Urlauber-Vorlieben:Zwischen Instagram und Nudel-Oma

October 3 2017 Bali Indonesia BALI INDONESIA OCTOBER 03 German tourists stood at the gate

Ferne Ziele sind besonders beliebt: deutsche Touristen auf der indonesischen Insel Bali.

(Foto: Dasril Roszandi/imago/ZUMA Press)

Die Deutschen geben mehr denn je für ihren Urlaub aus. Dann soll er aber auch etwas ganz Besonderes bieten.

Von Hans Gasser

Man kennt das sonst von den Steuereinnahmen oder vom Arbeitsmarkt, wo ein Höchstwert nach dem anderen erreicht wird. Ganz ähnlich läuft es aber auch in der bunten Welt des Reisens: Jedes Jahr eilen die Deutschen von Rekord zu Rekord, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Noch nie gaben sie so viel Geld für Urlaubsreisen aus, noch nie haben sie so lange vorher gebucht und noch nie war das Internet für Information und Buchung der angeblich schönsten Zeit des Jahres so wichtig.

2017 lagen die Ausgaben für Reisen bei 96,4 Milliarden Euro, das waren rund neun Prozent mehr als im auch schon rekordträchtigen Jahr 2016. Pro Haupturlaubsreise wurden im Durchschnitt 1054 Euro ausgegeben. Die Zahlen stammen von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), die jedes Jahr das Reiseverhalten der Deutschen untersucht. "Der Stellenwert der Reisen unter den Konsumausgaben steigt", sagt Philipp Wagner, wissenschaftlicher Mitarbeiter der FUR. "Die Leute buchen zwar nicht viel mehr Reisen als vor einem Jahr, aber sie buchen verhältnismäßig hochwertigere, teurere Urlaube." So sei etwa die Zahl der Fernreisen und der Kreuzfahrten in den letzten Jahren angestiegen. Fast sechs Millionen Fernreisen wurden vergangenes Jahr unternommen, das entspricht einem Marktanteil von 8,4 Prozent. Auch das ist ein Rekord.

Und in diesem Sommer scheint sich die Entwicklung noch zu verstärken. Laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) ist die Zahl der Buchungen in Reisebüros und bei den Online-Portalen der Veranstalter im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent gestiegen, der Umsatz sogar um 14 Prozent. "Die Deutschen haben große Lust am Reisen", sagt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. Gleichzeitig werde so früh gebucht wie nie zuvor. In Reisebüros wurde 2017 im Durchschnitt 113 Tage vor Reiseantritt gebucht, online 84 Tage vorher. Den Grund sieht Heinen in der guten wirtschaftlichen Lage und in den Frühbucherrabatten, die besonders von Familien genutzt werden. Last Minute hat dagegen an Bedeutung verloren. Zwar gibt es derzeit noch einiges an buchbaren Reisepaketen, sie sind aber in der Regel nicht viel günstiger als im Katalog.

Das Internet verändert den Reisemarkt zwar drastisch, allerdings nicht so schnell, wie man erwarten würde. Laut FUR ist die klassische Pauschalreise immer noch die wichtigste Form für den Urlaub, mit einem Anteil von 44 Prozent. Und gebucht wird immer noch gern in Reisebüros mit persönlicher Beratung. Fast wie in alten Zeiten. 41 Prozent aller Reisen werden so an den Urlauber gebracht, online sind es 38 Prozent. Dieser Wert wächst seit Jahren allerdings unaufhaltsam, sagt Wagner von der FUR. "Es ist zu erwarten, dass schon bis 2020 die Mehrheit aller Urlaubsbuchungen über das Internet generiert wird."

Was nicht heißt, dass die Reisebüros komplett verschwinden werden, davon ist man jedenfalls beim DRV überzeugt. Derzeit gibt es rund 11 000 klassische Reisebüros im Land, die Zahl ist zuletzt sogar ein bisschen gewachsen. Das könnte daran liegen, dass die großen Veranstalter zwar gut darin sind, Badereisen ans Mittelmeer oder Kreuzfahrten in der Karibik zu organisieren und als fertiges Paket zu verkaufen. Doch immer mehr Menschen möchten nichts von der Stange, sondern individuelle Reisen, bei denen ihre Vorlieben sinnvoll miteinander verknüpft werden. Ob das nun der immer wichtiger werdende Aspekt der Nachhaltigkeit ist, ein spezielles Interesse an Sport, Natur oder Kultur, es haben sich viele kleine Spezialreiseveranstalter herausgebildet. Solche Reisen sind komplexer und nicht so einfach im Internet zu buchen. Das wiederum freut die Reisebüros, die sich hier mit Ortskenntnis, Kompetenz und Beratung unentbehrlich machen können. "Auch Reisebüros spezialisieren sich zunehmend auf bestimmte Ziele oder Zielgruppen", sagt Heinen.

Die kleinen Veranstalter, wie zum Beispiel jene des auf Nachhaltigkeit bedachten "Forum anders Reisen", konnten sogar gegenüber den Branchenriesen Boden gutmachen: Hatten die drei größten deutschen Veranstalter Tui, Thomas Cook und DER Touristik 2012 noch einen Marktanteil von etwa 44 Prozent, so waren es 2017 nur noch knapp 37 Prozent.

Die große Masse der Gäste sucht im Sommer weiterhin einen günstigen Zugang zu Sonne, Strand und Meer. Aber auch hier steigen die Ansprüche. So ist laut deutschem Ferienhausverband bei der Suche nach Urlaubsdomizilen den Gästen Wlan am wichtigsten, gefolgt vom eigenen Swimmingpool und der Möglichkeit, Haustiere mitzubringen. Und bei den Urlaubshotels findet eine immer stärkere Diversifizierung statt. Allein die Tui hat sieben verschiedene Hotelmarken im Programm, von denen sich jede an eine andere Zielgruppe richtet. Da gibt es nicht mehr nur solche für Familien oder Paare, sondern auch welche für die sogenannten Lifestyle-Kunden, denen veganes Essen genauso wichtig ist wie gutes Interior-Design, was sich dann per sozialen Netzwerken wie Instagram für die Lieben zu Hause beneidenswert in Szene setzen lässt. "Individuelle Erlebnisse sowie Nachhaltigkeit sind aktuell zwei starke Trends", sagt Tui-Sprecherin Stephanie Holweg. Jeder sechste Urlauber buche bereits umweltfreundliche Hotels.

Die Nachfrage nach besonderen Erlebnissen hat als einer der ersten der umstrittene Ferienwohnungs-Anbieter Airbnb erkannt. Dort kann man nun neben der Übernachtung etwa mit einer 81-jährigen Nonna bei Rom einen halbtägigen Pasta-Kurs samt Essen buchen oder man kann Naturkosmetik mit selbst gepflückten Kräutern in Kroatien herstellen. Die Nudel-Oma bei Rom hat so große Nachfrage, dass sie fast jeden zweiten Tag bis zu zehn Touristen in ihre Kochkünste einweiht. Natürlich ganz individuell.

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