Süddeutsche Zeitung

Berge:Auf den höchsten Vulkanen der Welt

Der Fotograf und Abenteurer Adrian Rohnfelder reiste zu Feuerbergen auf allen sieben Kontinenten - obwohl dort nichts mehr donnert und blitzt. Er suchte eine andere Herausforderung.

Von Eva Dignös

Ihn fasziniert Feuer. Er hasst Kälte. Keine guten Voraussetzungen für eine Reise in die Antarktis. Und dennoch hat sich Fotograf Adrian Rohnfelder auf den mühsamen Weg ins ewige Eis gemacht, zum Mount Sidley, 4181 Meter hoch und erst 1990 zum ersten Mal bestiegen.

Denn so eiskalt das abgelegene Ziel auch war - es hat viel zu tun mit einer großen Leidenschaft für Glut und Feuer. Seit mehr als zehn Jahren reist Rohnfelder zu Kratern und Lavaseen in aller Welt, fotografiert leuchtende Eruptionen und brodelnde Lava. Alles begann 2005 mit einer spontanen Tour auf den El Misti im Süden von Peru. Der Aufstieg auf den fast 6000 Meter hohen Berg war steil und anstrengend, schon zwei Stunden vor dem Gipfel waren sämtliche Vorräte aufgegessen, aber Rohnfelder war trotzdem begeistert, gepackt von der Faszination, am Vulkan dem Ursprung der Erde sehr nahe zu sein.

Daran hat sich bis heute nichts geändert: "Zu sehen, wie fragil diese Kruste ist, auf der wir leben, ordnet unsere Zivilisation im Kontext der Zeit und der Größe des Ganzen schon sehr ordentlich ein." 2008 unternahm der 50-Jährige aus Bad Homburg seine erste Reise nur der Vulkane wegen. Vor einigen Jahren schließlich hängte er seinen Beruf als Berater an den Nagel und verdient sein Geld seitdem als Fotograf.

Auch der Mount Sidley, der abgelegene Eisgipfel in der Antarktis, ist ein Vulkan - obwohl er nicht danach aussieht. Er gehört zu den "Volcanic Seven Summits", den höchsten Vulkanen auf jedem der sieben Kontinente. Angelehnt ist die Bezeichnung an die "Seven Summits", die jeweils höchsten Berge aller Erdteile. Mit dem Unterschied, dass sie deutlich seltener bestiegen werden. Keine 20 Menschen waren bislang auf allen sieben Gipfeln, sagt Rohnfelder: "Ich habe sofort gewusst, dass das mein Projekt ist." Zwei Jahre später, nach fünf Reisen von insgesamt 16 Wochen Dauer, sind die beeindruckenden Bilder dieses Abenteuers als Buch erschienen.

"Seven Volcanic Summits", das klingt nach einer Rekordjagd. Berg besteigen, auf der Liste abhaken und weiter zum nächsten. Doch Rohnfelder legte seine Mission anders an: "Es war nicht mein vorrangiges Ziel, auf dem Gipfel jedes einzelnen Vulkans zu stehen. Mich reizten die Kulissen und umliegenden Landschaften, die sieben Länder und Kulturen." Das hatte auch ganz praktische Gründe: "Ich bin kein Bergsteiger, ich bin Fotograf."

Gleich die erste Reise, die Expedition ins ewige Eis der Antarktis, zeigte ihm seine Grenzen auf, denn der erste der sieben Vulkangipfel verweigerte sich. Das Wetter schlug um, die Sicht wurde schlechter, winzige Eiskristalle schnitten schmerzhaft in die Haut. Obwohl angesichts der mühsamen Anreise absehbar war, dass es keinen zweiten Versuch geben würde, entschied sich Rohnfelder, die Seilschaft der erfahrenen Bergsteigergruppe zu verlassen und im Camp zu warten. "Es war keine Entscheidung gegen den Gipfel, sondern für eine andere, mindestens genauso große Herausforderung. Nämlich ganz allein in einem Zelt umgeben von Eis auf die anderen zu warten", sagt er.

Noch zwei weitere der sieben Vulkangipfel erreicht er nicht. Die dünne Luft am Ojos de Salado in Chile, dem mit 6893 Metern höchsten Vulkan der Erde, stellte sich als zu anstrengend heraus. Am Damawand in Iran durchkreuzten Schneetreiben und Sturm die Pläne. Und dennoch verbindet Rohnfelder mit beiden Orten ganz besondere Erinnerungen, weil der Verzicht auf den Gipfel Zeit ließ für anderes. Für eine Landschaft von einzigartiger Schönheit in Südamerika. Und für Sachertorte und einen Weihnachtslieder singenden Kinderchor in Iran - mitten im Mai. "Jede Tour war auf ihre Art einzigartig", sagt Rohnfelder - das gilt natürlich auch für die Reisen zu den vier Gipfeln, auf denen er es bis ganz nach oben schaffte, zum Pico de Orizaba in Mexiko, zum Elbrus in Russland, zum Mount Giluwe in Papua-Neuguinea und zum Kibo im Kilimandscharo-Massiv in Tansania.

Wobei es schon eine Herausforderung schien, einer Besteigung des Kibo einen einzigartigen Charakter zu geben. Mehrere Zehntausend Menschen versuchen sich im Jahr am höchsten Berg Afrikas. Der 5895 Meter hohe Gipfel ist vulkanischen Ursprungs und gehört deshalb wie auch der Elbrus in Russland sowohl zu den "Seven Summits" als auch zu den "Volcanic Seven Summits". Sich ihm zu Fuß anzunähern, erschien Rohnfelder wenig originell - er nahm das E-Bike.

Das Unterfangen entpuppte sich als komplizierter als gedacht. Es dauerte Tage, bis der Zoll die Akkus freigab, die nur im Frachtflugzeug nach Afrika reisen durften. Aber der Zweirad-Ritt bergauf, zusammen mit einem Freund, gelang. Durch sechs Vegetationszonen von der Savanne über Regenwald bis zu den Gletschern am vielfotografierten Gipfel "Uluru Peak". Eine verwegene Einzelleistung zweier durchtrainierter Abenteurer? Von wegen. Immer wieder mussten die Räder geschoben und getragen werden, dazu die Ausrüstung und eine Autobatterie, um die Fahrrad-Akkus mit Strom zu versorgen. Ohne die einheimischen Helfer "hätten wir das nie geschafft", sagt Rohnfelder. Deren enorme Leistung werde im Bergsport viel zu wenig gewürdigt.

Was ohne den einheimischen Bergführer Julio am Pico de Orizaba in Mexiko geschehen wäre, mag Rohnfelder sich gar nicht ausmalen. Ungewöhnliche Wetterbedingungen hatten den Schnee auf dem Weg zum Gipfel in blankes Eis verwandelt, erst kurz zuvor waren zwei Bergsteiger verunglückt. Auch Rohnfelders Steigeisen verloren plötzlich den Halt, sein Guide jedoch konnte ihn mit einem reflexartigen Griff ans Seil sichern.

Wohl die gefährlichste Situation des "Volcanic Seven Summits"-Projekts. Denn Funkenflug, Ascheregen, Glut und brodelnde Lava musste Rohnfelder auf den sieben höchsten Vulkangipfeln nicht fürchten. Sie alle sind derzeit nicht aktiv. Nur ein Wölkchen schwefelhaltigen Wasserdampfs ab und an erinnert an feurigere Zeiten. Und die Landschaft, die von vergangenen Ausbrüchen geformt wurde.

War das nicht zu wenig Action für einen Vulkanfotografen? "Darum ging es diesmal nicht", sagt Rohnfelder. Er ist ein neugieriger Entdecker, der, auch wenn er viel gesehen hat, immer noch staunen kann über die Schönheit der Welt. Die Berge waren zwar der Anlass für die Reise, aber nicht das einzige Ziel: "Das Projekt hat mich in Regionen geführt, die ich sonst nie auf meiner Liste gehabt hätte." Und hat ihn Menschen kennenlernen lassen, "bei denen ich enorme Freundlichkeit und Gastfreundschaft erlebt habe". Und werden die verpassten Gipfel nachgeholt? "Nein, jetzt darf es dann erst mal wieder etwas feuriger werden."

Adrian Rohnfelder: Volcanic 7 Summits. Mein Traum vom Unerforschten. teNeues Verlag, Kempen 2019, 200 Seiten, 100 Farbfotografien, 40 Euro

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