Hoyen ist 25 Jahre alt, aber mit ihrem zierlichen Körperbau würde sie auch als Zehnjährige durchgehen. Ihr Alter ist ihr nicht anzusehen. Selbst für hiesige Verhältnisse ist sie extrem vermummt. Fast alle Vietnamesinnen tragen im Freien einen Mundschutz, wie man ihn von Chirurgen kennt. Damit schützen sie sich gegen die Sonne. Hoyen reicht das nicht. Sie hat sich zusätzlich ein weißes Frotteehandtuch um den Kopf gewickelt. Durch einen Schlitz sind nur ihre schwarzen Mandelaugen sichtbar. Darüber trägt sie den traditionellen Kegelhut. Außerdem hat sie lange Hosen, Jeansjacke und rosa Gummihandschuhe an.
So hockt Hoyen unter den Palmen und gießt sie mit einem Schlauch, der an einen Teich angeschlossen ist. Ein, zwei Minuten verweilt sie an einem Stamm. Sie schaut dem Wasser zu, wie es im Sand versickert, dann geht sie zur nächsten Palme, jeden Tag, von morgens bis abends, manchmal ohne einem Menschen zu begegnen. Vier Tage braucht sie, bis sie alle Bäume gegossen hat, dann fängt sie wieder von vorne an.
"Es ist keine so tolle Arbeit", meint sie, "schlecht bezahlt." Aber es reiche zusammen mit dem Lohn ihres Mannes gut für sie beide und ihren Sohn. Die Frage, ob ihr beim Gießen langweilig ist, versteht sie nicht. Gezählt hat sie die Palmen nie. "Sie haben mir gesagt, dass es 2000 sind."
Sie, das sind ihre Chefs von einem US-amerikanisch-vietnamesischen Joint Venture. 35 Jahre nach dem Krieg verstehen sich die ehemaligen Feinde gut aufs gemeinsame Geschäftemachen. Hinterm Palmenhain stehen schon die Bagger bereit. Bald wird ein Urlaubsresort aus dem Sandboden gestampft. Die Bäume, die Hoyen geduldig wässert, sind nur der Anfang. Wahrscheinlich das Ende der Strandidylle von Quan Lan.