Wellness:Im Barrique gebadet

Traditionelle Weingegenden locken mit einem neuen, ganzheitlichen Verwöhnprogramm, der "Vinotherapie"

Es soll ja auch in diesen durchtrainierten Zeiten noch Menschen geben, denen chromblitzende Fitnessstudios Angst einflößen und die die Idee einer Wasser-Semmel-Kur nach F. X. Mayr als zutiefst verstörend empfinden. Menschen, denen Selbstkasteiung fremd ist, die aber dennoch ein enges und freundschaftliches Verhältnis zum eigenen Körper pflegen und ihm gerne etwas Gutes tun. Dieser Typus des bewussten Genussmenschen blieb bisher von der schönen, großen Welt des Wellness-Marktes merkwürdig unbeachtet. Das soll sich jetzt ändern. In Europas Weinregionen entstand in den vergangenen Jahren ein neuer Wellness-Trend, der auf die Bedürfnisse des bekennenden Genießers zugeschnitten ist, Vinotherapie - das klingt nach wohltuender Entspannung, gepaart mit Genuss. Denn Wein wächst nicht nur in schönen Landschaften, meist wird, wo Reben wachsen, auch gut gekocht. So hat Italiens erstes Zentrum für Vinotherapie im Piemont seine Pforten geöffnet. Das Relais San Maurizio, ein ehemaliges Kloster, ist heute ein kleines, feines Hotel mit Vino-Spa. Auch im Bordelais, an der Nahe und an der Mosel wird die Weintherapie angeboten.

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(Foto: Foto: Imago)

Was die Natur dort so großzügig und üppig schenkt, liefert nicht nur das Rohmaterial für hervorragende Weine, sondern auch für einen ganz neuen kosmetischen Ansatz. Denn Traubenkerne enthalten jede Menge Polyphenole, eine Substanz, die die freien Radikale - die Hauptverantwortlichen für die Hautalterung - bekämpft. Als Creme aufgetragen, straffen Polyphenole die Haut und beu- gen Falten vor. Werden sie eingenommen, stärken sie die Blutgefäße, aktivieren den Stoffwechsel und reduzieren das Risiko von kardiovaskulären Krankheiten.

Im Barrique gebadet

Ein vinotherapeutisches Pflegeprogramm beginnt zum Beispiel mit einem "Barrique- Bad", einer Art Vino-Jacuzzi. Ins blubbernd warme Wasser wird eine Handvoll rotbraunes Pulver gegeben, pulverisierter Trester, also das, was bei der Produktion von Rotwein übrigbleibt, Schalen und Kerne. Massiert von den Wasserstrahlen lässt man sich treiben, jegliche nervöse Anspannung verlässt den Körper, verliert sich in Wohlgefallen und violettem Schaum.

Wellness: Das "Barrique - Bad"

Das "Barrique - Bad"

(Foto: Foto: Böhm)

"Erfunden" wurde die Vinotherapie in den Neunzigerjahren in Frankreich - wo sonst? Joseph Vercauteren, Pharmakologe an der Universität Bordeaux, besuchte eines Tages das Weingut Smith Haut Lafitte und war entsetzt, was dort als Abfall der Weinproduktion weggeworfen wurde. Schalen, Kerne - also genau der Teil der Traube, wo die wertvollen Polyphenole sitzen. Gemeinsam mit der Winzerstochter Mathilde Cathiard entwickelte er eine Serie von Pflegeprodukten, die auf kaltgepresstem Traubenkernöl basiert: "Les Sources de Caudalie". Sie werden auch im Vino-Spa des Relais San Maurizio im Piemont verwendet.

Besonders beliebt ist dort das "Crushed Cabernet Peeling". Der Körper wird mit einer Mischung eingestrichen, die direkt aus Großmutters Hausrezeptesammlung stammen könnte: Traubenkerne, Traubenkernöl, Honig und Salz - 100 Prozent Natur also. Die Phenole aus den Traubenkernen bewirken ein leichtes Peeling, abgestorbene Hautzellen werden sanft abgeschmirgelt. Der Honig in Verbindung mit dem Salz wiederum macht die Haut weich und geschmeidig. Anschließend folgt eine Sauvignon-Massage, bei bei der Körper mit einem Traubenkernöl von der Sauvignon-Rebe massiert wird.

Das Schönste an der Vinotherapie ist: Überall, wo sie angeboten wird, sorgt man auch bei Tisch bestens für das Wohl der Gäste. Dass Rotwein, in Maßen genossen, das Risiko von Herz-Kreislauf- Erkrankungen senkt, heißt es. Der Wein sei unter allen Arzneien die Schmackhafteste - das sagte schon Plutarch. Also greift man abends auf der Terrasse mit Blick über die Weinberge zur Medizin: ein Glas Barolo, der im Licht der Abendsonne im Glas funkelt, dazu ein Risotto mit Steinpilzen oder eine im Ofen überbackene Kalbshaxe - weitere Argumente für die Buchung einer Vinotherapie. Wer zweifelt, der ist wohl doch eher der Typ für spartanische Turnhallen-Fitness.

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