Trollblumen säumen den Weg, sogar ein blauer Eisenhut ist zu sehen. Sehr schön, aber sehr giftig. Links ragen Felswände auf, hoch über einem glasklaren See. Man könnte sich fast in den kanadischen Rocky Mountains wähnen, und der etwas kühle Frühsommerwind verstärkt dieses Gefühl. Aber die grünblauen Lahngangseen liegen am Rand des Toten Gebirges im Salzkammergut. Es ist ein kleines Paradies, das man auf den ersten Blick keinem toten oder sonst irgendwie unlebendigen Gebirge zuordnen möchte. Woher die Bezeichnung Totes Gebirge kommt, das zeigt sich erst bei einer längeren Überschreitung.
Überschreitungen sind nicht neu, Weitwanderwege auch nicht. Doch die Touristiker vom Salzkammergut haben auf den Wandertrend reagiert und in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Alpenverein und den Naturfreunden Salzkammergut ein attraktives neues Netz geschaffen. Genauer gesagt ist es ein Kreis.
Vom beschaulichen Fuschlsee bei Salzburg hinüber zum Traunsee, über die Kalkalpen hinauf und hinunter bis zu den Gletschern des Dachsteins und wieder zurück führt der "Berge-Seen-Trail", der Anfang Juni offiziell eröffnet wurde. Auf 20 nach Geschmack kombinierbaren Etappen führt er 350 Kilometer lang durch drei österreichische Bundesländer: Salzburg, Oberösterreich und die Steiermark.
Grundidee ist die Mischung aus Bewegung und Komfort: "Die Gäste sollen genießen und abends in Gasthäusern oder Hotels übernachten können", sagt Michael Spechtenhauser, Geschäftsführer der Salzkammergut Tourismus-Marketing. Analog zu den Skipisten sind die Abschnitte gekennzeichnet: blau für die einfachen, rot für die mittleren und schwarz für die schweren alpinen Passagen - die lediglich vom Rundweg abzweigen, doch kein Bestandteil sind. Gratis dazu gibt es das, was das Salzkammergut schon immer im Überfluss zu bieten hat: Berge und Seen.
Und davon bekommt man bei der Querung des Toten Gebirges - die von der Steiermark nach Oberösterreich führt - reichlich mit. Die Etappe vom Grundlsee hinauf zum Albert-Appel-Haus hat der Autor des eigens zum neuen Trail erschienenen Wanderführers, Wolfgang Heitzmann, gar zu seiner Königsetappe erkoren. Man sollte jedoch ein ausdauernder König sein.
Sechs Stunden Gehzeit, 15 Kilometer, 1250 Höhenmeter Aufstieg und 300 Höhenmeter Abstieg stehen an. "Das Schöne ist, dass man auf dem Weg so viele verschiedene Vegetationszonen erlebt", sagt Wanderführer Sebastian Wiesauer. Kein Wunder bei der Strecke.
Vom lieblichen Grundlsee durch lichten Wald hinauf zieht sich die Route zu den Lahngangseen. Diese sind nicht nur schön, sondern haben auch eine wichtige Funktion: Die österreichischen Bundesforsten nutzen sie als natürliches Genreservoir für den lachsartigen Saibling, der kühles Süßwasser liebt. Nach den Seen - die auch im Sommer ziemlich erfrischende Temperaturen behalten - geht es noch mal durch steilen Wald hinauf zum sogenannten Ablasbühel. Aha, ein merkwürdiger Name.
Ein Sesselträger käme gerade recht
"Dort wurde früher zur Jagd geblasen", erklärt Wiesauer. Kaiser Franz Joseph I., der ja im nahen Bad Ischl stets seine Sommer verbrachte, ging unter anderem hier seiner Jagdleidenschaft nach. Wie er hinaufgelangte, weiß man nicht genau. Vielleicht haben ihn die Ischler Sesselträger - im 19. Jahrhundert ein eigener Berufsstand - hinaufgetragen. Die Gamspopulation hat die kaiserliche Jagdleidenschaft jedenfalls überstanden. Einige Tiere beäugen aus sicherer Entfernung die Wanderer auf dem Weg, der nun auf das Karst-Plateau führt, das dem Gebirge seinen Namen verlieh.
Klettersteige in der Ramsau am Dachstein:Anspruchsvolles Duo im Silberkar
Randkluftsteig, Sinabell oder Johann: Ramsau am Dachstein in der Steiermark hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Lieblingsziel von Klettersteiggehern entwickelt. Zu den schönsten Steigen zählen Hias und Stiega im Silberkar.
Eine völlig andere Landschaft tut sich auf: eine wellige Ebene mit großen Felsflächen aus Kalk, die aussehen wie die rissige Haut eines alten Elefanten. Das ist das Tote Gebirge. Wasserläufe tauchen auf und verschwinden unversehens wieder in einem Loch. Direkt neben dem Weg gähnt ein kreisrunder Abgrund, einige Meter im Durchmesser. Ein hineingeworfener Stein gibt kein Echo zurück.
"Es gibt über 600 bekannte Höhlen in der Gegend", erzählt Wiesauer. Und dazu unzählige Spalten und Löcher, die ein Querfeldeingehen nicht gerade empfehlenswert machen. So bleibt man auf dem Weg, der auf und ab führt, vorbei an kleinen Seen, durch Schneefelder und Fels. Ein paar Latschen halten sich auf dem ansonsten baumlosen Gelände, vereinzelt sind Zirben, die Gebirgspioniere, zu sehen. Endlich wandelt sich die Landschaft, Zirben und Lärchen bilden einen lockeren Wald.
"Das würde uns auch bei Nebel zeigen, dass wir nun weiter nach unten gestiegen sind", erklärt Sebastian Wiesauer. Die Baumgrenze und damit der Henarwald ist erreicht, in dem das Albert-Appel-Haus auf gut 1660 Metern Höhe liegt. Einfach ist der Zustieg von keiner Seite, drei bis vier Stunden muss man mindestens einplanen.
Dafür kann man auf der Hütte über Nacht für die Etappe zwei Energie und Ruhe tanken. Achteinhalb Stunden marschiert man offiziell bis zum Almsee - ein steiler Abstieg durch die Nordflanke des Toten Gebirges inbegriffen. Vom Appel-Haus bis zur Rinnerhütte ist das durchaus noch ein Königsweg - über Almwiesen und direkt am Ufer des Wildensees entlang. Dicht mit Enzian bestandene Wiesen breiten sich aus. Die Lieblichkeit hat am Nordabsturz des Plateaus ein Ende: Steil geht es hinunter, Kehre für Kehre, eine lange Stahltreppe macht den Weg leichter, aber nicht schöner.
Der Offensee bietet endlich Abwechslung - und wer nun genug hat, kann von hier schnell nach Bad Ischl oder Ebensee fahren. Oder man kann seine Ausdauer testen - und den Forstweg - unter Wanderern "Hatsch" genannt, zum Almsee antreten. Der Weg ist lang, doch der Blick lohnt sich: rechts das mächtige Rotgschirr mit seinen gut 2200 Metern Höhe, links ein weiterer glasklarer See. Jetzt ein Marillenstrudel im Garten des Cafés Deutsches Haus - und die Welt ist wieder in Ordnung.
Nur die Beine werden einen noch länger an das Tote Gebirge und die Königsetappe erinnern.