Wandern in Jordanien:Klang der Stille

Wandern in Jordanien: Mitten im Naturreservat Dana liegt die von Einheimischen betriebene Lodge

Mitten im Naturreservat Dana liegt die von Einheimischen betriebene Lodge

Auf menschenleeren Wanderpfaden führen Beduinen durch Naturreservate im Süden Jordaniens, auf Kamelen geht es durch die einsame Wüste Wadi Rum, selbst in der beliebten Felsenstadt Petra gibt es Routen abseits des Trubels. Und pikante Überreste der römischen Amüsierschlucht.

Von Aileen Tiedemann

Diese Stille. Nachts in der Wüste Jordaniens ist kaum ein Laut zu vernehmen. Und wenn doch, dann ist jedes Geräusch klar zu auszumachen: das Bellen eines Hundes, das Meckern einer Ziege. Mehr ist nicht zu hören von der Welt.

Wir liegen auf dem Dach der Feynan Ecolodge im Naturreservat Dana und blicken zum Himmel hinauf. "Wer Kajal benutzt, kann die Sterne besser sehen", erklärt Ali, von dem wir tagsüber im Zelt seiner Eltern eine Einführung in das Leben der Beduinen bekommen haben, die sich rings um das Hotel niedergelassen haben. Ein schwarzer Kohlestrich am unteren Augenlid, so haben wir gelernt, absorbiere die Lichtstrahlen, soll damit vor der Sonne schützen - und bei grellem Licht die Sehkraft erhalten.

Vier Autostunden südlich von Amman hat sich Jordanien seine Ursprünglichkeit bewahrt. Auch wenn die Beduinen nicht mehr auf Kamelen, sondern in Geländewagen durch die weite Landschaft reisen. Selbst wenn sie auf den Rücken ihrer Esel sitzen, rufen sie ganz selbstverständlich ihre Mails auf iPads ab. 80 Menschen leben von der Lodge, einem Sandsteinbau im Stil einer Karawanserei, die von Einheimischen betrieben wird. Sie managen das Hotel, backen Brot für die Gäste, arbeiten als Tourguides und produzieren die Kerzen, die dem Hotel abends als einzige Lichtquelle dienen.

Frühmorgens brechen wir mit Alis Bruder Suleyman und Wanderführer Ra'ed zu unserer ersten Wanderung auf. Erst wirkt die Landschaft karg wie auf dem Mond, doch je weiter wir das Flussbett eines Canyons hochwandern, desto grüner wird es. Wir laufen an blühenden Oleanderbüschen, Kapernsträuchern und Jojobabäumen vorbei und hören in der Ferne das Rauschen des Flusses. Später stehen wir bis zu den Hüften im Wasser. Eine angenehme Erfrischung, denn selbst im Frühling kann es in Feynan wärmer als 34 Grad werden.

Jordanien Wandern Wadi Ghuweir

Meterhoch ragen die Felswände im Wadi Ghuweir auf.

(Foto: Aileen Tiedemann)

In einer Schlucht, die steil wie eine Kathedrale ohne Dach aufragt, kocht Suleyman auf offenem Feuer Tee, während wir unsere flussnassen Wandersocken auswringen. Er erzählt von Wölfen und Hyänen, die nachts über die Bergkuppen streifen, und davon, dass er niemals in einem Haus leben könnte. "Ich schlafe lieber unter den Sternen", sagt er. "Ich habe mein Leben lang Ziegen gehütet und liebe das Gefühl von Freiheit, dass man dabei hat. Wenn ich drei Tage im Hotel gearbeitet habe, muss ich wieder raus in die Natur."

Ins Labyrinth aus Sandsteinfelsen

Nach sechs Stunden schieben wir uns durch eine schmale Spalte aus der Schlucht hinaus und erreichen inmitten einer kargen Gerölllandschaft einen Parkplatz. Zivilisation! Unsere nächste Station liegt weiter südlich: Petra, die mehr als 2000 Jahre alte Felsenstadt der Nabatäer, die 2007 zu einem der sieben Weltwunder der Gegenwart gewählt wurde.

Jordanien Wandern Petra Wadi Farasa

Wadi Farasa war die "Amüsierschlucht" der Römer in der Felsenstadt Petra.

(Foto: Aileen Tiedemann)

Als wir am Eingang zu der antiken Stadt stehen, umgibt uns ein Stimmengewirr aus Holländisch, Französisch und Italienisch. Trotz all der Kriege und Konflikte in den Nachbarländern reißen die Touristenströme nach Petra zwar nicht ab. Aber die Besucherzahlen sind seit 2010 von 6000 auf etwa 3000 Besucher pro Tag geschrumpft. Die klassische Route führt durch den Siq - ein zwei Kilometer langer Weg durch eine Schlucht - zum berühmten Schatzhaus des Pharao, einem Felsengrab. Wir aber wandern querfeldein durch ein Labyrinth aus Sandsteinfelsen ins Stadtzentrum.

Ohne Guide wären wir verloren, doch dank Ra'ed finden wir den Weg zu alten Grabkammern und Aussichtspunkten, die wir ganz für uns allein haben. Mit jedem Schritt tauchen wir tiefer in die Vergangenheit von Petra ein, wo einst 20 000 Menschen lebten und Handelsreisende aus aller Welt Rast machten. "Man könnte bis zu drei Tage durch Petra wandern und immer neue Felshöhlen entdecken", sagt Ra'ed. "65 Prozent der Stadt sind noch immer unerforscht." Wir stehen in einer Höhle voller Kamelzeichnungen, die von Beduinen stammen, die bis 1985 in den alten Grabkammern gelebt haben.

Auch die Römer haben eindeutige Spuren hinterlassen: In ihrer einstigen "Amüsierschlucht" Wadi Farasa entdecken wir Überreste einer Säule eines ehemaligen Bordells - in Herzform. "Das universelle Zeichen für Po", erklärt Ra'ed und erstickt damit romantische Gedanken im Keim. Unsere Wanderung endet auf einer römischen Prachtstraße im Zentrum von Petra. "Taxi zum Schatzhaus?" fragt uns ein Junge im Teenageralter und meint damit den Esel, den er hinter sich herzieht. Wir steigen dankend auf und schaukeln, nun doch auf dem Touristenpfad, zurück zum Ausgangspunkt.

Jordanien Wandern Petra

Mit dem "Taxi" geht es durch den Siq zurück zum Ortseingang von Petra.

(Foto: Aileen Tiedemann)

Am nächsten Tag geht es ähnlich gemächlich auf dem Rücken von Kamelen durch die Wüste Wadi Rum, die T. E. Lawrence alias Lawrence of Arabia einst mit den Worten "weitläufig, einsam und gottähnlich" beschrieben hat. Lautlos schreiten die Tiere durch den roten Wüstensand, vorbei an gigantischen Sandsteinbergen.

In einer Schlucht machen wir Halt und bewundern mehr als 4500 Jahre alte Felszeichnungen. Auch die Löcher, in denen beim Filmdreh von "Lawrence of Arabia" die Kameras befestigt waren, sind noch zu erkennen. Während wir durch den Sand stapfen, spüren wir, wie anstrengend eine Wanderung durch die Wüste sein kann. "Ein Schritt kostet hier doppelt so viel Kraft wie zwei Schritte", meint Ra'ed, der sonst fünftägige Trips durch Wadi Rum begleitet.

Wir sind froh, dass unsere Unterkünfte schon stehen, als wir am Abend mit dem Jeep das Rahayeb Camp in einer stillen Schlucht erreichen. Die Zelte aus Ziegenhaardecken haben sogar Duschen. Auch wenn nur ein dünner Strahl Wasser aus ihnen rinnt, kommt es uns wie purer Luxus vor. Den Sonnenuntergang betrachten wir von einer Sanddüne aus. Kamele schreiten in der Ferne vor mächtigen Bergen vorbei.

Es ist, als würde der Abspann zu einem Film laufen, der lange vor unserer Zeit gedreht wurde. Und wieder ist da diese Stille, die man erlebt haben muss, um den Zauber von Jordaniens Wüste zu begreifen.

Reiseinformationen

Reiseverlauf: Auf der sechstägigen Wanderreise führt die Route von Amman aus (Ankunftstag) zur Feyman Ecolodge im Dana Biosphere Reserve (Tag 2). Anschließend geht es weiter durch die Landschaft von Wadi Ghuweir (Tag 3), am nächsten Tag steht Petra auf dem Programm (Tag 4). Nach einem Tag in der Wüste Wadi Rum (Tag 5) geht es am sechsten Tag zurück nach Amman.

Anbieter: zum Beispiel Wikinger Reisen, Hauser Exkursionen und Bedu Expeditionen

Mehr Informationen: Fremdenverkehrsamt Jordanien, visitjordan.com

Informationen des Auswärtigen Amtes zur Reisesicherheit in Jordanien finden Sie hier; derzeit wird vor Reisen in das Grenzgebiet zu Syrien und Irak im Norden von Jordanien gewarnt - die Wanderreise führt jedoch zu Zielen im Süden.

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