Süddeutsche Zeitung

Vulkanasche erreicht Deutschland:Welche Rechte hat ein Fluggast?

Die Flieger bleiben am Boden - für etliche Passagiere fällt die Reise aus. Bekommen sie ihr Geld zurück? Zahlt ihnen die Airline ein Hotel? Können Pauschalreisen vorsichtshalber abgesagt werden? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Seit Mittwochmorgen sind auch Reisende in Deutschland von der Aschewolke des isländischen Vulkans Grímsvötn betroffen: Die Flughäfen Bremen und Hamburg sind gesperrt, Berlin könnte folgen. Was können Passagiere tun, wenn ihr Flieger nicht abhebt? Wichtige Fragen und Antworten.

Wie lange gilt das Flugverbot?

Es ist unklar, wie lange das von der Deutschen Flugsicherung (DFS) verhängte Verbot gilt. Die DFS empfiehlt Betroffenen, sich umgehend mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen. Es sei mehr Personal im Einsatz, um Passagiere zu informieren.

Bei einem Vulkanausbruch handelt es sich um höhere Gewalt - gibt es in diesem Fall überhaupt Rechte?

Fluggäste haben Anspruch auf Unterstützungsleistungen der Airlines, nicht aber auf Ausgleichszahlungen, erklärt Reiserechts-Expertin Eva Klaar von der Verbraucherzentrale Berlin. Denn die Naturkatastrophe sei ein klassischer Fall "außergewöhnlicher Umstände", an denen niemand Schuld habe.

Kann man jetzt schon von seiner Flugreise zurücktreten?

So einfach sei das nicht, sagt Klaar. Die Tatsache, dass die Aschewolke einen späteren Flug verhindern könnte, reiche nicht für eine kostenfreie Stornierung, auch wenn ein Flugreisender befürchte, irgendwo auf der Welt festzusitzen. "Das gehört zum allgemeinen Lebensrisiko", sagt die Verbraucherschützerin. Solange die Flugsicherheit gewährleistet sei und der Flughafen nicht geschlossen wurde, könnten Passagiere ihre Reise nicht einfach absagen.

Wann haben Fluggäste Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises?

Wird ein Flug annulliert, müssen die Airlines den Ticketpreis inklusive Steuern und Gebühren erstatten. Dies gilt auch, wenn der gebuchte Flug mindestens fünf Stunden Verspätung hat. Alternativ können Passagiere kostenlos auf einen anderen Flugtermin umbuchen.

Welche Rechte hat ein Passagier bei Verspätungen?

Laut der EU-Fluggastrechte-Verordnung können Fluggäste schon bei kürzeren Verspätungen auf Rechte pochen: Bei Abflugverzögerungen von zwei Stunden bei Kurzstrecken (bis 1500 Kilometer), drei Stunden bei Mittelstrecken (bis 3500 Kilometer) und vier Stunden bei Langstrecken muss auf Wunsch "für das leibliche und kommunikative Wohl" des Fluggastes gesorgt werden, wie Verbraucherschützerin Klaar sagt. Passagiere haben dann Anspruch auf kostenlose Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche, Faxe oder E-Mails sowie - falls nötig - Hotelübernachtungen inklusive Transfer. Falls die Airline von sich aus nichts anbietet, kann sich der Wartende selbst mit Essen und gegebenenfalls mit einer Schlafgelegenheit versorgen. Die Kosten muss die Fluggesellschaft später erstatten, wenn sie sich in einem angemessenen Rahmen bewegen. Klaar rät auf jeden Fall dazu, die Belege aufzuheben.

Wie verhalten sich Urlauber, die eine Pauschalreise gebucht haben?

Die Kündigung einer Pauschalreise wegen der Sperrung des Luftraums ist nur möglich, wenn sie sich bei späterem Antritt nicht mehr lohnt, etwa bei kurzen Reisen von wenigen Tagen. In diesem Fall wird der Reisepreis erstattet. Bei einer zweiwöchigen Reise ist es der Reiseexpertin zufolge aber durchaus zumutbar, erst ein oder zwei Tage später loszufliegen. Verzögert sich der Abflug, wäre dies ein Grund, den Reisepreis anteilig zu mindern. Verbraucherschützerin Klaar rät Reisenden dazu, sich bei ihrem Reiseveranstalter zu erkundigen, ob und wann die Reise angetreten werden kann.

Was tun, wenn sich die Airline nicht an die Regeln hält?

Das Luftfahrtbundesamt hat ein Beschwerdeformular ins Internet gestellt. Fluggäste können der Behörde Unregelmäßigkeiten bei der Entschädigung und der Betreuung anzeigen.

Welches Risiko besteht in einer Aschewolke?

Grundsätzlich ist Vulkanasche hochgefährlich für Flugzeuge mit Düsen-Triebwerken. Die Hauptgefahr besteht darin, dass sich Aschepartikel in den Triebwerken festsetzen und diese zum Stillstand bringen können. Außerdem können sie das Staudruckrohr ("Pitot") des Flugzeuges verstopfen, so dass die Geschwindigkeitsanzeige im Cockpit nicht mehr funktioniert. Außerdem wirken die Partikel wie Schleifpapier für Außenhaut und Kabinenfenster, die schnell undurchsichtig werden.

Gab es schon Flugzeugabstürze infolge von Aschewolken?

Der Verband Europäischer Fluglinien AEA kennt nur zwei Vorfälle aus den vergangenen 20 Jahren, bei dem eine Aschewolke der Auslöser war - einen in Indonesien, einen in Alaska.

Brechen Vulkane in Europa immer häufiger aus?

Nein, sagt der Vulkanologe Donald Bruce Dingwell von der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Es ist normal, was passiert. Die Annahme, dass immer mehr Vulkane ausbrechen, ist rein subjektiv." Es sei reiner Zufall, dass die beiden isländischen Vulkane so kurz hintereinander aktiv seien, sagt auch der Chef der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol, Brian Flynn. "Es gibt alle 123 Jahre einen vergleichbaren Vulkanausbruch. Das ist ganz schön selten", räumt er allerdings auch ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1101321
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dapd/mikö/dd
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.