Weltreisender:"Mein Leben ist sehr anders"

Der Weltreisende Benjamin Nerding an einem Strand

Allein am Strand entlang wandern, ohne Zeitdruck: Davon träumen viele. Benjamin Nerding macht es.

(Foto: Benjamin Nerding)

Benjamin Nerding bereist seit zehn Jahren die Welt. Nicht einmal die Pandemie konnte ihn aufhalten.

Interview von Stefan Fischer

Seit zehn Jahren ist Benjamin Nerding, 33, ununterbrochen auf Reisen. Nach einer Ausbildung zum Klempner ist er 2011 von seiner Heimatstadt Landau in der Pfalz durch die Alpen gewandert - anfangs war er noch entschlossen zurückzukehren. Er ist dann aber doch durch Europa getrampt, war lange in Marokko, hat Nordafrika, den Nahen Osten und den Kaukasus kennengelernt. Anschließend ist er mit dem Fahrrad durch Westafrika und die Karibik gereist. Inzwischen fährt er mit seinem Tandem seit Längerem durch Südamerika. Aktuell hält ihn die Pandemie jedoch seit Monaten in Ecuador fest. Ein Gespräch über Abenteuer, Neugier und Rastlosigkeit.

Weltreisender: Zurzeit ist er auf Ecuador beschränkt und wandert viel. Bald will Nerding aber weiter bis an die Spitze Südamerikas.

Zurzeit ist er auf Ecuador beschränkt und wandert viel. Bald will Nerding aber weiter bis an die Spitze Südamerikas.

(Foto: Benjamin Nerding)

SZ: Herr Nerding, Sie reisen zwar langsam. Aber für mehrere Monate wollten Sie sich vermutlich nicht in Ecuador aufhalten?

Benjamin Nerding: Ich wollte ein Weilchen bleiben und dann nach Peru weiterradeln. Aber dann ist die Pandemie ausgebrochen. Jetzt bin ich eben hier und reise innerhalb des Landes, gehe viel bergsteigen. Anfangs herrschte Panik wegen Corona, aber nur ein paar Wochen lang. Die Beschränkungen sind viel lockerer, Geschäfte, Restaurants und Hotels haben geöffnet, ich habe viel unternehmen können und war inzwischen in allen Ecken des Landes. Nun hoffe ich, dass die Grenze zu Peru bald aufgeht.

Haben Sie langfristige Reisepläne?

Im Moment ohnehin nicht. Aber ich habe auch noch nie im März schon gewusst, wo ich im Mai oder Juni sein werde. Schön finde ich es, wenn mir Leute sagen: Da musst du noch hin! Dann mache ich das. Es gibt nur einen groben Plan: Ich möchte mit dem Tandem von Ecuador nach Argentinien über Peru, Bolivien, Chile, Paraguay und Uruguay bis ganz in den Süden fahren.

Das Tandem von Benjamin Nerding und seiner Freundin

Zu zweit tritt es sich leichter: Nerding ist mittlerweile mit seiner Freundin auf dem Tandem unterwegs.

(Foto: Benjamin Nerding)

Sind Sie denn zu zweit?

Ja, seit Oktober 2019 bin ich mit meiner Reisebegleiterin unterwegs.

Ist Deutschland noch Ihr Zuhause?

Nein, eigentlich bin ich seit 2011 ununterbrochen unterwegs. Die ersten paar Monate habe ich gedacht, dass ich vielleicht noch einmal zurückkomme. Nach meiner Lehre hatte ich damit geliebäugelt, zur Feuerwehr zu gehen. Wenn ich zurückkomme, dann für kurze Zeit wegen der Familie. Mein Opa ist inzwischen 94, den habe ich im letzten Jahr besucht, auch meine Eltern und alte Freunde. Manchmal bin ich zwei, drei Jahre lang nicht in Deutschland.

Können Sie sich vorstellen, wieder sesshaft zu werden?

Manchmal schaue ich auf eine Weltkarte und denke, dass mir die Zeit wegrennt. Ich bin schon so lange unterwegs und habe trotzdem noch so vieles nicht gesehen. Asien fehlt im Prinzip noch komplett, Nordamerika auch. Wenn ich in einem Land bin, will ich überallhin, will alles machen, alles essen, die ganze Musik hören. Es gibt noch viel zu sehen und zu erleben. Solange ich mental und körperlich fit bin, will ich das ausnutzen.

Sie lernen stets neue Menschen kennen, von denen Sie sich kurz darauf wieder verabschieden. Ist das schwierig?

Ich habe mich daran gewöhnt. Mein Leben ist sehr anders als das der meisten Menschen. Freundschaften zu pflegen, ist fast unmöglich. Relativ viel Glück hatte ich bis jetzt mit Beziehungen: Ich habe mich in Frauen verliebt, die tatsächlich mitgekommen sind. Bei denen, die das nicht wollten, wusste ich, dass das langfristig eh keinen Sinn macht. Und nach jedem Abschied kommt ein neues Kennenlernen, was auch schön ist. Mein Lebensstil ist alles für mich.

Ist das der Reiz des Unterwegsseins: Menschen kennenzulernen?

Ja. Am Anfang bin ich mit dem Fahrrad und zu Fuß durch Deutschland, die Schweiz und Österreich, weil meine Sprachkenntnisse nicht so gut waren. Dann habe ich zu trampen angefangen, habe einen Haufen Leute kennengelernt und Sachen gemacht, die ich mir vorher nie vorstellen konnte. Es war egal, wo ich war, ich konnte mit anderen Leuten reden, teilweise mit Händen und Füßen. Ich habe so viel erlebt. Mittlerweile spreche ich fließend Englisch, Französisch und Spanisch. Aber meine Geduld, mit Leuten zu kommunizieren, ist geringer geworden. Ich habe wahrscheinlich jetzt schon so viele Leute getroffen wie andere in zwei oder drei Leben. Alleine oder zu zweit durch die Landschaft zu marschieren und meinen Frieden zu finden, zu entspannen, ist mir wichtig.

Benjamin Nerding

"Am Anfang hatte ich nicht einmal eine Kamera." Benjamin Nerding lebt von digitalen Dienstleistungen für Hotels und Hostels.

(Foto: Benjamin Nerding)

Meiden Sie große Städte?

Nein, in den Städten gibt es viel zu erleben. Ich liebe Partys, es gibt mehr Möglichkeiten, etwas zu unternehmen. Ab und zu bin ich gerne in großen Städten.

Wie finanzieren Sie sich das Leben?

Ich arbeite für Hotels und Hostels, denen ich digitale Dienstleistungen anbiete. Außerdem habe ich Sponsoren, die mir Ausrüstung zur Verfügung stellen. Angefangen hat das 2016, als ich mit meiner Ex-Freundin das Projekt Tandem Ramble gestartet habe. Ganz am Anfang hatte ich nicht einmal eine Kamera. Das war eine sehr turbulente Zeit, in der ich erwachsen geworden bin durch die vielen neuartigen Erfahrungen. Inzwischen kenne ich viele Facetten des Reisens und des Lebens, und es waren so viele Sachen dabei, wo ich sage: Gott sei Dank habe ich das gemacht.

Wann ist Ihnen klar geworden: So will ich leben?

Statt eine Ausbildung bei der Feuerwehr anzufangen, bin ich nach meiner Wanderung durch die Alpen nach Istanbul getrampt - ich habe mir gesagt: Dann hast du was zu erzählen, wenn du wieder daheim bist. Dann bin ich aber doch nicht nach Hause. Stattdessen habe ich alles abgebrochen, was zu Hause übrig war, und bin weiter durch Europa und schließlich nach Marokko. Dort wollte ich drei Monate verbringen - und bin für eineinhalb Jahre geblieben. Es ist immer noch mein Lieblingsland, ich habe mich in Marokko verliebt, in den Lebensstil. Das war das erste Mal tatsächlich etwas komplett anderes für mich. Vor zehn Jahren hätte ich gesagt: Was soll ich Spanisch reden oder Französisch oder selbst Englisch? Was brauche ich so etwas? So ignorant war ich in vielen Dingen. Programmiert, würde ich sagen. Jetzt bin ich viel offener und stolz auf die Bildung und Erfahrung der letzten zehn Jahre.

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