Nach Vulkanausbruch auf Island:Aschewolke stoppt Flugverkehr in Norddeutschland

Bremen, Hamburg, Berlin: Die Asche des isländischen Vulkans Grímsvötn hat in der Nacht Deutschland erreicht. Seit den frühen Morgenstunden gelten für die Airports in Bremen und Hamburg Flugverbote - und auch in der Hauptstadt wird der Luftraum vom späten Vormittag an gesperrt. Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisiert das Zustandekommen der Grenzwerte.

Seit Samstagabend stößt der Vulkan Grímsvötn auf Island Asche in einer gigantischen Wolke in die Atmosphäre. Nachdem bisher vor allem der Flugverkehr in Schottland, Teilen Norwegens und Dänemarks betroffen war, sind nun auch Passagiere hierzulande von Einschränkungen betroffen.

Wie der Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS), Axel Raab, mitteilte, dürfen in Bremen seit fünf Uhr und in Hamburg seit sechs Uhr keine Flugzeuge mehr starten oder landen. Der Berliner Luftraum wird von elf Uhr an gesperrt.

Vorerst keine Sperrung in Frankfurt

Entwarnung gibt es dagegen für den größten deutschen Flughafen in Frankfurt. Lediglich die Verbindungen nach Bremen und Hamburg wurden vorerst bis 14 Uhr annuliert. Auch der Airport Hannover wird wohl ohne Beeinträchtigungen davonkommen. "Die Aschewolke zieht an Hannover vorbei, so wie es im Moment aussieht", sagte DFS-Sprecher Raab.

Die Deutsche Flugsicherung empfahl allen Passagieren, die für Mittwoch einen Flug gebucht haben, sich mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen. Größere Flughäfen wie Frankfurt am Main, Düsseldorf oder München sind laut DFS nicht betroffen. Wie lange der norddeutsche Luftraum gesperrt bleibt und wie viele Flüge und Passagiere betroffen sein werden, steht noch nicht fest.

Die Aschewolke war am Dienstag weiter südlich gezogen - auch Richtung deutsche Küste und über Teile Dänemarks sowie den Süden von Norwegen und Schweden. Airlines hatten etwa 500 Flüge vor allem über Großbritannien abgesagt. Dies war nach Angaben der europäischen Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol aber nur ein kleiner Teil des gesamten Flugverkehrs in Europa mit etwa 29.000 Starts und Landungen.

Im April 2010 hatten die Aschewolken des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den Flugverkehr über Europa tagelang zum Erliegen gebracht. Etwa 100.000 Flüge fielen damals aus, mehr als zehn Millionen Passagiere konnten nicht so reisen wie sie wollten. Aschepartikel, die in Flugzeugtriebwerke geraten, können zu Leistungsverlust, Fehlfunktionen und schließlich zum kompletten Ausfall der Turbine führen. Ein solches Chaos wie im Frühjahr 2010 werde es diesmal nicht geben, heißt es von Experten, unter anderem weil ein neues Drei-Zonen-Modell weniger Flugverbote vorschreibe.

Ramsauer legt Grenzwerte fest

Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte bereits am Montag eine sogenannte Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt, die eine Messwert-Einteilung bis zum Flugverbot vorsieht. Keinerlei Beschränkungen gibt es demnach bei "Kontaminationen" bis zu 0,2 Milligramm Aschebelastung pro Kubikmeter Luft. Eingeschränkt geflogen werden darf noch zwischen 0,2 und zwei Milligramm Aschebelastung. Dann sind nach Ramsauers Worten besondere Vorkehrungen wie Meldepflichten, verstärkte Wartung und Überprüfung der Maschinen zu beachten. Dies sei "regulärer Flugverkehr, aber mit gewissen Auflagen".

Bei mehr als zwei Milligramm Aschebelastung pro Kubikmeter Luft darf nicht mehr geflogen werden - es sei denn, Triebwerk- und Flugzeughersteller hätten dafür ausdrücklich grünes Licht gegeben, sagte Ramsauer.

Kritik von der Pilotenvereinigung

Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisierte das Bundesverkehrsministerium wegen der Grenzwerte für Flugasche. Solche Grenzwerte seien zwar sinnvoll, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe. Das Problem sei aber, dass diese Grenzwerte nicht für ganz Europa gelten. Außerdem kritisierte Handwerg das Zustandekommen der Grenzwerte: "Die jetzt geltenden Werte wurden nicht im Test ermittelt." Man habe "konservative Werte zugrunde gelegt, einen Sicherheitspuffer draufgelegt und ein wenig gerechnet".

"Fluggesellschaften und ihre Kunden brauchen Sicherheit"

Auch ein Jahr nach dem Chaos auf den europäischen Flughäfen nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull seien keine "konkreten Tests" zur Ermittlung der Gefahr von Vulkanasche für die Flugzeuge durchgeführt worden. "Die Werte könnten durchaus zu niedrig, aber auch zu hoch angesetzt sein", sagte Handwerg.

IATA verärgert über britische Luftfahrtbehörde

Mit ihrer Kritik über den Umgang mit dem Vulkanausbruch ist die Pilotenvereinigung nicht alleine. Der internationale Luftfahrtverband IATA zeigte sich verärgert über den Umgang der britischen Behörden mit der Aschewolke des Grímsvötn. Es sei "erstaunlich und inakzeptabel", dass die britischen Luftverkehrsbehörden keine eigenen Messungen zu der Asche in der Atmosphäre vornähmen, erklärte der Verband mit Sitz in Genf. Die britische Luftverkehrsbehörde teilte mit, sie verlasse sich auf die Vorhersagen der offiziellen Wetterdienste.

Der internationale Luftfahrtverband forderte außerdem eine offizielle Übereinkunft unter den Einzelstaaten zur Sicherung des Luftraums. "Fluggesellschaften und ihre Kunden brauchen Sicherheit", sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani. Noch gebe es keine formale Festlegung in Europa, um koordiniert ein Chaos im Luftverkehr wie im vergangenen Jahr zu verhindern. Die europäischen Verkehrsminister müssten sich auf ein einheitliches Vorgehen einigen, um zu bestimmen, "ob und wann es sicher ist zu fliegen", sagte Bisignani. Weil es kein formales Abkommen auf politischer Ebene gebe, seien Reisende und Fluggesellschaften fragmentierten Entscheidungen einzelner Staaten ausgeliefert.

Entwarnung kommt derweil aus Island: Das Schlimmste scheine vorüber, der Vulkan stoße weniger Asche aus, meldete der Wetterdienst der Insel. Der internationale Flughafen Keflavik hat seinen Betrieb bereits am späten Montagabend wieder aufgenommen.

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