Verlorene Koffer im Internet:"Ich zeige alles!"

Die Engländerin mit dem Künstlernamen Luna Laboo ersteigert verlorene Koffer - und breitet den Inhalt im Internet aus.

Katja Schnitzler

Die Designerin "Luna Laboo" aus London hält sich bedeckt, als Porträt sage der Inhalt ihrer Handtasche genug über sie aus. Das passt, schließlich nennt sich Luna Laboo eine Voyeurin. Doch sie beobachtet nicht Paare beim Liebesspiel, sondern durchwühlt Koffer - ganz legal. Die 28-Jährige ersteigert verlorenes Gepäck am Flughafen Heathrow, öffnet die Koffer, fotografiert den Inhalt und fragt im Internet: "Is this your luggage?" Bald wird es noch persönlicher: Sie will den Inhalt der Handtaschen anderer Leute fotografieren.

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(Foto: Foto: Luna Laboo)

sueddeutsche.de: Was reizt Sie an fremden Koffern?

Luna Laboo: Ich finde es wirklich interessant, die Sachen von Fremden anzusehen. Man darf eigentlich nicht anderer Leute Gepäck durchwühlen, das macht es sehr aufregend, genau das zu tun. Ich glaube, da ist jeder ein bisschen voyeuristisch.

sueddeutsche.de: Wie fühlt es sich an, einen ersteigerten Koffer das erste Mal zu öffnen?

Laboo: Es ist so aufregend wie ein Geschenk auszupacken: Man hat ja keine Ahnung, was man darin findet.

sueddeutsche.de: Das Gepäck zu durchsuchen reicht Ihnen aber nicht. Warum wollen Sie auch noch die Eigentümer finden?

Laboo: Als ich begann, die Koffer zu kaufen, tat ich das nur aus Neugier. Aber wenn ich die Koffer öffne, bekomme ich durch die Kleidung eine Ahnung davon, wie der Besitzer sein muss. Dies sind ganz persönliche Sachen, die die Leute zurückhaben sollten. Also begann ich, die Besitzer über meine Webseite zu suchen.

sueddeutsche.de: Wie suchen Sie die Koffer aus, die Sie bei der Auktion ersteigern?

Laboo: Ich suche sie nicht aus. Ich muss die nehmen, die ich mir leisten kann. Sie kosten zwischen 16 und 60 Pfund - also kaufe ich meistens die billigeren.

Leidenschaft mit Platzbedarf

sueddeutsche.de: Warum haben Sie überhaupt so ein seltsames Hobby?

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(Foto: Foto: Luna Laboo)

Laboo: Ich weiß nicht, es hat mich irgendwie überkommen: Ich wollte nur einen Koffer kaufen, als ich das erste Mal zur Auktion ging, aber es wurde zu einer kleinen Obsession. Die ist allerdings kontrollierbar durch den Stauraum, den ich für meine Leidenschaft benötige. Außerdem macht es Smalltalk sehr viel interessanter, wenn einem die Leute nach Hobbys fragen.

sueddeutsche.de: Sie arrangieren den Inhalt der Koffer fein säuberlich vor weißem Hintergrund - ist das wirklich nur ein Hobby oder haben Sie mehr ein Kunstprojekt im Sinn?

Laboo: Ich will die Sachen attraktiv darstellen, denn ich sehe das Gepäck als ein Porträt des Eigentümers. Deswegen müssen auch alle Gegenstände zusammen abgebildet werden. Es ist ein wenig wie bei Schmetterlingen, die in Glaskästen angeordnet und festgesteckt sind, um sie deutlich zu zeigen.

sueddeutsche.de: Was ist das Seltsamste, das Sie bisher in den Gepäckstücken gefunden haben?

Das bislang seltsamste Kleidungsstück

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(Foto: Foto: Luna Laboo)

Laboo: Das Kostüm "unartige Krankenschwester" für Sexspiele. Aber alle Inhalte sind auf ihre eigene Weise interessant: Einer der großen schwarzen Koffer muss einem jungen Mädchen gehören. Alle ihre Socken hatten zwar einen passenden zweiten, doch sie waren sämtlich mit einem nicht passenden zusammengelegt, so als ob sie nicht wollte, dass ihre Socken gleichartig sind. Oder sie packte sehr eilig - aber wer legt Socken zusammen, wenn er es eilig hat?

sueddeutsche.de: Hat schon jemand sein Gepäck bei Ihnen wiederentdeckt?

Laboo: Nein, aber hoffentlich bald.

sueddeutsche.de: Was muss derjenige tun, um seinen Koffer zurückzubekommen?

Laboo: Eigentlich nur mir schreiben und mir ein paar Details nennen, so dass ich mir sicher sein kann, dass es der rechtmäßige Besitzer ist. Dann schicke ich den Koffer einfach zu.

sueddeutsche.de: Probieren Sie die Kleidung auch mal an?

Selbst anziehen? Niemals!

Verlorene Koffer im Internet: Der Inhalt der Taschen sagt einiges über die Besitzer aus, findet Luna Laboo. Nur konsequent, dass sie sich mit ihrer eigenen Tasche vorstellt.

Der Inhalt der Taschen sagt einiges über die Besitzer aus, findet Luna Laboo. Nur konsequent, dass sie sich mit ihrer eigenen Tasche vorstellt.

(Foto: Foto: Luna Laboo)

Laboo: Nein, denn ich sehe sie nicht als mein Eigentum, obwohl sie vom Gesetz her nun mir gehören. Ich wasche die Sachen nicht einmal, nach dem Fotografieren packe ich sie wieder in die Koffer.

sueddeutsche.de: Wo bringen Sie das ganze Gepäck überhaupt unter?

Laboo: Einiges in meinem Büro, anderes in meiner ständig schrumpfenden Wohnung.

sueddeutsche.de: Und was tun Sie, wenn keiner die Sachen zurückwill?

Laboo: Ich weiß noch nicht, vielleicht spende ich sie einer Wohltätigkeitsorganisation.

sueddeutsche.de: Auf der Homepage steht etwas von "anderen Dingen", die noch in Arbeit sind - was können wir da erwarten?

Laboo: Ich arbeite an einigen Projekten, um den Kauf der Koffer zu finanzieren. Ich mache Portraits von den Handtaschen anderer Leute, außerdem denke ich daran, Abzüge von den Kofferfotos zu verkaufen, um noch mehr Koffer ersteigern zu können.

sueddeutsche.de: Was für ein Fundstück würden Sie nie auf Ihrer Webseite zeigen?

Laboo: Ich zeige alles.

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