Weihnachtsbrauch in Schweden:"Der Bock muss brennen"

Brandanschläge auf eine Strohfigur sind im schwedischen Gävle Tradition. Mittlerweile entflammt das Strohfeuer weltweit die Fan-Herzen.

Gunnar Herrmann

Ruhm ist vergänglich, heißt es. Aber manchmal bringt Vergänglichkeit auch Ruhm. Zum Beispiel in Gävle: Seit mehr als 40 Jahren wird dort zum ersten Advent ein etwa zwölf Meter hoher Bock aus Stroh errichtet. Das Weihnachtsmaskottchen hat die schwedische Provinzstadt zwei Autostunden nördlich von Stockholm über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht.

Weihnachtsbrauch in Schweden: "Brenne, Bock, brenne!". Viele Fans des Gävlebocks setzen auf das Feuer.

"Brenne, Bock, brenne!". Viele Fans des Gävlebocks setzen auf das Feuer.

(Foto: Foto: AP)

Selbst in den USA gibt es Fans, die über Webcams den Bock bestaunen, jedoch nicht allein wegen der schönen Adventsstimmung. Sondern auch weil die Geschichte des Gävlebocks dunkel und dramatisch ist: Sie handelt von Ruhm und Feststimmung, aber auch von gemeinen Attentaten. Und in diesem Jahr ist das Wahrzeichen besonders gefährdet, denn seine Erbauer haben auf das Flammschutzmittel verzichtet.

Als Kaufleute im Jahr 1966 den ersten Großbock auf dem Schlossplatz errichteten, da griffen sie auf alte Bräuche zurück. Solche Strohfiguren gehörten, in kleinerer Version, zum schwedischen Weihnachtsschmuck. Die Riesen-Deko werde sicher Kunden anlocken, hofften die Ladenbesitzer. Und so war es dann auch.

Doch schon der erste Gävlebock ging kurz nach Weihnachten in Flammen auf. Der Brandstifter wurde zwar bald festgenommen. Aber da hatte er mit seiner Tat schon eine neue Tradition begründet: In den 41 Weihnachtsfesten seit 1966 ist der Bock nur zehnmal unversengt geblieben. Neben unzähligen Brandanschlägen wurde er auch einmal mit einem Auto umgefahren (1976), ein anderes Mal amputierten ihm Unbekannte die Beine (1983).

Wetten bei britischen Buchmachern

Bei britischen Buchmachern kann man Wetten darauf abschließen, ob es der Bock bis zum Neujahrstag schafft. Dieses Jahr sprechen die Quoten eindeutig dagegen. Der Grund: Die Organisatoren haben den Sponsor gewechselt. Im vergangenen Jahr finanzierte ein Flammschutzmittelhersteller den Bock. Der imprägnierte das Maskottchen, und es blieb bis zum Schluss verschont. In diesem Jahr arbeitet das Bockkomitee von Gävle jedoch mit einer Whiskyfirma zusammen. Das Flammschutzmittel wurde weggelassen.

"Der Bock muss brennen"

Im Forum der Gävlebock-Webseite stehen bereits bedrohliche Nachrichten. "Brenne, Bock, brenne", schreibt da etwa ein Mensch namens "Ivar". Und "Per" meint, es sei zwar schade, aber das mit der Brandstiftung sei nun mal so Brauch: "Der Bock muss brennen, sonst stimmt was nicht."

Einige Besucher weisen auch darauf hin, dass die Flammen nicht nur Schaden anrichten. Schließlich würden sich ohne Feuer kaum so viele Menschen für Gävle und den Bock erwärmen, meinen sie. Und bei dieser Bemerkungen schwingt der Verdacht mit, dass die Organisatoren vielleicht Hintergedanken hatten, als sie den Flammschutz einsparten. Der Verdacht, dass der Bock eigentlich eine Art modernes Brandopfer geworden ist, dargebracht, um Aufmerksamkeit zu erregen und das Weihnachtsgeschäft anzuheizen.

Es ist ein Verdacht, den Kurt Lagerholm weit von sich weist. Der Vorsitzende des Bockkomitees versichert, dass er keinesfalls den Flammentod des Maskottchens herbeisehnt. Das Komitee scheue keine Mühen, um den Bock zu schützen. Man habe sogar einen Sicherheitsdienst engagiert, der ab und zu nach dem Rechten sehe. Schließlich investiere man viel, um aus 1,3 Tonnen Stroh und knapp 80 Meter rotem Stoffband die Riesenfigur zu basteln.

"Ich könnte es niemals gutheißen, wenn mehr als 100.000 Kronen in Rauch aufgehen", beteuert Lagerholm. Auf das Flammschutzmittel hat man ihm zufolge nur verzichtet, weil die Chemikalie den Bock schmutzig-grau färbte. "Unser Bock soll aber strohgelb sein, deshalb müssen wir nun ohne das Mittel auskommen", erklärt der Chef des Komitees.

Ihm gefällt auch die Behauptung nicht, der Bock sei nur dazu da, um Aufmerksamkeit zu erregen. "Vor allem stellen wir ihn für die Bürger von Gävle auf, damit sie sich zu Weihnachten daran freuen können", erläutert Lagerholm, der bei der Lokalzeitung als Marketingchef arbeitet. "Es wäre furchtbar, wenn nur ein verkohltes Skelett auf dem Schlossplatz steht, da kommt doch keine Stimmung auf." Bislang ist der Vorsitzende des Bockkomitees jedoch guter Dinge.

Er freut sich vor allem über die dunklen Wolken, die seit Tagen Schneeregen auf Gävle herab klatschen lassen: "Der Bock ist jetzt durch und durch nass - wir sind im Vorteil."

Webcam: www.merjuligavle.se/Bocken

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: