Kürzlich war das Thorshühnchen da. "Was Besonderes", sagt Thomas Luther, die Weibchen sind noch schöner als die Männchen. Für ein paar Tage machten Thorshühnchen auf Sylt Station, der erprobte Hobbyornithologe Luther hat sie fotografiert. Noch besser war es, als der Albatros auf die Insel kam.
Vom Schwarzbrauenalbatros, kurz SBA, muss man wissen, dass er gewöhnlich auf einigermaßen entfernten Inseln lebt. Im Südatlantik, in der Gegend von Südgeorgien und den Falklandinseln, von den Argentiniern Islas Malvinas genannt. Von dort aus sind es gut 13 000 Kilometer, da tun sich die meisten Flugzeuge beim Direktflug schwer. Doch ein Schwarzbrauenalbatros mit seiner Spannweite von bis zu 2,45 Meter ließ sich ein paar Jahre lang auf Sylt sehen - er hatte sich verflogen und suchte Anschluss, zum Beispiel bei Höckerschwänen im Rantumbecken, die mit seinen Avancen nicht so viel anzufangen wussten. Seine Bewunderer kamen dafür aus vielen Ländern angereist, bis aus Israel. "Einmal im Leben möchte jeder einen Albatros sehen", sagt Thomas Luther. Seine Fotos zeigen den majestätischen Flug des Schwarzbrauenalbatros, der zwischendurch immer mal nach Helgoland oder England verschwand, kleine Abstecher.
Hauptberuflich ist Luther Augenarzt in Westerland, gute Augen sind bei der Suche nach diesen Sylter Attraktionen von Vorteil. Ebenso gute Ohren, Neugier, Geduld und schnelle Reaktion, denn die Vögel können ebenso plötzlich auftauchen wie abfliegen. Beliebt ist Deutschlands exklusivstes Eiland jedenfalls nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Vögeln aus aller Welt. Sie machen Sylt zu einem interessanten Revier für professionelle oder gelegentliche Vogelbeobachter, ihre Entdeckungen finden regelmäßig Eintrag in Fachforen wie ornitho.de. Der guten Lage sei Dank.
Sylt liegt exponiert im Nationalpark Wattenmeer und eignet sich hervorragend für Zwischenlandungen, gerade wieder in diesen Wochen, auf der Reise aus dem Norden in den Süden, aus Skandinavien oder Sibirien bis nach Afrika. Milliarden Zugvögel sind unterwegs, weg aus Europa, das Menschen derzeit selten verlassen. Wer aufpasst, kann die Zugvögel sogar nachts gegen das Mondlicht sehen oder sie hören. Thomas Luther berichtet, wie im Oktober oder November Zehntausende Wiesenpieper und Buchfinken über die Köpfe oder die Sansibar hinwegziehen. "Ein Erlebnis, wenn man ein bisschen einen Blick dafür hat", sagt er. Luther geht gerade mit Feldstecher und Teleobjektivkamera zwischen Bäumen beim Hörnumer Leuchtturm auf Pirsch, es ist auch Glückssache.
Tags zuvor ist es sonnig, diesig und windstill, das Rantumbecken riecht leicht modrig. Der mit Deichen abgetrennte Wattbereich sollte der Wehrmacht einst als Landeplatz für Wasserflugzeuge dienen, später bekamen die 568 Hektar einen wesentlich sinnvolleren Zweck. Das Areal wurde Vogelschutzgebiet, zur Rast und Brut. Thomas Luther ist dort Referent des Naturschutzvereins Jordsand, der den Vogelbestand prüft und pflegt. Die Führung übernimmt die Praktikantin Hannah. Sie erzählt, wie der Knutt Tausende Kilometer nonstop zum Überwintern nach Mauretanien fliegt. Beim Start ist er um die 200 Gramm schwer. "Was schätzen Sie, was er bei seiner Ankunft noch wiegt? 100 Gramm." Der Knutt braucht in der Luft seine Fettreserven auf und bildet Organe zurück. Oder die Küstenseeschwalbe, von denen manche 90 000 Kilometer im Jahr zurücklegen, mehr als zweimal um die Erde.
Die Zuhörer staunen auch, als sie erfahren, dass die Mantelmöwe ihre Flügel 1,60 Meter weit ausbreitet und die Eiderente Muscheln im Kaumagen knackt, weshalb sie sich nahrhafte Muscheln aussucht, weil der Energieaufwand sonst zu groß wäre und sie verhungern würde. Die Austernfischer dagegen wagen sich erst allmählich an die eingeschleppte Pazifische Auster mit ihrer dicken Schale.
Die Studentin Hannah verweist auf Alpenstrandläufer, Säbelschnäbler, Pfuhlschnepfen, Kormorane. Im Nationalpark Rantumbecken brüten Dutzende Arten Seevögel und Wasservögel, manche auf kleinen Inseln, wo sie sicher sind vor dem Fuchs. Eine richtige Insel ist Sylt ja längst nicht mehr, seit es den Hindenburgdamm für die Züge gibt, die Landverbindung nutzen auch Raubtiere wie der Marderhund oder der Fuchs. Den Vogelfrieden stellen außerdem jene E-Bikefahrer auf die Probe, die über den Schotter rasen.
Das Vogelglück hat so viele Facetten. "Für alle Sinne", sagt Thomas Luther, der Augenarzt und Vogelkundler. Es macht ihn froh, wenn er in Zeiten des Klimawandels 120 Arten beobachten kann. Was sich wo zeigt, das hängt von der Jahreszeit ab, der Tageszeit, der Tide, dem Wind. Auch sei die Fluchtbewegung der Vögel auf Sylt höher als auf Helgoland. Und heller als früher ist es geworden - die vielen Lichter.
Bei Nordwind fliegen die Vögel Richtung Süden tendenziell sehr hoch über Sylt, bei Südwind niedriger, weil das Land den Wind bremst und die Vögel dann weniger Kraft brauchen. Bei strammem Westwind populär ist Seawatching an der Seepromenade, die Ausschau nach Sturmvögeln. Manchmal, sagt Thomas Luther, reiche ihm ein Vogel, wenn er einen Tag auf Tour sei, "es muss der Richtige sein." Er imitiert eine Vogelstimme. Zu finden ist zur Mittagszeit hier jetzt nicht so viel, immerhin Kohlmeisen, Blaumeisen, und hinten auf dem Weg, ein Gartenrotschwanz. "Weiblich", sagt der Fachmann Luther, so was sieht man.