Verbote an Stränden:Zur Sonne, zur Freiheit?

Beach Party

Yeah, yeah, yeah! Auch wenn man nicht gleich Rock 'n' Roll tanzt wie diese Herrschaften in den USA um 1960: Das Leben am Strand gilt als Gegenentwurf zum Alltag, hat aber in Wahrheit auch seine Grenzen.

(Foto: Archive Photos/Getty Images)

Der Strand ist der Inbegriff der Ungezwungenheit. Umso höhere Wellen hat die Burkini-Debatte in Frankreich geschlagen - dabei gibt es an Badeorten in aller Welt noch viel mehr Vorschriften.

Von SZ-Autoren

Zu viel Kleidung

Schon mal versucht, in Südfrankreich im August einen Platz am Strand zu erkämpfen? Wird vielleicht besser jetzt, wo es mancherorts ein Burkini-Verbot gibt. Denn die Trägerinnen werden ihr Badegewand nicht ab- und sich einen Bikini zulegen. Sie werden das tun, was schon ihre Mütter und Großmütter taten: zu Hause bleiben, Tee trinken, über Gott und die Welt lamentieren. Es stimmt schon: Jede westliche Feministin bekommt beim Anblick des Ganzkörperbadeanzugs Beklemmungen. Weil die verhüllte Frau ein so augenfälliges Symbol für die Begrenzungen ist, die muslimische Frauen erdulden müssen. Das Burkini-Verbot fügt eine weitere hinzu. Wie gut, dass das oberste französische Verwaltungsgericht nun das Verbot in Villeneuve-Loubet aufgehoben hat. Es wird wohl auch in den anderen Orten fallen, sobald jemand dagegen klagt. In der Türkei, wie wir sie bislang kannten, gab es Strände, da lag die eine im Bikini, die andere im Kopftuch. Besser es schreibt einem niemand vor, wie man sich am Strand zu kleiden hat. Nicht die Christin der Muslima, nicht die Muslima ihrer Glaubensschwester. Und schon gar nicht ein Mann einer Frau.

Monika Maier-Albang

Zu wenig Kleidung

Viel älter als die Diskussion um verhüllte Frauen am Strand ist die um nackte Frauen und Männer. In Deutschland kann sich, wer nahtlos braun werden oder sich im nassen Bikinioberteil keinen Schnupfen holen will, relativ ungezwungen verhalten. Seit den Freiheitskämpfen der Siebzigerjahre ist Nacktsein in der Öffentlichkeit grundsätzlich überall geduldet, wo es niemanden stört. Also de facto an Badestränden aller Art, sei es auf Isarkieseln oder Ostseesand. Ansonsten kann es wegen Belästigung der Allgemeinheit als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Anderswo müssen Menschen im Lichtgewand weit vorsichtiger sein. In muslimischen Ländern wie Ägypten, Marokko, Tunesien oder den Malediven, aber auch in Kenia drohen Haftstrafen. Auch in Thailand ist FKK verboten. In den USA gilt schon das Umziehen am Strand als "indecent exposure". Urlauber, die sich völlig unbeobachtet wähnen, sind perplex, wenn plötzlich Polizisten auf Pferden oder Quads hinter Dünen vorpreschen und sie zur Kasse bitten. Auch Kinder müssen bekleidet sein. Dann gibt es noch einen feinen Unterschied zwischen oben ohne (am italienischen Familienstrand beispielsweise erlaubt) und ganz ohne (am italienischen Familienstrand nicht erlaubt). In Brasilen ist oben ohne nur an ausgewiesenen Stränden legal. Tangas mit einem Stoffanteil, der etwa dem von Zahnseide entspricht, sind dagegen in Ordnung.

Jochen Temsch

Rauchen

Als Nichtraucher wundert man sich seit Jahren über Raucher, die ihre Kippen einfach im Sand entsorgen. Haben die nie von kleinen Kindern gehört, die das Giftzeug in den Mund stecken können? Glauben sie an Heinzelmännchen, die ihren Abfall aus dem Sand sieben? Wissenschaftler der San Diego State University fanden 2011 im Laborversuch heraus, dass selbst ungerauchte Filter Fische töten können. Man kann also nachvollziehen, dass an immer mehr Stränden das Rauchen verboten wird: Auf Ibiza rief die Gemeinde Santa Eulària 2015 den "ersten rauchfreien Strand" der Insel aus. In Südfrankreich war die Hafenstadt La Ciotat vier Jahre früher dran, Bibione folgte 2014. Und die Raucher, lernen sie dazu? Manche. Sie entsorgen ihre Zigaretten-Stummel in leeren Cola-Dosen und tragen die zum Mülleimer. Es braucht nicht immer Verbote, oft reicht ein Appell an die Vernunft.

Monika Maier-Albang

Eintritt am Strand, Sex on the Beach und ein Lob auf den Baikalsee

Zutritt für alle

Es ging durch die Weltpresse, als im vorigen Sommer der wegen seiner Steinformationen berühmte Strand As Catedrais in Nordspanien nur noch nach Online-Reservierung betreten werden durfte. 20 000 Besucher pro Tag waren für die Natur und auch für die Menschen an dem nur einen Kilometer langen Strand zu viel geworden. Die Aufregung über die Gratis-Reservierung war etwas übertrieben. Denn schon lang wird für Strände Eintritt verlangt. Besonders in Italien darf man viele Abschnitte nur durch die Holztüren der Badeanstalten betreten. 15 bis 30 Euro kostet dort ein Tag, immerhin werden Liege und Schirm gestellt. Im August kann man aber oft nur Reservierungen für eine Woche oder gar den ganzen Monat machen. Bibione hat das Ganze digital perfektioniert, dort kann man den Schirm und die Reihe online buchen, wie im Theater. Und was anderes ist ein voller Strand im Sommer?

Hans Gasser

Intim werden

Sex on the Beach? Egal ob man an den Cocktail oder die Aktivität denkt, in Dubai verstoßen beide Varianten gegen das Gesetz: So büßte 2012 ein britisches Paar sein "unsittliches Verhalten" am Strand mit einem dreimonatigen Gefängnisaufenthalt. Lange ließ sich auf Mykonos die dort in hoher Zahl vertretene Gay-Community zu Handlungen hinreißen, die von den Behörden als Erregung öffentlichen Ärgernisses eingestuft wurden. Bei Cap d'Agde in Südfrankreich werden Swinger-Partys im feinen Sand des sogenannten "Schweinchenstrandes" veranstaltet. Und obwohl man im dortigen Quartier Naturiste, einem FKK-Viertel, die Freiheit oder eher die Pflicht hat, unbekleidet in Friseursalons, Banken oder Eisdielen zu gehen, ist zu innige Zweisamkeit am Strand unerwünscht. Besonders konsequent in der Durchsetzung dieses Verbots sind die Kroaten: Selbst Urlauber, die nichts anderes wollen, als ein Sonnenbad, werden am FKK-Strand von Punta Križa bei Rovinj von Sicherheitsleuten überwacht. Dort ist man der Meinung, dass Voyeure in Uniform viel wirkungsvollere Spielverderber sind als metallene Verbotsschilder. In Spanien gibt es einen noch effektiveren Stimmungskiller: Bis zu 75 000 Euro Strafe kostet dort Sex am Strand.

Julia Höftberger

Waffen tragen

Ein Lob auf den Baikalsee! Zwar steht fast das gesamte Gebiet um das tiefste Binnengewässer der Welt unter Naturschutz, aber man kann dort in die Schwammerl gehen, Beeren sammeln, und wer sich traut, schwimmt im eisigen Wasser von Sibiriens "Heiligem Meer". Lagerfeuer, Zelten, Kochen, Musizieren sind ausdrücklich erlaubt. Verboten ist es hingegen, Bäume umzusägen, mit der Kalaschnikow herumzuballern oder seinen Müll zurückzulassen. Letztere Vorschrift wird allerdings mit großer Nonchalance ignoriert. Auch das Alkoholverbot am Strand lässt Spielraum für Interpretation: Spirituosen mit einem Alkoholgehalt von 40 Prozent aufwärts, vulgo Wodka, sind an einigen Plätzen nicht erlaubt. Doch es gibt ja noch Bier, Kwass - ein kräftiger Trunk, der aus vergärtem Brot gemacht wird - und Wodka unter 40 Prozent. Das reicht dicke für eine Strandfete am Baikalsee. Ist eben alles eine Frage der Perspektive. In Russland jedenfalls ist das Glas stets halb voll. Auf in den wilden Osten, wo noch die Freiheit wohnt!

Ingrid Brunner

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