Vietnam:Vorsicht vor der Suppenschüssel

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In der Altstadt von Hanoi spielt sich ein Großteil des Lebens auf dem Bürgersteig ab. Als Tourist steht man schnell mitten im Alltag der Vietnamesen - manchmal sogar mit beiden Füßen.

Es reicht, eine Weile durch die Altstadtgassen von Hanoi zu schlendern, um mitten ins pralle Leben der Vietnamesen zu stolpern - und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn wer nicht aufpasst, kann mit dem Fuß schon mal in der Suppenschüssel landen.

Hanoi
:Die Stadt der Farben

Vietnams Metropole wächst von Jahr zu Jahr - die Kluft zwischen Tradition und Moderne wird immer größer.

Auf den Bürgersteigen der vietnamesischen Hauptstadt wird nicht nur von früh bis spät gekocht, gegessen und gewaschen - fast das ganze Leben spielt sich dort ab.

Ein Mann hat neben seinen Hauseingang einen Spiegel gehängt und bietet Barbierdienste feil. Eine Frau wechselt zwischen geparktem Moped und den Auslagen des Haushaltsgeschäfts nebenan Babywindeln.

Kinder sitzen auf Minihockern und machen auf dem Schoß die Hausaufgaben. Akne-Behandlung gibt es auch am Bordstein, und überall sind vor allem Frauen mit dem bekannten zylinderförmigen Strohhut und zwei riesigen Körben an einer Stange über der Schulter unterwegs, mit Brot, Orangen oder anderen Leckereien. Die Bürgersteige sind eng, deshalb ist der Spaziergänger immer gleich mitten drin.

Die heute vier Millionen Einwohner zählende Stadt wurde im Jahr 1010 gegründet. Sie ist damit die wohl älteste noch bestehende Hauptstadt in Südostasien. Ihren Charme verdankt sie der Mischung aus altem Asien mit reich verzierten Pagoden und Handwerkergassen und den unverkennbar kolonial-französischen Einflüssen. Die Altstadt lässt sich gut zu Fuß entdecken - allerdings besser mit Gebrauchsanweisung.

Die Straßen zu überqueren, setzt einen gewissen Mut voraus: Drei Millionen Mopedfahrer schlängeln sich zwischen den Autos durch. Und der Verkehrsstrom reißt nie ab. "In Richtung Verkehr blicken und unbeirrt losgehen, langsam und berechenbar, nicht zurückspringen", rät die Studentin Quynh Tran. "Die Autos und Mopeds weichen schon aus."

Wer die Angst überwunden hat, bleibt dennoch vor Staunen oft am Straßenrand stehen: Vierköpfige Familien auf einem einzigen Moped fahren vorbei - oder eine Frau, die so hoch schwanger ist, als sei sie gerade auf dem Weg in den Kreißsaal. Dann sieht man ein altes Moped, auf dem Fahrer und Beifahrer zwischen sich zwei Glasscheiben balancieren - beide sind mindestens ein Mal zwei Meter groß.

Vom sicheren Bürgersteig aus lassen sich die bunten Fassaden in der Altstadt mit ihren zahlreichen gediegenen Ladenhäusern bestaunen.

"Wir halten es wie die Frauen: nur vorn Make-up", sagt ein Stadtführer schmunzelnd. Tatsächlich sind am Ende des Blocks oft rohe Stein- oder Betonwände zu sehen. Ein Blick in den Eingang zeigt einen langen, dunklen Flur.

Tunnelhäuser heißen sie, manchmal nur drei Meter breit, aber 20 oder 30 Meter lang. Kein Wunder, dass die Leute lieber draußen im Tageslicht vor der Tür sitzen. Es gibt richtige Handwerkerviertel hier. Bambusverkäufer, Gewürzverkäufer, Seidenschneider leben in nachbarlichem Wettbewerb in einer Straße.

Oasen im lauten Straßentreiben bilden die Cafés am Straßenrand. Hinter dicken alten Banyan-Bäumen, von denen wie Trauerweiden dicke Wurzelwerke hängen, versteckt sich etwa eine "Boulangerie" oder ein "Paris Deli". Charles Aznavour tönt aus dem Lautsprecher.

Frankreich lässt grüßen, mit typischen Café-Tischchen - und teils Preisen - im Pariser Stil oder einem Korb voller Baguettes auf dem Ladentresen. Während in der Suppenküche am Straßenrand für 50 Cents ein Mahl kredenzt wird, legt man hier schnell ein paar Euro für Kaffee hin.

Auch am 700 Meter langen "See des zurückgegebenen Schwertes", dem Huan Kiem, mitten in der Stadt ist der Verkehr plötzlich nur noch ein fernes Rauschen. Das lauschige Ufer ist besonders am Abend interessant. Neben jeder Bank parkt ein Moped, und ein Liebespaar ist ins Gespräch vertieft, oft ganz modern: Er hat den Arm um sie gelegt und schreibt mit einem Daumen lässig eine SMS. Sie starrt an seine Brust geschmiegt gebannt auf das Display ihres eigenen Handys.

Rendezvous auf der Parkbank

Die Uferbänke sind für junge Vietnamesen eine der wenigen Chancen, nur zu zweit zu sein, beschienen vom fahlen Licht der Reklametafeln einer japanischen Kamerafirma, die diese Ruheoase mit Werbegeld unterstützt. 30 Jahre, nachdem die Amerikaner aus dem Land vertrieben wurden, sind Preise in Hanoi meist in Dollar ausgezeichnet, obgleich man immer auch mit einheimischen Dong bezahlen kann.

Der See ist auch ein Anziehungspunkt für Sportliche. Junge Männer im Muskelhemd machen vorzugsweise in Sichtweite weiblicher Teenager Liegestütze. Frauen mittleren Alters marschieren in Turnhose und Hemd im Powerwalk herum, als leisteten sie einer Aufforderung der kommunistischen Partei zur körperlichen Ertüchtigung grimmig Folge.

Hanoi hat einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten: den Literaturtempel Van Mieu zum Beispiel, hinter dem sich eine mehr als 900 Jahre alte Universität verbirgt. Bombastisch ist das Museum und Mausoleum des kommunistischen Staatsgründers Ho Chi Minh.

Auch das Wasserpuppentheater Thang Long ist einzigartig. Nach Jahrhunderte alter Tradition stehen die unsichtbaren Marionettenhalter bis zur Hüfte im Wasser. Besonders gediegen sind im Kontrast zum emsigen Leben die vielen Pagoden und Tempel. Ahnenverehrung und Opfergaben werden in Vietnam groß geschrieben.

Anreise und Formalitäten: Vietnam verlangt von Touristen ein Visum, das gegen Gebühr von der Vietnamesischen Botschaft in Deutschland ausgestellt wird. Kinderausweise werden mit aktuellem Bild akzeptiert, ein Reisepass oder Eintrag im Pass der Eltern sind aber ratsam. Die Flugzeit beträgt rund 13 Stunden.

Klima und Reisezeit: Im Sommer ist es in Hanoi subtropisch heiß und schwül, im Winter manchmal frisch mit Temperaturen um 20 Grad. Als beste Reisezeit gelten die Monate Oktober bis April.

Währung: Für 100 Euro bekommt man gut zwei Millionen Dong (Stand: Februar 2007). Geld lässt sich am Flughafen in Hanoi wechseln. In der Stadt lässt sich mit Kreditkarte auch am Automaten Bargeld ziehen.

Gesundheit: Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Polio und Hepatitis A und B werden empfohlen. In Vietnam sind Menschen an Vogelgrippe erkrankt, Touristen sollten daher Geflügelmärkten fernbleiben. Dengue-Fieber ist eher im Süden des Landes ein Problem. Trotzdem ist guter Mückenschutz ratsam. INFORMATIONEN: Botschaft von Vietnam, Konstantinstraße 37, 53179 Bonn (Tel.: 0228/95 75 40, Internet: www.vietnambotschaft.org,

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