Wein:Von Buschenschank und Klapotetz

Einst als das Armenhaus Österreichs verschrien, hat sich die Steiermark mit all ihren Eigenheiten zur Urlaubsregion entfaltet. Nicht ganz unbeteiligt daran ist der Rebensaft. Und ein Skandal.

Von Andreas Schätzl

Es regnet. Ausnahmesweise. Aber dafür nicht einfach gerade herunter, sondern kreuz und quer. Der Wind treibt das Nass gnadenlos durch die Gassen vor sich her. Schön, wenn man im Trockenen ist.

Toskanischer Charakter

Toskanischer Charakter: in der Steiermark

(Foto: Foto: Tourismusverband Steiermark)

Wie zum Beispiel in der staatlichen (und stattlichen) Vinothek hier in Deutschlandsberg, die gerade erst eröffnet hat. Wenn man reichlich mit Wein und Käse ausgestattet und zugleich mit fachkundigem Wissen rund um diese vormittägliche Atzung versorgt wird. Vinotheksleiter Hans-Jörg Arndt zeigt viel Ehrgeiz bei seinem Ansinnen, uns alles über den Schilcher nahe zu bringen, jenen Wein, der so lange in Misskredit stand, zusammen mit praktisch jedem anderen Wein aus Österreich.

Glücksfall Glykol

"Der Glykol-Skandal", nimmt Arndt das böse Wort wieder einmal in den Mund. Aber: "Das war das Beste, was dem österreichischen Wein hat passieren können, damals 1985, 1986. Danach ist es mit der Qualität permanent bergauf gegangen."

Arndt muss es wissen, ist er doch seit vielen Jahren Beamter in Sachen Wein. Eigentlich schon seit Generationen: "Mein Großvater ist zu k.-und-k.-Zeiten auch schon offizieller Wein-Inspekteur gewesen." Damals, als Schilcher noch fast ein Schimpfwort war. "Die Leute haben geglaubt, dass da ein Stoff vom Keltern her drin ist, der jeden dumm oder aggressiv macht. Hat aber nie gestimmt." Allerdings, räumt Arndt ein, sei der Wein auch dadurch viel besser geworden, weil man irgendwann die Rebe durch "manuelles Aufpropfen" veredelt habe. Früher ließ man da der Natur ihren Lauf - nicht immer eben zum Vorteil des Konsumenten.

Leider gerieten dadurch auch die Buschenschanken gleich mit in Verruf, jene von Privatleuten (= Winzern) betriebenen Weinschänken, in denen - vergleichbar mit den Besenwirtschaften in Baden-Württemberg - saisonal bedingt junger Wein ausgeschenkt wurde. Inzwischen sind diese Etablissements rundum luxuriöser konzipiert und schenken reinen Wein ein.

Schillernder Charakter

Der Schilcher wird vollständig aus nur in der Steiermark gewachsenen Blauen Wildbacher-Trauben gekeltert. Die Farbe dieses Rosé-Weins ist zwiebeltönig bis rubinrot, der Wein selbst ausgesprochen säurehaltig. Damit er nicht richtig rot wird, unterbricht man die Gärung relativ früh. Ganz "weiße" Schilcher nennt man denn auch "weißgepresst". Der Name Schilcher kommt übrigens von seiner eigenwilligen Farbe, die "schillert".

Der klassische Bereich des Schilchergebiets ist die Weststeiermark, erfahren wir von Arndt. Durch sie verläuft die Schilcher-Weinstraße. Auf dieser liegen neben Deutschlandsberg die Orte Eibiswald, St. Florian, Kottendorf, Schwanberg, St. Stefan, Stainz und Wies. Wobei Stainz als "Schilcher-Zentrum" bezeichnet werden kann.

Von Buschenschank und Klapotetz

Die Weststeiermark mit 433 Hektar Rebfläche und rund 500 Weinbaubetrieben ist eines der drei Weinbaugebiete in der Steiermark. Die schmale, lang gestreckte Region grenzt im Süden an Slowenien. Es ist ein uraltes Weinbaugebiet, denn schon die Illyrer, Kelten und später die Römer bauten hier wahrscheinlich Reben an. Bei St. Florian wurden keltische Gräber gefunden. Ein Weinbau lässt sich bis in das vierte Jahrhundert vor Christi zurückverfolgen - und möglicherweise ist auch die Schilcherrebe bereits so alt.

Weinglas

Reinen Wein eingeschenkt

(Foto: Foto: Tourismusverband Steiermark)

Schmecken tut der Schilcher jedenfalls eher "jung" - aber man muss schon sagen, dass er nicht jedermanns Geschmack ist. Dafür kommt er einfach zu eigenwillig daher mit seiner fruchtigen Säure. Wenig Kompromisse. Das räumt auch unser Beamter lächelnd ein.

Die Südsteiermark

Etwa 2000 Hektar umfasst dieses zweite Weingebiet im Steirischen. Hier gedeihen vor allem Weißweine, etwa Muskat, Sauvignon Blanc, Sylvaner, Chardonnay (hier "Morillon" geheißen), Müller-Thurgau und Welschriesling.

Der studierte Önologe (= Wein-Wissenschaftler) Siegfried Melcher sorgt sich zusammen mit seinem Sohn und Weinbau- und Kellermeister Arnold um sieben Hektar Rebengebiet rund ums Familienschloss Gamlitz. Er weiß um die Geheimnisse guten Weißweins. "Der mag nun einmal spürbare Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, das brauchen die weißen Trauben, um Geschmacksfülle und -struktur gleichermaßen zu entwickeln." Auch ein wenig Wind könne nicht schaden. Bei Rotweinen sei das anders, führt der weißhaarige Grandseigneur weiter aus, die zögen nun einmal ein konstanteres Klima, sprich: mehr durchgehende Wärme vor.

Von Buschenschank und Klapotetz

Klapotetz

Klapotetz: klapperndes Windrad gegen gefräßige Vögel

(Foto: Foto: Tourismusverband Steiermark)

Steirische Toskana

Andererseits: "Mediterran" ist es hier schon. Der viel strapazierte Begriff von der "steirischen Toskana" kommt nicht von ungefähr. Schon im Mai brennt die Sonne mitunter heftig in die von Rebstöcken überzogenen Hänge, die Luft flimmert beim Blick in die Ferne, der kaum verstellt wird, und die Grillen zirpen, was die Flügel halten.

Und allüberall in und auf den Weinbergen klappern die Klapotetze, jene Windräder, die eigentlich dazu dienen, gefräßige Vögel von den Reben fernzuhalten, realiter indes die neugierigen Piepmätzer eher anlocken.

Interessant auch: Die ansässigen Weine weisen so viel eigenen Charakter und Durchsetzungsvermögen auf, dass selbst bei ausgedehnteren Degustationen die einzelnen Geschmackseindrücke nicht schnell ineinander fließen. Danke, Glykol!

Im Südosten

Klöch. Vermutlich der wichtigste Ort in dem etwa 1200 Hektar weiten Anbaugebiet der Südoststeiermark. Einer größeren Gemeinde bekannt geworden durch Wolf Haas. Der setzte der Ortschaft anno 96 gewissermaßen ein Denkmal, indem er seinen zweiten Brenner-Krimi dort ansiedelte. Eine tendenziell unappetitliche Geschichte von Morden rund um eine Backhendlstation.

Backhendl sind allerdings tatsächlich eine - durchaus appetitliche - steirische Lokal-Attraktion, aber das ist jetzt eine andere Geschichte. Denn ob all die Hühner genau so auf der basalthaltigen Erde des "steirischen Vulkanlands" gedeihen wie die Vinum-Spezialität der Region, der Gewürztraminer, sei dahingestellt. Diese Rebe sprießt hier jedenfalls so gerne, dass der Wein davon im Repertoire eines fast jeden Weinbauern der Region vorkommt.

Seminare, Seminare

Mittlerweile brüllt die Sonne wieder vom stahlblauen Himmel. Beeindruckend liegt das Weindorf Sankt Anna am Aigen auf einem Berg. Entsprechende Aussicht, uralte Stadtmauer, winklige Gässchen und trotzdem kein Gefühl drangvoller Enge. Und die kühn an den Steilhang gepappte "Gesamtsteirische Vinothek". Deren Programm quillt nachgerade über von unterschiedlichsten Wein-Seminaren, Degustationsterminen, Vernissagen.

Von Buschenschank und Klapotetz

Weinlese

Die oftmals sehr steilen Hanglagen lassen keine maschinelle Weinlese zu.

(Foto: Foto: Tourismusverband Steiermark)

Peter Haarer, Weinbauer und Vorsitzender der südoststeirischen Winzervereinigung, ist einer der Hauptreferenten. "Sie werden's nicht glauben", lacht der stämmige Patron, "aber wir haben hier schon ganz viele Novizen zu veritablen Weinkennern herangezogen. Eine jede solche Bekehrung freut uns aufs Innigste." Und tut natürlich auch dem Geschäft gut, klar.

Ganz dem "Vulkanischen" verhaftet, füllen einige Winzer hier ihre jeweils besten Produkte unter dem Markenbegriff "Eruption" ab. Zwei Sortengruppen hat man dafür ausgewählt, erzählt Weinbauer Rupert Ulrich: Die Burgundertraube - Weißburgunder, Grauburgunder und Morillon (wie eben der Chardonnay im Steirischen heißt) - prägt die weiße "Eruption". Die roten "Ausbrüche" basieren auf der Blaue-Zweigelt-Rebe.

Weiß ist rein

Einen farblichen Kontrast zu dem kräftigen Weinrot bildet das klare, saubere Weiß des Fetts in jenem speziellen Schinken, der in der Südoststeiermark als Vulcano-Schinken firmiert und der es durchaus mit San Daniele, Aosta oder Serrano aufnehmen kann. "Das reine Weiß kommt von daher, dass wir nur Mais und Getreide an unsere Schweine verfüttern", weiß die Leiterin des Betriebs, in dessen Lagerräumen hunderte köstlicher Schinkenkeulen friedvoll vor sich hinreifen.

"Ohne Knochen trocknen die Schinken acht Monate lang in der Luft, mit Knochen 15. Außerdem wird durch eine solche Nahrung das Fleisch nicht zäh." "Wir", das sind übrigens vier bäuerliche Familienbetriebe, die das Borstenvieh für "Vulcano" züchten.

So schmackhaft dieses Fleisch auch ist: Die eine oder andere Faser bleibt naturgemäß zwischen den Zähnen haften. Was bei den eingelegten Pilzen und Kürbissen der Familie Fink nicht der Fall ist. Die raffinierten Marinaden sind zum Teil tradiertes Familiengut, zum Teil "Neuentwicklungen". "Aber die Schwammerl sammeln wir selbst", beharrt Bettina Fink, "das ist keine Zuchtware." Tröstlich.

Zeit zum Wandern

Alkohol, Fett, Zucker, Eiweiß sind hier in wahrhaft schwer zu widerstehende Gewänder gekleidet. Umso größer ist das Bedürfnis nach wiederholter Bewegung. Auch kein Problem: Wander- und Radwege durchziehen die gesamte Steiermark mit einem dichten Netz.

Wer indes "nur" einmal seiner Seele zu Auslauf zwischen Rebstöcken verhelfen will, der findet hier die Gelegenheit dazu buchstäblich auf Schritt und Tritt.

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