Süddeutsche Zeitung

Warnstreiks:Nichts fliegt mehr

  • Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst hatten starke Auwswirkungen auf das Leben in Deutschland.
  • Besonders betroffen waren die Flughäfen - Köln-Bonn war stundenlang lahmgelegt, Frankfurt stark betroffen.
  • In verschiedenen Regionen Deutschlands sind in den nächsten Tagen weitere Streiks geplant.

Gestrichene Flüge, geschlossene Kitas, überquellende Mülltonnen, Stillstand bei Bussen und Bahnen: Hunderttausende Bürger in Deutschland haben am Dienstag die massiven Warnstreiks im öffentlichen Dienst zu spüren bekommen. Ein Schwerpunkt der Aktionen lag an deutschen Flughäfen. Der Flughafen Köln-Bonn stellte den Luftverkehr am Morgen stundenlang komplett ein, weil die Flughafenfeuerwehr die Arbeit niedergelegt hatte. An den ebenfalls bestreikten Airports Frankfurt, München, Köln und Bremen legte das Boden- und Kontrollpersonal die Arbeit nieder, Hunderte Flüge wurden annulliert.

Eine Sprecherin von Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main sprach am Dienstagmorgen von "argen" Auswirkungen im Flugbetrieb. Insgesamt waren 90 000 Fluggäste von den Streiks betroffen, allein bei der Lufthansa fielen 800 Flüge aus. Auch der öffentliche Nahverkehr, städtische Kliniken, Kitas und Hallenbäder wurden vielerorts bestreikt. Verdi zufolge sollen bundesweit 60 000 Beschäftigte von Bund und Kommunen dem Streikaufruf gefolgt sein.

Beschäftigte sollen von großen Überschüssen profitieren

Mit den Warnstreiks wollen Verdi und der Beamtenbund (DBB) kurz vor der dritten Tarifrunde den Druck erhöhen. Die Gespräche werden am 15. und 16. April in Potsdam geführt. Die Gewerkschaft fordert für bundesweit 2,3 Millionen Tarifbeschäftigte sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat.

Verdi-Chef Frank Bsirske bekräftigte am Dienstagmorgen auf dem Flughafen Frankfurt seine Forderung nach deutlich mehr Geld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. "Wann, wenn nicht jetzt kann es deutliche Sprünge nach oben für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben, auch für die im öffentlichen Dienst? Und wir sind entschlossen das durchzusetzen", sagte Bsirske. Die Konjunktur erlebe goldene Zeiten, so der Gewerkschaftschef. "Von Feiertagsstimmung in der deutschen Wirtschaft ist die Rede." An Aktionäre würden rekordverdächtige 46,5 Milliarden Euro ausgeschüttet und die Kommunen hätten im Vorjahr Überschüsse von 10,7 Milliarden Euro eingefahren. Davon müssten auch die Beschäftigten profitieren.

Angesprochen auf am Airport gestrandete Fluggäste sagte Bsirske: "Nicht schön, aber angesichts des Vorlaufs glaube ich, dass das hinzunehmen ist. Denn wenn diese Verhandlungen zu keinem vernünftigen Ergebnis führen nächste Woche, dann werden wir mit Eskalationen noch ganz anderen Ausmaßes rechnen müssen." Er setze aber darauf, dass nun Kompromissmöglichkeiten ausgelotet werden.

Für die kommenden Tage sind weitere Arbeitsniederlegungen geplant

Der Flughafenverband ADV kritisierte die Verdi-Warnstreiks an den vier Flughäfen als unverhältnismäßig. "Ein sogenannter Warnstreik, der gleich zu wirtschaftlichen Millionenschäden bei Airlines und Flughäfen, langen Wartezeiten und massiven Flugausfällen führt, lässt jede Verhältnismäßigkeit vermissen", kritisierte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann forderte Einschnitte beim Streikrecht: Natürlich müssten Streiks wehtun, aber sie müssten ebenso verhältnismäßig sein, sagte er dem Handelsblatt. In anderen europäischen Ländern gebe es zum Beispiel eine Ankündigungspflicht für Warnstreiks von bis zu zehn Tagen.

Für die kommenden Tage sind regional unterschiedlich weitere Arbeitsniederlegungen geplant. So soll in Baden-Württemberg neben Kitas und Kliniken in einzelnen Städten auch der kommunale Nahverkehr bestreikt werden. Ausstände soll es auch in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg geben. Am Donnerstag soll zudem ein ganztägiger Streik den öffentlichen Nahverkehr in Hannover zum Erliegen bringen.

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SZ vom 11.04.2018/csi
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