Ein Blick nach hinten auf die ungeordnete Reitertruppe genügt. "Haltet euch links", mahnt Stefanie. Muss sie das jetzt sagen? Sieht man doch selbst, dass da vorne ein Abhang kommt. Nur das Pferd scheint das nicht zu wissen, zieht plötzlich nach rechts zum frischen Gras.
Es gibt Gegenden, da sieht Österreich aus wie Kanada: Am Achensee steht die bezopfte Anemone, ein Haflinger von langhaariger Abstammung.
(Foto: Maier-Albang)Und schon steht man haarscharf an der Kante, der Warnung der Berittführerin zum Trotz. Wäre peinlich in diesem Augenblick, würde der Moment nicht schon dem Stoßgebet gehören. Spirit heißt das Pferd. Ein Holy dazu wäre jetzt recht.
Aber Spirit ist trittsicher, ein routinierter Berggänger, Haflinger halt, der nun das Maul mal wieder voll hat, und sicher grinsen würde, wenn Pferde grinsen könnten. Weil er doch eigentlich nicht fressen darf mit Trense im Maul, was er weiß, aber wenn die Reiterin nicht aufpasst, nutzt er den Vorteil, Abgrund hin oder her.
Er trabt ja auch problemlos über die klappernde Holzbrücke, selbst wenn das Wasser neben uns tosend den Hang hinabstürzt, wo sonst ein Rinnsal ist. Momentan aber tut es, was es häufig tut in Oberbayern im Frühsommer, im Hochsommer, im Spätsommer, selten allerdings im Herbst: Es regnet.
"Jetzt könntet ihr dort unten den Schliersee sehen", sagt Stefanie Kleemann, nachdem die Gruppe im Nebel die neue Spitzingstraße hinaufgeritten ist, vorbei an den Schmuddelschneeresten des Winters, an tiefgelben Sumpfdotterblumen, Maiglöckchen und Pfützen voller Kaulquappen.
Oben, am Spitzingsee, treibt der Wind den Regen waagerecht ins Gesicht. Für Schönwetterreiter ist die Nordseite der Alpen definitiv ungeeignet. In Au bei Bad Feilnbach geht es los, hinauf über Aurach zum Spitzingsattel, von dort hinüber nach Österreich, vier Tage bis zum Achensee. Ein Grenzritt, an dem die Macher lange getüftelt haben. Denn einfach mal losreiten über die Berge, auf staatlichen Forstwegen, das geht nicht.