Wechselhafte Geschichte:Potpourri der Kulturen

Wechselhafte Geschichte: Das Museum Casa Rocca Piccola in Valletta zeigt anschaulich, wie der Adel im 16. Jahrhundert lebte.

Das Museum Casa Rocca Piccola in Valletta zeigt anschaulich, wie der Adel im 16. Jahrhundert lebte.

(Foto: viewingmalta.com)

Maltas Geschichte erzählt von all den Eroberern, die hierherkamen und gingen. Dies zeigt sich in Sprache, Architektur und der Religion.

Von Viktoria Großmann

Die Malteser beten zu "Alla". Manchmal fluchen sie auch in seinem Namen, besonders wenn sie Busfahrer sind. Aber das gehört sich natürlich nicht. Denn die Malteser sind gute Christen. Sie sind so gute Christen, dass sie der Überzeugung sind, der Apostel Paulus persönlich habe sie knapp 30 Jahre nach Jesu Kreuzigung zum Glauben geführt. Die Europäische Union konnte den frommen Insulanern erst 2011 das Recht auf zivilrechtliche Scheidung abringen. Sonntags sitzen die Malteser mindestens zwei Stunden lang in der Kirche. Danach gehen sie essen und belächeln die Għawdxi (sprich: Audschi), so heißen die Bewohner der Nachbarinsel Gozo in der Landessprache, weil die geschlagene fünf Stunden in der Messe verbringen.

Was also macht Alla im Abendland? Auf diesem gelben Steinfelsen im Mittelmeer, der während der Zeit des Johanniterordens zwischen 1530 und 1798 Schutzwall gegen die Osmanen war? Die Mauren haben ihn dagelassen. Die waren von allen Seefahrernationen, die in mehr als 7000 Jahren über die Insel hergefallen sind, zwar noch am kürzesten da, doch ihre Sprache blieb. Die Mauren haben die Insel 870 einmal fast entvölkert, 1048 wieder besiedelt und unterlagen schon 1090 den Normannen. Trotzdem sind die Malteser heute das einzige europäische Volk, das eine arabischstämmige Muttersprache hat und sie haben die einzige arabische Sprache, die sich lateinischer Schriftzeichen bedient.

Die maltesische Geschichte beginnt im Neolithikum. Ausgrabungsfunde belegen, dass Gozo schon um 7000 vor Christus besiedelt war. Die ältesten Funde auf Malta stammen von etwa 5200 vor Christus. Besonders sehenswert sind die gut erhaltenen Anlagen von Ħaġar Qim und Mnajdra nahe dem Ort Zurrieq. Im Hypogäum, einer unterirdischen Anlage im heutigen Ort Paola, wurde die Statuette einer korpulenten, schlafenden Priesterin gefunden, die sich heute im Museum für Archäologie in Valletta befindet und an Souvenirständen als Nachbildung in allen möglichen Größen zu haben ist. Die frühen Kulturen starben jedoch um etwa 2500 vor Christus aus. Dass Malta, das so alleine im Mittelmeer liegt, dass man selbst an klaren Tagen nicht bis Sizilien gucken kann und das auf EU-Karten rot umkringelt oder ein bisschen vergrößert werden muss, damit man es sieht, heute überhaupt besiedelt ist, hat es anscheinend seiner aus Seefahrersicht erstklassigen Lage zu verdanken.

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Das Jahr 1942 ging als zweite große Belagerung nach der türkischen von 1565 ein

Briten, Franzosen, Spanier, Staufer, Normannen, Mauren, Vandalen, Römer und Punier bevölkerten und entvölkerten die Insel. Verschanzten sich oder bereiteten von hier aus Seeschlachten vor. Nur die Phönizier kamen in rein friedlichen Absichten, um die natürlichen Häfen für den Handel auszubauen. 1530 trafen die Ritter des Johanniterordens ein, denen Karl V. Malta als Ersatz für das von den Türken eroberte Rhodos überlassen hatte. Sie gaben Malta sein heutiges Wappen, machten die Bevölkerung noch christlicher, als sie es ohnehin schon war, nahmen den wegen Mordes aus Rom verbannten Maler Caravaggio auf und übernahmen schließlich den Namen der Insel für die Ordensbezeichnung. 1798 gaben sich die Malteser Napoleon geschlagen und zogen nach Rom. Die Franzosen raubten die Insel in nicht einmal zwei Jahren gründlich aus, hinterließen aber das am häufigsten zu hörende Grußwort auf der Insel: Bonġu, sprich Bondschu, ein verballhorntes Bonjour also. Weil die Malteser unter den Franzosen aber nur wenige gute Tage hatten, holten sie die Briten zu Hilfe, welche die Franzosen vertrieben und sich zum Dank für 164 Jahre festsetzten.

Die Malteser wären laut einem Referendum von 1955 ganz gerne Teil des Königreichs geblieben, aber das wollten die Briten nicht. Geblieben ist Englisch als Amtssprache, was Malta bis heute eine gute Einnahmequelle durch jährlich etwa 78 000 Sprachschüler beschert. Die allerdings allesamt einem Irrtum aufsitzen: Denn Englisch wird auf den Straßen, in den Bars, in den Bussen nicht gesprochen. Dort hört man nur Maltesisch, auch Malti genannt. Englisch sprechen Malteser nur, wenn man sie auf Englisch anspricht. Das hört sich zunächst nicht anders an als Malti: Der leicht kehlige Akzent und die stark wechselnden Tonhöhen des Malti klingen selbst bei den besten Englischsprechern durch.

Nicht nur an der Sprache, auch an der Architektur lassen sich die Besatzungsphasen ablesen. Die Normannen hinterließen der früheren Hauptstadt Mdina im Zentrum der Insel das älteste Wohnhaus, das Erdgeschoss des Palazzo Santa Sofija stammt von 1233 - ein Beispiel für die siculonormannische Architektur. Die Normannen sollen ihn aus dem Schutt eines zuvor abgerissenen maurischen Palasts gebaut haben. Ebenfalls an Nordafrika erinnern die geschlossenen, meist grün gestrichenen Balkone an den Wohnhäusern. Eine Mhuxrabija (das X spricht sich wie ein "sch"), ermöglicht es, auf die Straße zu sehen, ohne selbst gesehen zu werden. In arabischen Ländern ist das für Frauen gedacht, die nicht gesehen werden sollen. Angesichts der maltesischen Temperaturen, nützt so ein schattiger Balkon aber auch ohne solche gesellschaftlichen Zwänge mehr als ein offener.

Wie so ein Balkon von innen ausschaut, kann man sich in der Casa Rocca Piccola in Valletta anschauen. Das Privatmuseum führt das Leben einer Adelsfamilie in früheren Jahrhunderten vor, die ältesten Einrichtungsgegenstände stammen aus dem 16. Jahrhundert. Im Keller befinden sich Luftschutzbunker, in denen sich die Bewohner Vallettas vor dem Bombenangriffen durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg in Sicherheit brachten. 35 000 Häuser wurden durch Bomben zerstört, Malta war von der Versorgung über die Seewege abgeschnitten. In die Geschichte ging das Jahr 1942 als zweite große Belagerung nach der durch die Türken 1565 ein.

Der Legende nach durchschlug eine der deutschen Bomben die überdimensionierte Kuppel der Kirche von Mosta während einer Messe. Sie explodierte jedoch nicht und keiner der Gläubigen wurde verletzt. Alla sei dank.

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