Süddeutsche Zeitung

Mit Kindern in die Alpen:Wandern ohne Gequengel

Auf diesen vier Familienwegen, die unterwegs Spielerisches bieten, können Erwachsene den Bergausflug mit ihren Kindern richtig genießen.

Von SZ-Autoren

Ohne Floß nix los

Das Problem am Urlesteig im Sarntal in Südtirol ist, dass er schon so gut beginnt, dass man fast nicht loswandern möchte. Mit der Kabinenbahn geht es von Reinswald auf den Pichlberg mit seinem auf 2130 Höhenmetern gelegenen Bergrestaurant. Dessen Terrasse bietet eine grandiose Fernsicht von der Texel- bis zur Brentagruppe, die Erwachsene im Liegestuhl genießen, während Kinder die Spielgeräte erkunden: Rutschen, ein Trampolin und zwei Paar riesige Holzski, in die sie jeweils zu mehreren steigen, um sich, möglichst im Takt stapfend, ein Rennen über die Wiese zu liefern. Das Gute am Urlesteig jedoch ist, dass das Beste immer noch zu kommen scheint, und so können Eltern schließlich doch irgendwann einmal zum Aufbruch rufen. Zu entdecken gibt es auf diesem stets sanft bergab führenden Weg schließlich unter anderem noch ein Floß, eine Monsterlibelle und einen Heustadl.

Das Floß liegt oberhalb der Pfnatschalm in einem kleinen, angelegten See. Die Kinder ziehen sich an einem fixierten Seil hin und her. Diese Vorrichtung und die Wasserräder in den Bächen drum herum lassen sich zur Erklärung nutzen, wie Bauern früher ihr Holz verarbeitet haben. Sie machen aber vor allem einfach Spaß.

Die Riesenlibelle ist ein abenteuerlich schiefes Klettergerüst aus Holz und Metall neben einem Tümpel, in dem Nachwuchsforscher echte Libellen beobachten können. Und der Heustadel, die dieses Jahr neu aufgebaute "Heuhüpfschupf" bei der Sunnolm, ist eine Holzhütte, in der Mutige durchs Fenster hinein- und gefahrlos ziemlich weit hinunter ins duftende Heu springen können.

Erwachsene haben am Urlesteig dank seiner Höhe und seines Panoramas ein alpines Gefühl. Und die Kinder sind am Ende in drei spielerischen Stunden fast 600 Höhenmeter abgestiegen - und haben es nicht einmal gemerkt.

Jochen Temsch

Kabinenbahn: Erwachsene 9 Euro, Kinder 6,50 Euro (unter neun Jahren gratis), noch bis 3. November, www.sarntal.com

Lohn statt Fron

In der Schweiz ist vieles etwas anders. Dass Väter dort nach jahrzehntelangem Ringen nun ganze zwei Wochen (!) bezahlte Elternzeit erhalten, mutet, nun ja, nicht gerade sehr familienfreundlich an. In den Bergen ist es besser. Zum Beispiel in Nidwalden, einem winzigen Kanton südlich des Vierwaldstättersees. Kaum woanders führen so viele kleine Seilbähnchen vom Tal auf die Almen. Schon die Fahrt mit den nostalgisch anmutenden Vehikeln ist ein kleines Abenteuer mit Kindern. Die Preise halten sich in Grenzen, meist kostet der Spaß nur ein paar Franken. Und wenn man einmal oben ist, etwa auf der wunderschönen Bannalp, ganz ohne Raunzen und dauerhaftes Geschichtenerzählen auf öden Forstwegen, bieten sich in der Almlandschaft die verschiedensten Wanderungen an, ohne viele Höhenmeter.

Direkt an der Bergstation der Chrüzhütten-Seilbahn beginnt der "Zwärgliweg". Der führt schlauerweise zunächst einmal abwärts, immer den bemalten, aus Holz ausgeschnittenen Zwergen nach. Ganz am Anfang erfährt man, dass der Weg mit vielen Stunden "Fronarbeit" gebaut wurde. So alt ist er aber nicht, die Schweizer meinen mit Fron Gemeinnützigkeit. An sieben Stationen, die von einem Zwergenhaus mit Puppen bis zur finalen Edelstein-Höhle reichen, müssen Eltern die Geschichte von vier Zwergenkindern vorlesen, die auszogen, um einen Schatz zu finden.

Kaum zu glauben, aber das simple Prinzip funktioniert so gut, dass der Siebenjährige und die Dreijährige kaum jammern und immer weiter wollen. Der Weg führt um den grünblauen Bannalpsee herum, und das Beste liegt auf halber Strecke: Direkt am See, wo ein Bach hineinfließt, gibt es Grillstellen mit bereits gehacktem Brennholz und einem kleinen Spielplatz. Wer hier angekommen ist, will eigentlich nicht mehr weg, nur die Aussicht auf Bier und Eis im Gasthaus kann da noch motivieren.

Hans Gasser

Einfache Fahrt 12 Franken, Kinder: 6; bannalp.ch

"Meine Füße sind platt gelatscht!" Dieser Auffassung sind Kinder mitunter bereits nach wenigen Metern. Und was sollten erst die Schuhe sagen, in denen die Füße stecken - wenn sie denn reden könnten? Im Tiroler Erlebnispark Hexenwasser in Hochsöll, zwischen Kufstein und Kitzbühel, können sie immerhin stumm Auskunft geben in einem Schuhmuseum, direkt neben der Bergbahn. Getragene Latschen sind dort ausgestellt, man kann die eigenen dazustellen, solange man den Barfußpfad erkundet. Das ist dann spielen und planschen, nicht wandern, beschädigt die Füße also nicht.

Wem das im Herbst zu kühl ist, der muss seine platt gelatschten Füße nur ein paar Meter bewegen, um das Jammern einzustellen. Ein Bienenhaus, die Simonalm und eine Steinmühle lenken Kinder ab und regen sie an. Die Alm ist 400 Jahre alt und gibt einen Eindruck, wie der Alltag der Bergbewohner vor vielen Generationen gewesen sein könnte. Im Bienenhaus kann man sich selbst in ein Insekt verwandeln und im Stockdunklen - das Wort kommt daher, dass es im Bienenstock kein Licht gibt - hörend, tastend, riechend und schmeckend orientieren, als wäre man Teil eines Schwarms. Wer möchte, kann Wachskerzen basteln.

Und so führt ein Rundweg mit geringem Höhenunterschied von einer naturnahen Attraktion zur nächsten: über flößbare Gewässer, durch ein Moorbecken und über Hexenleitern. Kinder können Dämme bauen, Brot backen, Wasser pumpen. Also ganz analog und an der frischen Luft spielen, toben und forschen. So macht ihnen Wandern Spaß, weil es kein Selbstzweck ist. Wer doch hart gesotten ist, kann sich die Gondel sparen und vom Parkplatz in Söll gut 400 Höhenmeter nach Hexenwasser hinaufsteigen. Der Erlebnispark selbst kostet keinen Eintritt.

Stefan Fischer

Gondelbahn: Erwachsene 22 Euro, Jugendliche 17 Euro, Kinder ab sechs Jahren 11,50 Euro, noch bis 20. Oktober, www.hexenwasser.at

Zirben und Ratterknatter

Der Glungezer ist einer jener Berge, die während der Fahrt über die Inntalautobahn gen Süden gerne links liegen gelassen werden. Das ist ein Fehler.

Erstens gibt es da den Zirbenweg, eine Art botanischer Lehrpfad durch einen der größeren Zirbelkieferbestände der Alpen. Der Weg verbindet den Glungezer auf rund 2000 Metern mit dem ehemaligen Olympiaberg Patscherkofel, wobei ein Bus zwischen den beiden Talstationen verkehrt. Es geht entlang der Baumgrenze, vorbei an der Boschebenhütte, durch Heidel- und Preiselbeersträucher, immergrüne Zirbelkiefern und sich verfärbende Lärchen. Kleinkinder schlafen in der Kraxe mit blauen Heidelbeerschnuten; Schulkinder rennen vorneweg, und wenn nicht, lassen sie sich vielleicht mit zweitens motivieren.

Denn der Zirbenweg endet nach zwei bis drei Stunden Gehzeit an der Tulfeinalm (2035 m), auf der sich bei Speckknödeln schon die Bergstation erahnen lässt. Der nostalgische Einsersessellift, der nächste Saison durch eine weitere seelenlose Zehnergondel ersetzt wird, ist eigentlich völlig kinderuntauglich - und genau deshalb ein famoses Abenteuer. Etwa 20 Minuten dauert die Cabriolift-Abfahrt zur 500 Höhenmeter tiefer gelegenen Mittelstation, da lässt sich jeder Pilz betrachten. Langweilig? Dann hilft - drittens - nur das Finale am Mittelstation-Restaurant mit dem unglücklichen Namen Halsmarter.

Drinnen liegt Spielzeug für einen Jahresurlaub. Puppen, Bobbycars, Puzzles, Prinzessinen- und Ritterkostüme. Uff. Draußen stehen gleiche mehrere Hüpfburgen, mit integrierter Rutsche und Giraffenkopf. Hinter dem Haus im Wald eine fußballfeldgroße Holzkugelbahn, alles aus Zirbe. Mit Waldklassenzimmer, Baumhaus und dem unbeschreiblichen Ratterknatter, was unter anderem die Frage aufwirft, warum die Betreiber ihr Restaurant eigentlich nicht so getauft haben.

Dominik Prantl

Bahnticket Zirbenweg inkl. Busfahrt 27,50 Euro. Glungezerbahn ab 6.10. nur noch am Wochenende.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2019/ihe
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