Wandern durch Deutschland:Das Ziel? Dort, wo es schön ist

Elena Plöcker und Peer Heerlein sind monatelang mit ihren Stuten und Hunden durch Deutschland gewandert. Sie entdeckten Schönheit in der Natur - und in den Begegnungen mit Menschen.

Von Monika Maier-Albang

Die unschöne Seite an solch einem Leben ist der frühe Morgen, wenn es regnet. Ist ja nicht wie auf einem wohlgeordneten italienischen Campingplatz, wo man sich aus dem Zelt schält, seine Füße auf trockenen Sand setzt und unter den ersten wärmenden Sonnenstrahlen den Cappuccino von der Bar genießt. In Deutschland draußen zu übernachten, im Zelt am Waldrand oder unter der Plane, die an einem Felsvorsprung festgemacht ist, das kann schon ziemlich ungemütlich werden. Wie gut, wenn dann zwei Pferde und zwei Hunde auf einen warten, die versorgt und liebkost werden wollen.

Frühstücken, Satteltaschen packen, weiterziehen - so sind Elena Plöcker und Peer Heerlein in die meisten ihrer Sommertage gestartet. Gemeinsam mit ihren Hunden Luna und Ronja, der gefleckten Stute Malika und der schwarzen Freya haben sie sich sechs Monate lang Deutschland erwandert, sind von Hessen aus bis in den Frankenwald gezogen, mit einem Abstecher nach Tschechien und dann weiter nach Sachsen, ins Erzgebirge. Wie viele Kilometer sie gegangen sind? Sie haben sie nicht gezählt.

Sie hatten keine feste Route, nur einen Kompass und die Vorstellung, dahin zu gehen, wo es schön sein könnte. Und dann? "Haben wir geschwitzt und gefroren, gelacht und geweint und unglaublich viele tolle Menschen kennengelernt", erzählt Elena Plöcker.

"Mit Plänen muss man immer offen sein", sagt Peer. Es klingt nach einem Lebensmotto

Kennengelernt haben sich der 33-jährige Thüringer und die 23-Jährige, die aus Bayern stammt, auf einem Pferdehof in Hessen. Peer war zuvor schon sieben Jahre auf Wanderschaft, in Spanien, in Portugal, wo er auch eine Zeit lang gearbeitet hatte, um Geld fürs Weiterreisen zu verdienen. Von Portugal aus war er im letzten Jahr "hochgelaufen", wie er sagt, zurück nach Deutschland. Damals noch ohne Pferd und allein. Aber dann war da Elena, und ihr gefiel die Idee vom Draufloswandern mit Peer. Die Uni war coronabedingt geschlossen. Also, rein in den Traum: "Leben eben. So richtig leben!"

Die beiden beschlossen, gemeinsam zu gehen. Weil: "Mit Plänen muss man immer offen sein", sagt Peer, und es klingt stark nach einem Lebensmotto. Die Pferde kamen hinzu, weil Peer das elende Rucksackschleppen leid war. Er will ja noch weiter in den hohen Norden, Schweden und Finnland erkunden. Da braucht man ein paar warme Sachen mehr, "ein bisschen Luxus halt". Und Elena wollte eh schon lange ein eigenes Pferd.

Nun fällt natürlich auf, wer mit Packzeug, Tieren und langem Weltenbummlerbart durch Städte und Dörfer zieht. Und man könnte meinen, dass in diesem Corona-Sommer die Menschen auf Abstand gegangen sind von Leuten, die nur so herumlaufen und etwas tun, das manchen Menschen sicher befremdlich erscheint. Anderen aber verlangt es offenbar Respekt ab, oder sie erfreuen sich einfach daran, dass da jemand, zumal in einer so beengenden Zeit, seinen Traum von Freiheit lebt.

Ja, ein paar eher unfreundliche oder distanzierte Begegnungen habe es gegeben, sagt Peer. Aber die Normalität war: große Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft. Die beiden könnten eine lange Liste erstellen mit all jenen, die ihnen Kaffee vorbeigebracht, Eier geschenkt, Kuchen gereicht haben. Der nette Jäger, die Frau, die eigens für sie eingekauft hat, die Bauern, die sie auf ihrem Grund übernachten und die Pferde auf der Wiese weiden ließen, die Wanderreiter-Community auf Facebook, über die sich auch mal Betten und anregende Gespräche finden lassen. "Ohne diese Hilfen, für die ich unheimlich dankbar bin, hätten wir das gar nicht geschafft", sagt Peer.

Überhaupt, die Pferde: Peer hatte, bevor es losging, seine Stute Freya mit Hilfe einer Trainerin einen Winter lang ausgebildet zum Wanderpferd, hatte ihre Muskeln aufgebaut und die Hufe auf die Dauerbelastung vorbereitet. Die meisten Wege in deutschen Wäldern, da hat er jetzt einen guten Überblick, sind maschinenkompatibel und somit pferdeunfreundlich aufgeschottert. "Viel Plantage, leider Gottes." Im Erzgebirge fanden sie die Wälder besonders schön, ebenso in der Sächsischen Schweiz. Aber da war's viel Kletterei, was den Pferden leichter gefallen zu sein scheint als ihren Besitzern.

Zum Abendessen gibt es Pilze aus dem Wald und einen Tee aus Wiesenkräutern

Auch Elenas vierjährige Stute musste sich an das Nomadenleben erst gewöhnen. Die ersten Tage hatten sie ein erfahrenes Begleitpferd dabei. "Und trotzdem war es anfangs nicht immer einfach", sagt Elena. Aber Malika hat gelernt, dass sie ruhig stehen bleiben soll, bis sie bepackt ist. Und sie kennt jetzt die Geräuschkulisse einer Stadt. Mittlerweile sind Wanderer und Tiere ein eingespieltes Team. "Und es ist der Hammer, was die Pferde alles mitmachen und wie viel Kraft die haben", sagt Peer. Ihre Lieblingsgegend? Da sind sich Elena und Peer sofort einig: der Frankenwald.

"Da sind wir mal zwei Tage gelaufen, ohne einem Menschen zu begegnen", erzählt Elena. Da haben sie Schwarzstörche beobachtet und so viele Rehe gesehen wie Pilze gesammelt. Pfifferlinge, Steinpilze, Schirmlinge kamen in die Pfanne übers Feuer, dazu ein Tee aus Wiesenkräutern. Eingekauft haben sie unterwegs fast nur Hülsenfrüchte, Mehl, Brot und Butter. Die Wäsche kann man im Bach waschen.

Ab und an gibt jemand einen Euro oder zwei dafür, dass er die Pferdewanderer fotografieren darf, ansonsten fassen die beiden, wenn sie irgendwo länger bleiben, einfach als Gegenleistung mit an. Peer ist ein geschickter Handwerker, Elena angehende Osteopathin. Momentan sind sie in Brandenburg, bei "einer jungen Hofgemeinschaft", wie Elena sagt. Bald geht es ins Winterquartier. Da können dann Pferde und Hunde und Menschen in langen Nächten träumen von der Abendsonne auf hohen Gräsern, moosbewachsenen Felsen, Wegen voll Herbstlaub und einem Deutschland, von dem, wie Peer es formuliert, "wir gar nicht wussten, wie schön es ist".

Elena Plöcker und Peer Heerlein dokumentieren ihre Reise auf https://ahnenreise.clickmich.work

Zur SZ-Startseite
Romy Robst Etappenwandern

Fernwanderungen
:"Die Berge relativieren alles"

Fernwanderweg statt Fernreise: Wandern boomt, gerade in Corona-Zeiten. Bloggerin Romy Robst hat die Leidenschaft für lange Strecken schon vor Jahren gepackt. Ein Gespräch über Anfängerfehler, besondere Wege und das entscheidende Kilo zu viel.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: