Platz ist womöglich auf einer Empore in der Leopold Suite, in der freistehenden Badewanne dort, mit Blick auf die Hauptfassade des Stephansdoms. Wenn einem der Sinn einmal nicht nach Trubel steht.

The Leo Grand, Bauernmarkt 1, A-1010 Wien, Tel.: 0043/1/90 606, E-Mail: rezeption@theleogrand.com. Einführungspreise ab 311 Euro. theleogrand.com

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

Zur SZ-Startseite
Teaser Städtereisetipps mit Kinder

SZ PlusFamilienurlaub
:So macht der Städtetrip auch Kindern Spaß

Spaßbad und Mitmach-Ausstellung statt Sehenswürdigkeiten abhaken: Eine Städtereise mit der ganzen Familie muss nicht nur den Eltern etwas bieten, sondern auch den Kleinen. Sieben Beispiele, wie das gelingen kann - von Wien über London bis Barcelona.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: