Warane auf Komodo:Echs' und hopp

Die Warane auf der indonesischen Insel Komodo sind gefährliche Jäger. Wer sie besucht, sollte ihnen besser nicht den Rücken zuwenden und auf weiße Tennissocken verzichten.

Christoph Gunkel

Auf einmal reden alle nur noch von den weißen Tennissocken. Tim Greathead hat davon gehört, er hat es wiederum von jemand anderem gehört, der es irgendwo gelesen hat. Und so wandert nun ein seltsames Gerücht raunend durch die kleine Reisegruppe: Ja, es soll wirklich gefährlich sein, weiße Tennissocken zu tragen!

Indonesien Komodo Waran

Messerscharfe Zähne, Giftdrüsen im Kiefer: Komodo-Warane sind gefährliche Räuber.

(Foto: AFP)

Möglicherweise sogar lebensgefährlich.

Zumindest auf der abgeschiedenen Komodo-Insel in der indonesischen Provinz Nusa Tenggara Timur, der Heimat der größten und gefährlichsten Warane der Welt. Mit ihren mächtigen Krallen und der tief gespaltenen Zunge sehen die bis zu drei Meter langen Echsen so aus, als seien sie dem Film "Jurassic Park" entsprungen. "Komodo dragons" heißen die Tiere etwas martialisch im Englischen - und das harmlose Weiß soll diese Drachen angriffslustig machen. Es könnte sie an ihre Leibspeise erinnern: Ziegen.

Arsenal an furchteinflößenden Waffen

Wissenschaftlich bewiesen ist das nicht, und doch ist es gerade der Gruselfaktor, der dieser entlegenen Region überhaupt erst zu einem kleinen Touristen-Boom verholfen hat: Echsen, die binnen weniger Minuten ein Schwein verschlingen können und sogar mächtige Wasserbüffel erlegen! Geduldige Jäger, die über ein ganzes Arsenal an furchteinflößenden Waffen verfügen: messerscharfe Zähne, einen todbringenden Cocktail aus Dutzenden Bakterienarten im Speichel, Giftdrüsen im Kiefer, die ein australisches Forscherteam erst vor drei Jahren nachweisen konnte.

Vor Urzeiten, so vermuten Wissenschaftler, sollen die Echsen sogar eine in Indonesien heimische Zwerg-Elefantenart so exzessiv gejagt haben, dass diese schließlich ausstarb. Doch heute sind es die Jäger, die selbst von diesem Schicksal bedroht sind und auf der Roten Liste stehen. Durch Wilderei, Rodung und Ackerbau sind ihnen Lebensraum und Beutetiere genommen worden. Nach Schätzungen gibt es nur noch etwa 3500 der Echsen, davon rund 1700 auf Komodo. Hier und auf der Nachbarinsel Rinca schützt ein Nationalpark die Tiere.

Tim Greathead will unbedingt die bedrohten Riesenechsen sehen - und ist dafür extra drei Tage lang in diese unwirtliche Ecke der Welt gefahren. Jahrelang hatte der Brite in einem Reisebüro gearbeitet, doch mehr als glitzernde Hotelpaläste faszinierten ihn stets die touristisch wenig erschlossenen Ziele. Deshalb hat er seinen Job gekündigt, um ein paar Monate per Rucksack durch Südostasien zu reisen.

Jetzt steht er an einem besonderen Ort seiner Reise: Zehn Meter hinter ihm liegen drei Komodo-Echsen im Schatten der Bäume. Sie sehen dabei so entspannt und schwerfällig aus, als könnten sie nicht einmal einer altersschwachen Raupe gefährlich werden.

Die Echsen lieben den Überraschungsangriff

Doch Greathead traut dem Frieden nicht. Er weiß, dass die vermeintliche Apathie nur eine geschickte Tarnung sein könnte. Dass die scheinbar vollgefressenen Tiere den Überraschungsangriff lieben. Dass sie gute Sprinter sind. Und er vertraut dem schmalbrüstigen Wildhüter des Komodo-Nationalparks nicht, der ernsthaft behauptet, die Echsen im Ernstfall mit seinem dünnen Holzstock aufhalten zu können.

Indonesien Komodo Waran

Die Anreise zur Komodo-Insel ist für Waran-Touristen beschwerlich.

(Foto: SZ-Grafik)

Trotzdem möchte der Brite ein Erinnerungsfoto haben. Also dreht er den Tieren vorsichtig den Rücken zu, schiebt sich die Sonnenbrille in die blonden Locken, hebt den rechten Daumen und lächelt. Oder versucht es zumindest. Denn so richtig entspannt wirkt das alles nicht. "Kein gutes Gefühl, diese Viecher nicht im Blick zu haben", sagt er später.

Ganz unbegründet ist das nicht: Denn wenn die Warane angreifen, dann meist von hinten, indem sie ihrer Beute die Achillessehnen durchbeißen. Es sind zwar sehr seltene Ausnahmen, aber manchmal wurden auch Menschen Opfer ihrer Attacken. Von einem unvorsichtigen Schweizer Tierbeobachter etwa wurden 1974 nur noch seine Hasselblad-Kamera und ein blutdurchtränkter Schuh gefunden. Zuletzt starb hier 2007 ein neunjähriger indonesischer Junge an den Folgen einer Bisswunde. Weil die Echsen zudem auch manchmal Nutztiere der Inselbewohner auffraßen, waren sie bei den Einheimischen lange unbeliebt. Bis die Touristen kamen und Geld brachten auf die kargen, von tiefen Tälern zerklüfteten Inseln Komodo und Rinca.

Beschwerliche Anreise

In letzter Zeit kommen die Touristen häufig von weit her - mit Booten von der etwa 400 Kilometer entfernten Ferieninsel Lombok, dem östlichen Nachbarn von Bali. Zunehmend versuchen Veranstalter, Urlauber direkt aus den Touristenmetropolen in diese bisher wenig besuchte Region Indonesiens zu bringen. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist beschwerlich.

Einige Veranstalter versüßen sie, indem sie den Weg zum Ziel erklären: Sie werben mit einer dreitägigen Bootsreise, die vorbeiführt an nahezu menschenleeren Inseln mit mal schneeweißen, dann wieder pinkfarbenen Stränden; ein See-Abenteuer in Gewässern, die so klar sind, dass die Fische ohne Taucherbrille zu sehen sind. Doch nicht alle Anbieter sind seriös, und die Gewässer in der Region sind besonders während der Regenzeit unruhig.

Kein tiergerechter Umgang

Im Komodo-Nationalpark veranstaltete man lange ein zweifelhaftes Touristen-Spektakel: Geschützt von einer Absperrung warfen die Wildhüter den hungrigen Waranen tote Ziegen zum Fraß vor. Erst 1995 sah die Parkleitung ein, dass sie mit den Fütterungen zwar Besucher anlockten, aber auch den Jagdinstinkt der Tiere verkümmern ließen.

Einen tiergerechten Umgang haben einige Ranger bis heute nicht verinnerlicht. Als die Echsen träge im Schatten liegen, bewirft sie der Wildhüter mit kleinen Stöcken. Müde hebt einer der Warane den Kopf - und lässt ihn sofort wieder fallen. Doch der Ranger gibt nicht auf. Plötzlich rennt er los, springt über den Schwanz einer Echse und verpasst dem Tier mit seinem Stock einen Schlag auf den Rücken.

Jetzt stehen die Drachen auf, sie laufen missmutig herum und fauchen. Die Kameras klicken, auch wenn niemand um dieses Spektakel gebeten hat. Im Gegenteil: "Das war peinlich", sagt eine Besucherin.

Wenig später zeigt der Wildhüter aber dann doch Empathie für die Echsen. Im Gebüsch entdeckt er ein dreißig Zentimeter großes Jungtier. "Baby-Dragon!", ruft er aufgeregt. Minutenlang blickt das Tier in die Kameras der verschwitzten Urlauber, die sich auf die Reise gemacht hatten, um echte Killer zu sehen. Und sich am Ende am meisten über den kleinsten und ungefährlichsten Drachen freuen.

Informationen:

Anreise: Flug aus Deutschland nach Denpasar, Bali, hin und zurück ab ca. 830 Euro; Weiterflug nach Labuan Bajo auf der Insel Flores, einfach ca. 90 Euro, z.B. mit Trans Nusa, www.transnusa.co.id, oder Merpati, www.merpati.co.id. Von dort werden Tagestouren nach Komodo oder Rinca organisiert. Bootstouren: Der Veranstalter Perama fährt im Sechs-Tages-Rhythmus von Lombok aus zur Komodo-Insel; Dreitagestour etwa 220 Euro; www.peramatour.com Infos zum Nationalpark: www.komodonationalpark.org

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